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BAD KISSINGEN
„Das Leben als Spitzenkandidat ist nicht schwerer geworden“
Neujahrsempfang der SPD       -  Neujahrsempfang bei der Kreis-SPD Bad Kissingen im Tattersall: Zu Gast war Landtagsspitzenkandidat Christian Ude.
Foto: Isolde Krapf | Neujahrsempfang bei der Kreis-SPD Bad Kissingen im Tattersall: Zu Gast war Landtagsspitzenkandidat Christian Ude.
Das Gespräch führte Achim Muth
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:01 Uhr
Wieviel Spaß macht Ihnen die Aufgabe als Spitzenkandidat noch?
 
Christian Ude: Sie macht mir einen unbandigen Spaß und ist eine faszinierende Horizonterweiterung. Ich spüre eine Welle der Unterstützung, die alle Erwartungen übertrifft – insbesondere im fränkischen Raum, wo große, nahezu begeisternde Veranstaltungen stattfinden. Weniger begeisternd ist die Zeitungslektüre, das will ich nicht schönreden. Für mich gibt es eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung zwischen der Realität und der Medienwelt. Die Medienwelt dreht sich nur um Aussagen, die skandalisiert werden und Umfragewerte, die es wohl tatsächlich gibt, denn sie häufen sich. Aber die Stimmung, die ich im Lande erlebe, ist ganz anders, sogar aufbauend. Die Erregungsthemen der Medien sind für uns allerdings nicht erfreulich.
 
Sie spielen auf den SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück an?
 
Ude: Die Medienresonanz und die Interpretation, er wolle mehr Geld, was er mit keinem Sterbenswort gesagt hat, haben tatsächlich dazu geführt, dass das Thema die Leute irritiert. Das ist richtig. Nicht das Zitat selbst, sondern die beigefügte Interpretation, das klebt jetzt ein bisschen an ihm.
 
Als früherer Zeitungsredakteur kennen Sie das Geschäft, haben Sie schon mit ihm gesprochen?
 
Ude: Das werden ihm zurzeit viele sagen, da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben.
 
Aber er hat Ihnen das Leben in Bayern schwerer gemacht?
 
Ude: Das Leben als Spitzenkandidat ist nicht schwerer geworden. Das Leben ist erstaunlich erfreulich. Aber es gibt eine Oberflächenkommunikation, die zurzeit von Schlagzeilen beherrscht wird.
 
Es scheint, der positive Effekt nach Ihrer Bekanntgabe zu kandidieren ist verpufft. Sind Sie zu früh aus den Startlöchern?
 
Ude: Es ist klar, dass man bei einem Start mit vollem Schwung beginnt und dass dann die Mühen der Ebene kommen. Das war vorhersehbar. Wir wären ja skurrile Leute, wenn wir zwei Jahre ununterbrochen in Glückszuständen baden würden. Das hätte mit der Realität nichts zu tun. Der Start war auf jeden Fall wichtig und notwendig, denn es galt zunächst, die Strukturen aufzubauen, die Mitstreiter zu finden, ein Beraterteam aufzustellen, die Programmdiskussion pragmatisch und realistisch zu gestalten und alle Landesteile in die Debatte miteinzubeziehen. Für all diese Aufgaben brauchte ich die Plattform des Spitzenkandidaten. Dieses Jahr war also ein Jahr unerlässlicher Vorarbeiten, auf denen man jetzt aufbauen kann.
 
Mit welchen Themen will die SPD in Bayern punkten?
 
Ude: Dieses Land hat gerade auf wirtschaftlichem Gebiet viele Vorzüge, aber es ist ein Land, das sich gerade regional nicht im Gleichgewicht befindet. Wie unterschiedlich die Wirtschaftskraft und Zukunftsinvestitionen verteilt sind, ist auch offensichtlich. Dass wir weder bei der Bildungs- noch der Geschlechtergerechtigkeit besonders gut dastehen, ist zumindest den betroffenen Gruppen bekannt. Das Land ins Gleichgewicht bringen ist ein Ziel, eine moderne und gerechte Bildungspolitik durchzubringen mit der Abschaffung der Studiengebühren ein anderes. Dann gibt es den großen Komplex der Energiepolitik, wo die CSU ja offen einräumen musste, dass ihr Atomkurs gescheitert ist und dass sie die Energiewende nicht in den Griff bekommt. Da haben wir mit unserer Kompetenz der Stadtwerke und der langfristig angelegten Politik der erneuerbaren Energien natürlich Oberwasser.
 
In der öffentlichen Wahrnehmung, so scheint es, fehlen die großen Themen.
 
Ude: Öffentlich wahrnehmen kann die Bevölkerung zunächst nur, was die Medien vermitteln. Und da spielt in der Tat ein Zitat eine größere Rolle als etwa die gesamte Bildungspolitik. Die Kommunikation, die wir beeinflussen können, beginnt im Wahlkampf. Da werden wir die Themen setzen, die für die Bevölkerung und ihre Lebensumstände wichtig sind. Im Übrigen stelle ich fest, dass wir offensichtlich die richtigen Themen haben, denn die CSU knickt bei einem Thema nach dem anderen ein und schreibt bei uns ab. Es hat noch nie eine Landesregierung gegeben, die so systematisch und flächendeckend ihre Positionen räumt und vor der Opposition einknickt. Das ist beim Nein zum Atomstrom so, beim Ja zu erneuerbaren Energien, beim Nein zum Donauausbau, beim G8, wo wir eine Neun-Jahre-Alternative fordern sowie beim Nein zu den Studiengebühren und bei der Forderung nach einem Mindestlohn. Die CSU gibt zu, dass sie auf dem Holzweg war. Ich kann da darin keine inhaltliche Schwäche von uns erkennen.
 
Beunruhigt es Sie, dass die Freien Wähler laut den neuesten Umfragen mit großer Mehrheit lieber mit der CSU regieren würden?
 
Ude: Das war bei den Umfragen tatsächlich das einzige, was mich betroffen gemacht hat. Denn auch wenn wir eine Fehlerquote von acht Prozent einkalkulieren, dann ist die Zahl trotzdem noch groß. Das gibt zu denken. Aber es ist leicht erklärbar, weil die FW in ihrer Entstehungsgeschichte ja eine Abspaltung oder Emanzipation von der CSU hinter sich haben, also durchaus dem strukturell konservativen Milieu zuzurechnen sind. Aber wir wissen, dass die Repräsentanten, die Bürgermeister und Landräte, durchaus ihre schmerzhaften Erinnerungen mit der CSU-Herrschaft in Bayern haben. Dass sie verhöhnt und verspottet worden sind. Wir werden nun die kommenden acht Monate nutzen müssen, um mit den FW in einen ganz aktiven Dialog zu treten. Es gibt Gründe, weshalb sie sich abgespalten haben. Da liegt aber ein richtiges Stück Arbeit vor uns.
 
Ist Ihnen FW-Chef Hubert Aiwanger zu wankelmütig?
 
Ude: Den Wankelmut in der Koalitionsfrage kann ich sehr gut verstehen, weil er sich nicht jeden Handlungsspielraum nach dem Wahlabend vergeben will. Ich hoffe nur, dass er wirklich offen ist und nach inhaltlichen Kriterien entscheidet. Dann bin ich sicher, dass er lieber mit einem Dreierbündnis Landesgeschichte schreibt, statt als dritter kleiner Koalitionspartner der CSU endgültig unter zu gehen.
 
Haben Sie mit Würzburgs OB Rosenthal schon über die Zukunft in Ihrem Schattenkabinett gesprochen?
 
Ude: Ich werde mit ihm sicher über sein Engagement reden, weil ich daran interessiert bin, dass namhafte Persönlichkeiten alle mit am Strang ziehen. Aber es gibt kein Schattenkabinett. Ich habe nur Arbeit zu vergeben, keine Posten. Dass ich ihn für ein politisches Talent halte und für eine Persönlichkeit mit großer Ausstrahlungskraft, das weiß er.
 
Sind Sie verwundert, dass Seehofers Rundumschlag gegen eigene Leute offenbar keinen Effekt in den Umfragen hatte?
 
Ude: Das hat eine Langzeitwirkung, diese Zitate stehen im Raum und niemand weiß, wie man sie hinaus tragen kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Regierungschef seinem wichtigsten Minister charakterliche Mängel und Schmutzeleien nachgesagt hat. Dieses Zitat bleibt wie in Stein gehauen und man wird sich noch oft daran reiben.
 
Wie halten Sie sich fit?
 
Ude: Ich bin seit langem in mehreren Führungsfunktionen gleichzeitig tätig, ich habe immer eine 60-Stunden-Wochen gehabt und nicht die Zeit, täglich zu joggen oder anderem Sport nachzugehen. Ich habe nur zwei sportliche Betätigungen: Schwimmen, begrenzt auf die Ferien, und Radfahren am Wochenende.
 
Sie sind als von Natur aus mit einer gesunden Konstitution gesegnet?
 
Ude: Ich hoffe, dass es so bleibt. Die Arbeit macht mir Spaß, das ist eine enorme Motivation.
 
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