
100 Jahre Segelflug auf der Wasserkuppe, dieser runde Geburtstag wurde 2011 gefeiert. Heuer steht auf dem höchsten Berg der Rhön erneut ein Jubiläum an: 25 Jahre Deutsches Segelflugmuseum Wasserkuppe. Mit dem weltweit größten Museum dieser Art – seit 2006 hat es auch eine eigene Abteilung für Modellflug – ist der Name eines Würzburgers eng verknüpft: Theo Rack. Der ehemalige Maschinenbauingenieur hat das Museum 1987 aus der Taufe gehoben und leitet es bis heute.
„60 Flugzeuge, 200 Modellflugzeuge, 2500 Modellmotoren, keine Leihgaben, keine Schulden – darauf sind wir stolz“, sagt Theo Rack, der kürzlich 90 Jahre alt geworden ist. Zweimal pro Woche fährt der Vorstandsvorsitzende der gemeinnützigen Stiftung Deutsches Segelflugmuseum mit Modellflug von Würzburg hinauf zur Wasserkuppe – am Steuer seines eigenen Autos. Ein Raum rechts neben dem Hintereingang des Museums ist sein Refugium, von hier aus zieht er die Fäden mit einer ihm eigenen Mischung aus schlitzohrigem Charme und Hartnäckigkeit.
Alte Schätze und neue Exponate
Als neueste Exponate sind gerade eingetroffen: ein massiv-silberner Pokal, den 1933 Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg für eine Bestleistung im Segelflug gestiftet hat. Oder ein Original-Fliegerhelm aus dem Ersten Weltkrieg. Aus einer Pappschachtel lugt ein blaues Kleid. „Das hat Hanna Reitsch getragen, eine zierliche Person, nicht wahr“, sagt Rack, während er das uniformähnliche Kleidungsstück der berühmten Fliegerin hochhält.
Viele Tausend Euro sind ihm schon geboten worden für Schätze wie eine Originalzeichnung von Otto Lilienthal oder die erste Auflage des Lilienthal-Buches „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ aus dem Jahr 1889. Gleich nebenan im Museum bekommen Flugschüler Theorieunterricht anhand des von Lilienthal entwickelten Polardiagramms. „So können sie sehen, wie sich Auftrieb und Widerstand mit dem Anstellwinkel verändern“, sagt Rack, selbst passionierter Flieger und ehemaliger Vizepräsident des Deutschen Aero Clubs. Bei dieser Gelegenheit kommt Rack auf die beiden wichtigsten Ziele des Segelflugmuseums zu sprechen: „Wir wollen Pionieren ein ehrendes Andenken geben und der Jugend eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung aufzeigen.“
In der Tat ist das Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe inzwischen so etwas wie das kollektive Gedächtnis der Flieger. Auf 4000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden Meilensteine der Luftfahrt gezeigt: angefangen von originalgetreuen Nachbauten der drei wichtigsten Flugapparate Lilienthals, dem „Derwitzer Gleiter“ von 1891, dem „Normalsegelapparat“ von 1894 und dem „Standard-Doppeldecker“ von 1895 bis hin zu modernen Kunststoff-Hochleistungssegelflugzeugen. Unterm Leimbinder-Kuppeldach des Museums steht auch ein Nachbau der berühmten „RRG-Ente“. Damit wurde am 11. Juni 1928 auf der Wasserkuppe der erste bemannte Raketenflug durchgeführt. Das mit zwei Feststoffraketen ausgerüstete Flugzeug flog etwa 1,5 Kilometer weit.
Eine Million Besucher in 25 Jahren
Die „Galerie der Pioniere“ wirft ein Licht auf die Leistungen von Menschen, die sich nicht damit abfinden wollten, als Fußgänger der Erde verhaftet zu sein. Einigen der Flugpioniere wird demnächst Leben eingehaucht. „Wir haben Tonaufzeichnungen gefunden, die werden gerade auf Audio-Guide eingespielt“, sagt Rack. Das Museum bietet auch Stoff für Doktorarbeiten. Ein ehemaliger Airbus-Kapitän aus den USA befasse sich zur Zeit ausführlich mit Archivmaterial, um über „Die Beeinflussung der japanischen Luftfahrt durch den deutschen Segelflug“ zu schreiben, berichtet Rack. Ein anderer „Doktor in Spe“ arbeite über die Einwirkung des Nationalsozialismus auf den Luftsport. „Es freut mich unheimlich, dass wir so anerkannt sind“, sagt Rack. Rund eine Million Besucher in 25 Jahren geben ihm recht.
Racks besonderer Stolz ist die vollständige Sammlung von Konstruktionszeichnungen sämtlicher ausgestellter Modelle, ein großer Teil Originale. Sie lagern in einem mit massiver Feuerschutztür gesicherten und für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Kellerraum des Museums. Nebenan ist die Museumswerkstatt, wo alte Schätze aufgemöbelt oder Nachbauten angefertigt werden.
Viele Helfer tragen dazu bei, dass das komplett ehrenamtlich geführte Museum, wie Theo Rack versichert, „für den laufenden Betrieb völlig ohne öffentliche Gelder“ auskommt. Der Würzburger ist ein begnadeter Netzwerker und Strippenzieher, rutschfest auch auf politischem Parkett, und er versteht es, andere zu motivieren. „Mein Wahlspruch ist: Was brauchbar ist, muss man mitnehmen, aber es darf nichts kosten.“
Wer wird Theo Racks Nachfolger?
Schon so manchen betagten Flieger hat er zum Stiften angestiftet, das ist ein weiterer Grund, warum das Museum, das 2006 um mehr als das Doppelte vergrößert wurde, keine Schulden drücken.
Natürlich steht angesichts des hohen Alters von Theo Rack die Nachfolgefrage im Raum. Wer künftig die Geschicke des Segelflugmuseums und die Leitung der Stiftung übernimmt? Rack nennt zwei Namen, darunter den eines weiteren Vorstandsmitglieds. Näheres wird man wohl beim Festakt zum 25-jährigen Bestehen des Museums am Mittwoch, 29. August, auf der Wasserkuppe erfahren.