Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch deutschen Firmenerben die Weihnachtsstimmung gründlich vermiest: Ihre Steuerprivilegien verstoßen in ihrer derzeitigen Form gegen das Grundgesetz. Während das Finanzamt bei Privatleuten oberhalb eines Freibetrages je nach Verwandtschaftsgrad mit Steuersätzen von bis 50 Prozent zulangt, können Firmenerben von den Steuern ganz oder teilweise befreit werden. Besondere Vorteile gelten für Firmen mit bis zu 20 Angestellten.
Die Verfassungshüter in Karlsruhe billigen der Politik zwar prinzipiell zu, Unternehmer zu begünstigen, wenn dies dem Erhalt des Betriebs und der Arbeitsplätze dient. Die Richter beklagen jedoch, dass auch Großbetriebe ohne Prüfung ihrer Bedürftigkeit von den Ausnahmen profitieren. Sie monieren, dass der Gesetzgeber bei der Reform 2008 die Ungleichbehandlung viel zu weit getrieben habe und verlangen bis Mitte 2016 eine Korrektur.
Doch einfach wird eine Neuregelung nicht, der sowohl der Bundestag als auch Bundesrat zustimmen. Im Parlament gibt es derzeit mit SPD, Grünen und Linken zumindest theoretisch eine Mehrheit für eine drastische Verschärfung dieser Steuer. Alle drei Parteien versprachen im Wahlkampf eine Verdoppelung der Einnahmen.
Die Sozialdemokraten haben im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU eine aufkommensneutrale Lösung vereinbart. Doch in den Länderparlamenten hat die Große Koalition keine eigene Mehrheit. Kommt es nicht zu einer Einigung, droht der Wirtschaft die Steuerkeule. Denn in diesem Fall wäre die Erbschaftsteuer auch für Firmenerben ohne jegliche Verschonungsregel anzuwenden.
Wen trifft dieses Urteil? „Ein typischer Handwerksbetrieb in Unterfranken wird in personaler Verantwortung geführt und hat rund fünf Mitarbeiter“, macht Daniel Röper, Pressesprecher der Handwerkskammer, klar. Demnächst würden in Unterfranken 5000 bis 6000 Handwerksbetriebe an die kommende Generation übergeben. Dieser Bestand müsse erhalten bleiben, „sonst kann es schnell zu Versorgungsengpässen bei handwerklichen Produkten und Dienstleistungen kommen“.
Der SPD-Finanzexperte Volkmar Halbleib aus dem unterfränkischen Ochsenfurt wirbt für eine Lösung mit Augenmaß: „Natürlich wollen wir, dass für Familienunternehmen sowie kleine und mittlere Betriebe der Generationen-Übergang und der Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen nicht durch zu große Besteuerung erschwert wird.“ Zugleich widerspricht Halbleib Überlegungen in der CSU, die Erbschaftssteuersätze regional unterschiedlich zu gestalten. „Bayern kann auf die Einnahmen in Höhe von über einer Milliarde Euro pro Jahr nicht verzichten.“
Dagegen warnte der aus Gemünden stammende Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach: Die Neuregelung dürfe „nicht zum Tummelplatz für Steuererhöher und Bürokratiefreaks werden“. Bayerns FDP-Chef Albert Duin sprach sich dafür aus, die Erbschaftssteuer komplett abzuschaffen. „Eine Abschaffung steht ebenso wenig auf der Agenda, wie die Regionalisierung“, sagt dagegen Thomas Mütze, Landtagsabgeordneter der Grünen. „Die Bundesregierung muss neue Vorschläge auf den Tisch legen.“
Eine „mittelstandsfreundliche Regelung“, deren „praktische Ausgestaltung nicht zu kompliziert ist“, erhofft sich Klaus Mapara, Geschäftsführer des Robert Krick Verlages aus Eibelstadt und Vorsitzender des Steuer- und Finanzausschusses der IHK Würzburg-Schweinfurt.
Sascha Genders, IHK-Bereichsleiter und Experte für Unternehmensnachfolge, formuliert die Bedeutung des Themas: „Knapp ein Viertel der Übergeber und Übernehmer berichten im DIHK-Nachfolgereport, dass sie eine Belastung durch die Erbschaftssteuer als Gefährdung für eine Betriebsübergabe ansehen. Bei rund 24 Betriebsübergaben pro Arbeitstag in Bayern zeigt das die Bedeutung der Thematik für unsere Wirtschaft.“