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RHÖN
Bürger entscheiden über schiefen Turm
Steffen Standke
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:19 Uhr

Er wäre nicht zu übersehen, mit 70 Metern Höhe und einer Neigung von 23,5 Prozent: der schiefe Turm auf der Hohen Geba an der bayerisch-thüringischen Landesgrenze. Doch zunächst müssen am kommenden Sonntag 108 000 Abstimmungsberechtigte im Landkreis Schmalkalden-Meiningen entscheiden, ob das ambitionierte Projekt auf dem 751 Meter hohen, markanten Tafelberg in der Nähe der Ortschaft Rhönblick verwirklicht werden soll. Bislang wirken sowohl die Gegner als auch die Befürworter des 14 Millionen Euro teuren Projektes siegessicher.

Offene Bürgertreffs, Infoblätter an die Haushalte, Leserbriefe, eine eigene Homepage – Jörn Herklotz und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative Zukunft Hohe Geba haben einiges versucht, um ihre Argumente öffentlich zu machen. Die lauten in Kurzform: ein naturverträgliches Kultur- und Informationszentrum mit regionalem Schwerpunkt ja, ein flächenfressender hoher Turm nein! Gleichwohl: Die Möglichkeiten der Bürgerinitiative waren begrenzt, gibt der Gebaer Herklotz zu. Große, flächendeckende Infoveranstaltungen mit Tourismus-, Naturschutz- und anderen -experten seien kaum möglich gewesen. Auch Austräger für die Infoblätter ließen sich schwer finden.

Da hätten es „die anderen“ leichter, sagt Herklotz und meint damit vor allem die Interessengruppe (IG) Rhön//Blick. Ihr gehören 42 Bürgermeister aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen und dem Wartburgkreis, aber auch Vereine, Verbände und Einzelpersonen an. Das große Ziel der IG Rhön//Blick ist – laut eigener Homepage – das Erlebniszentrum auf der Hohen Geba mit schiefem Turm zum touristischen Ankerpunkt der Thüringer Rhön werden zu lassen und die Verbindung zwischen hessischer Wasserkuppe und bayerischem Kreuzberg herzustellen. Das Impulsprojekt soll Besucher locken und so den abseits der Touri-Ströme liegenden Teil der Rhön beleben.

14 Millionen Euro müssten für die Gestaltung des gesamten Bergareals investiert werden – wobei 90 Prozent Land und Bund zahlen würden.

Laut Christoph Friedrich, Sprecher der IG Rhön//Blick fanden zuletzt in der Region flächendeckend Veranstaltungen statt, „mit Informationsteams und Präsentationen“. Man habe mit den Besuchern diskutiert, Fragen beantwortet. „Minimal 20 bis 30 Gäste“ seien anwesend gewesen; der Spitzenbesuch habe bei 80 bis 90 Menschen gelegen. „Wobei das Interesse mit der Entfernung zum Ort des Projektes abnahm.“

Alles eine Nummer größer also als bei der Initiative Zukunft Hohe Geba. Projektgegner Jörn Herklotz wähnt trotzdem die Meinung der Landkreisbewohner auf seiner Seite. Bei einer Umfrage des ZDF in Meiningen hätten sich vier Fünftel gegen den schiefen Turm ausgesprochen. So habe es ihm der Sender mitgeteilt. Überhaupt, so Herklotz, hätten die bundesweiten Medien das Thema für sich entdeckt. Neben dem ZDF berichteten auch „Spiegel online“ und die „FAZ“ über das Projekt. In den regionalen Medien hätte sich Herklotz indes mehr Präsenz der Argumente seiner Initiative gewünscht.

Zuversichtlich wirkt jedoch auch Projektbefürworter Christoph Friedrich. Weil es gelungen sei, Kritiker zu überzeugen: „Als bei unseren Abenden informiert wurde, dass es sich nicht nur um einen schiefen Turm, sondern um ein Besucher- und Erlebniszentrum mit einzigartigem Bildungsangebot handelt, standen die Leute recht geschlossen hinter uns.“ Auch der Hauptkritikpunkt der Naturzerstörung habe zerstreut werden können, so Friedrich. Große Teile der Geba seien ehemals sowjetisches Militärgebiet. Das Biosphärenreservat habe die Fläche aus seinem Konzept genommen. Das Besuchs- und Erlebniszentrum mit 2200 Quadratmetern Fläche wird nach Friedrichs Worten komplett unterirdisch geplant. Lediglich der Turm „ragt elf auf 15 Meter aus dem Erdreich heraus“.

Die IG Rhön//Blick stützt sich auch auf eine jüngst veröffentlichte Potenzialanalyse, die die IHK Südthüringen, das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen und der Regionalverbund Thüringer Wald beauftragt haben. Die BTE Tourismus- und Regionalberatung bescheinigt der Attraktion darin „hohe Anziehungskraft“. Nach einem vorsichtigen Szenario könnten bis zu 85 000 Besucher pro Jahr das Ausflugsziel besuchen, positiv gedacht sogar 150 000 Besucher. 25 bis 50 Arbeitsplätze würden entstehen. Die regionalen touristischen Umsätze könnten sich um bis zu vier Millionen Euro erhöhen.

Das Beratungsbüro weist aber auch auf Schwächen hin: Die Kosten für den laufenden Betrieb seien zu niedrig veranschlagt. Mit 150 000 Besuchern erreiche das Objekt die Gewinnzone – was erreichbar sei. Jörn Herklotz hält die Studie für „widersprüchlich“. Auch im Vergleich zu einer früheren Arbeit der Fachhochschule Schmalkalden. Besonders die Besucherzahlen und die Finanzierbarkeit zweifelt er an.

Welche Gruppe sich durchsetzen wird, ist am Sonntag ab 21 Uhr auf der Internetseite des Landkreises zu sehen: www.lra-sm.de

 
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