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WÜRZBURG/KARLSRUHE
BGH prüft Urteil gegen dealenden LKA-Spitzel
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:15 Uhr

Viele dunkle Punkte aus seiner Vergangenheit hat Mario F. im Knast hinter sich gelassen: Er ist Ex-Dealer, Ex-Rocker (bei dem berüchtigten Motorradklub „Bandidos“ in Regensburg) und Ex-Spitzel des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Ist er bald Ex-Häftling und kommt ins Zeugenschutz-Programm, wie er hofft?

Ein Jahr nach dem Urteil gegen F. liegt der Fall dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Prüfung vor. Oft entscheiden die obersten Richter in Karlsruhe ohne großes Brimborium für oder gegen eine erneute Behandlung des Falles. Doch Mario F. tun sie die Ehre an, sich am 21. Oktober sogar in mündlicher Verhandlung eigens mit dem Urteil zu befassen. Der Generalbundesanwalt ist teilweise dem Revisionsantrag des Würzburger Oberstaatsanwalts Thomas Trapp beigetreten.

Vor etwa einem Jahr war Drogendealer Mario F. – der seiner eigenen Tochter in Kitzingen das Rauschgift Crystal verkauft hatte – zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Das bayerische Landeskriminalamt, das F. als sogenannten V-Mann führte, spielte im Verfahren eine fragwürdige Rolle. Es klebte den „Geheim“-Stempel über seine Arbeit mit dem Spitzel und hinderte so das Gericht um den Vorsitzenden Volker Zimmermann an einer umfassenden Bewertung und Aufklärung des Falles.

Das LKA gab dem Landgericht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit Auskunft – und ließ sich selbst kaum in die Karten blicken. Zeugen logen, ein Laptop verschwand. Und der Angeklagte – ein krimineller Paradiesvogel wie aus dem Bilderbuch und deshalb wie geschaffen als Spitzel – strickte an der Legende, ihm sei Straffreiheit für die Beteiligung an Verbrechen versprochen worden, wenn es ihm nur gelänge, die „Bandidos“ zu infiltrieren, zu denen in Regensburg mindestens ein namhafter Neonazi gehörte.

„Wir glauben dem Angeklagten nicht alles, was er gesagt hat“, betonte der Vorsitzende Volker Zimmermann im Urteil. „Aber für uns war es unbefriedigend, feststellen zu müssen, dass man wesentliche Punkte nicht aufklären konnte.“

Auch wenn das LKA das vehement leugnet: Es blieb der Eindruck, man habe gelegentlich eindreiviertel Augen zugedrückt, wenn der großspurig auftretende Spitzel sich am Abtransport geklauter Bagger beteiligte, von einem Freund des Neonazis Waffen angeboten bekam oder vom spurlosen Verschwinden eines Anwalts aus der kriminellen Szene berichtete. Und immer, wenn ihn ahnungslose Polizisten bei Straftaten erwischten, erklärter er flugs: „Ich bin V-Mann beim LKA.“ Immer wieder kam er vergleichsweise ungeschoren davon.

Als Drogengeschäfte des Spitzels nicht mehr zu verheimlichen waren, weil Würzburger Fahnder unabhängig ermittelten, ließ das LKA den Spitzel fallen wie eine heiße Kartoffel. Würzburger Drogenfahnder zeigten sich vor Gericht überzeugt, dass ein Führungsoffizier F. sogar vor Ermittlungen gewarnt hatte.

Seitdem schwebte der Hauch der Mauschelei über dem Verfahren. „Im Zweifel für den Angeklagten“, entschied das Gericht, stellte einen Teil der Vorwürfe ein und blieb deutlich unter den 16 Jahren, die Oberstaatsanwalt Trapp gefordert hatte. Der hatte die Glaubwürdigkeit des Angeklagten heftig in Zweifel gezogen und betont: „Jeder Tag, an dem Mario F. in Haft ist, ist ein guter Tag für die Sicherheit der Bürger.“

Verteidiger Norman Jacob konterte mit der Forderung nach Einstellung des Verfahrens oder Freispruch. Der Staat verliere seinen Anspruch zu strafen, wenn die Polizeibehörde in eigener Selbstherrlichkeit entschieden habe, was sie dem Gericht vorlegte und was nicht.

Der BGH könnte das Urteil bestätigen oder den Fall zur erneuten Verhandlung zurückverweisen. Er könnte aber auch deutliche Worte über den Umgang mit V-Leuten verlieren.

 
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