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WASHINGTON/WÜRZBURG
Betrüger Kiener in den USA angeklagt
Der in Würzburg verurteilte Millionenbetrüger Helmut Kiener muss rund eineinhalb Jahre nach seinem Prozess hier nun auch in den USA juristische Konsequenzen befürchten.
Von unserem Redaktionsmitglied Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:22 Uhr
Monatelang hatten sich US-Justizministerium und FBI zu Anfragen dieser Zeitung bedeckt gehalten, was bei deren Ermittlungen herausgekommen sei. Nun teilte das Justizministerium in Washington mit: Die Staatsanwaltschaft in Philadelphia habe den 53-Jährigen wegen Geldwäsche und Bankbetrugs angeklagt.

Der frühere Finanzmanager und Anlageberater der K1 Fonds erhielt bei seiner Verurteilung im Juli 2011 vom Landgericht Würzburg eine der höchsten Haftstrafen, die je über Betrüger solcher Schneeballsysteme in Deutschland verhängt worden waren: zehn Jahre und acht Monate Haft. Er war für schuldig befunden worden, mit manipulierten Fonds fast 5000 Kleinanleger und Banken um rund 300 Millionen Euro geprellt zu haben.

Kiener und sein Komplize John Tausche, ein US-Bürger, sollen laut der amerikanischen Anklagebehörde damals auch US-Finanzunternehmen getäuscht haben. In der Mitteilung des Justizministeriums werden Barclays Bank, Bear Stearns and BNP Paribas genannt. Bei einem Schuldspruch in den USA drohe Kiener eine Höchststrafe von 200 Jahren Haft, fast acht Millionen Dollar (rund sechs Millionen Euro) Bußgeld und Schadensersatzansprüche.

Die Fall Kiener gilt als einer der größten Fälle von Anlagebetrug in Deutschland. Das Gericht in Würzburg sah es als erwiesen an, dass Kiener bis zum Jahr 2009 mit manipulierten Fonds fast 5000 Kleinanleger und Banken um rund 300 Millionen Euro geprellt hat. Mit einem Teil des Geldes finanzierte der heute 51-Jährige seinen luxuriösen Lebensstil, ein Teil versickerte als Provision bei Fondsvermittlern und Banken. Auch habe die Verwaltung der vermeintlich gewinnträchtigen Fonds hohe Summen verschlungen, stellte der Vorsitzende der 5. Strafkammer, Volker Zimmermann, in seiner Urteilsbegründung fest. Kiener hatte im Laufe des rund fünfmonatigen Prozesses ein Geständnis abgelegt, aber bestritten, dass er es von Anfang an auf Betrug abgesehen habe.

Das Betrugssystem basierte nach Einschätzung des Gerichts darauf, dass Kiener jahrelang zunächst seinem Fondsverwalter hohe Gewinne vorgaukelte - und dann über monatlich versandte falsche Ergebnismitteilungen schließlich auch den Anlegern Sand in die Augen streuen ließ. Ähnlich sei er mit dem der britischen Barclays Capital Bank und der französischen BNP Paribas verfahren, für die er millionenschwere Fonds auflegte.

"Dabei war auch Herrn Kiener klar, dass die Gewinnchancen gleich Null waren, weil das Ganze gar nicht auf eine Wertschöpfung angelegt war", betonte damals der Kammervorsitzende Volker Zimmermann. "Das System konnte nur so lange funktionieren, wie neue Anlegergelder flossen."

Ausdrücklich widersprach der Kammervorsitzende Kieners Darstellung, seine Fonds seien im Wesentlichen wegen der Finanzkrise im Jahr 2009 zusammengebrochen. "Die Finanzkrise hat den Zusammenbruch des Systems nicht ausgelöst, allenfalls beschleunigt", sagte Zimmermann. Begünstigt worden sei das System auch von Banken, die Kiener anscheinend grenzenlos vertraut hätten: "Hier haben offenbar die Kontrollen nicht optimal funktioniert."

Gewinne nur auf dem Papier


Noch beim Urteil zeigte Kiener seltsame Verhaltensweisen. Als er vor dem Urteil das Buch "Gauner muss man Gauner nennen" von Uli Wickert mit persönlicher Widmung bekam, hielt er es noch lächelnd in die Kameras. Doch als der Richter das Strafmaß verkündete, schien er geschockt, spreizte zwei Finger zum V und erklärte: "Ich muss jetzt büßen, um von der Hölle zurück ins Fegefeuer zu kommen."

Er, der im selben Golfclub Charity Eagles wie Schauspieler Elmar Wepper und Rosi Mittermeier gespielt hatte, der im Firmenjet Oliver Kahn zum Golfen nach Portugal mitnahm, der 2008 noch beim Papst zur Audienz war, schien plötzlich ganz unten gelandet: Nun musste er mit verurteilten Mördern und Drogenhändlern seine Freizeit teilen.

Sein Komplize Dieter Frerichs hatte sich auf Mallorca erschossen, als die Polizei ihn verhaften wollte. Mehrere weitere Komplizen des in Aschaffenburg residierenden Betrügers erhielten ebenfalls lange Haftstrafen, der Prozess gegen einen Finanzspezialisten ist in Würzburg derzeit noch im Gange.

Kiener gab in seinem Geständnis in Würzburg den ebenfalls betrogenen Banken Barclays und BNP Paribas eine Mitschuld. Die britische Barclays Bank hatte allein 171 Millionen Euro mit den Geschäften mit Kiener verloren, der mit hohen Renditen gelockt hatte. Sie habe ihn zusätzlich unter Druck gesetzt, indem sie eigene Fonds aufgelegt habe, die wiederum in seine Hedgefonds investierten.Kiener pflegte einen luxuriösen Lebensstil in Florida mit Villa im zweistelligen Millionenwert, zwei Flugzeugen und Hubschrauber.

Im Januar hatte ein Bündnis großer Kanzleien - die Protect Invest Alliance (PIA) - als Ergebnis des Kiener-Verfahrens mehr als 100 Schadensersatzklagen gegen die Barclays Bank PLC London bei den Landgerichten in Frankfurt und München eingereicht. Das ging aus einer Mitteilung des Kanzleibündnisses hervor. „Nach unserer Überzeugung hätte ohne Barclays das System Kiener nicht so lange funktioniert“, begründen die Kapitalmarktrechtler Andreas Tilp und Klaus Nieding die Klage gegen Barclays.

Barclays hatte so genannte „X1 Zertifikate“ auf von Helmut Kiener verwaltete Portfolien wie den Hedgefonds K1/Kiener herausgegeben. „Das Gesamtemissionsvolumen seitens Barclays in Zertifikaten mit Kiener-Bezug schätzen wir auf mindestens 250 Millionen Euro“, meint Rechtsanwalt Nieding.

Zeitgleich hat das Kanzleibündis nach eigenen Angaben Anträge auf Einleitung eines so genannten Musterverfahrens nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) gestellt. Danach kann das Gericht einen Musterkläger einsetzen, dessen Verfahren stellvertretend für alle anderen Fälle verhandelt wird - die deutsche Form der sogenannten Sammelklage. Insgesamt vertrete PIA im Fall des Hedgefonds K1/Kiener mehr als 1.000 Geschädigte.

Schadensvolumen: rund 100 Millionen Euro


Das Kanzleibündnis schätzt das Schadensvolumen auf rund 100 Millionen Euro. Neben den eingereichten Klagen habe PIA für weitere über zweihundert Mandanten Güteanträge bei der Gütestelle in Reutlingen gestellt, heißt es weiter in der Mitteilung. „Um den Druck auf Barclays zu erhöhen, haben wir zugleich einen zweiten Klagestrang eröffnet. Hier geht es um die K1 Genussrechte“, sagt Rechtsanwalt Tilp.

Zuletzt hatte der Fall wegen einer Spende Kieners an die Pfarrei Maria Geburt in Aschaffenburg für Aufsehen gesorgt. Insolvenzverwalter Tiobias Hoefer aus Mannheim fordert 300.000 Euro zurück, die Kiener der Kirche gespendet hatte. Wie berichtet, ist im Mai vorigen Jahres das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Helmut Kiener eröffnet worden. Um die Ansprüche aller Gläubiger in Europa zu bündeln, leitete das Aschaffenburger Insolvenzgericht ein sogenanntes EU-Hauptinsolvenzverfahren ein .
 
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