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„Bedenken in der Bevölkerung“
Rainer Wendt
Foto: Karlheinz Schindler, dpa | Rainer Wendt
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:10 Uhr

Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt hält die Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen den Terror für wichtig. Er fordert aber auch, dass der Staat die Beamten „endlich von völlig überflüssigen Aufgaben befreit“. Wendt ist Polizeihauptkommissar. Seit 1973 arbeitet der gebürtige Duisburger im Polizeidienst, seit 2007 ist er Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Frage: Herr Wendt, warum sind Sie für die Vorratsdatenspeicherung?

Rainer Wendt: Es gibt mit den NSU-Morden und dem Terror von Paris zwei traurige Ereignisse, die Paradebeispiele dafür sind, dass wir die Vorratsdatenspeicherung brauchen.

In Frankreich werden die Daten aber doch gespeichert und die Attentate wurden trotzdem nicht verhindert.

Wendt: Dafür ist die Vorratsdatenspeicherung auch das falsche Instrument. Sie dient dazu, solche Fälle aufzuklären und die nächsten Taten zu verhindern, indem man die Netzwerke aufdeckt, die dahinterstehen. Die Franzosen haben jetzt schon 50 Leute festgenommen. Wir würden in eine gähnende Leere schauen.

Kritiker sagen, mit der massenhaften Speicherung unserer Daten können sich die Terroristen als Sieger fühlen, weil wir ein Stück Freiheit aufgeben?

Wendt: Die Reaktion von Terroristen kann aber kein Maßstab für uns sein. Außerdem schützen wir auch ein Freiheitsrecht, nämlich das Recht, kein Opfer schwerer Kriminalität zu werden.

Es gab ja schon einmal die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland.

Wendt: Ja, aber damals wurden die Hürden viel zu niedrig gesetzt.

Welche Hürden müssten aufgestellt werden?

Wendt: Es ist natürlich kompletter Unsinn, wenn man auf solche sensiblen Daten zugreift, nur um aufzuklären, ob jemand im Internet illegal ein Lied runtergeladen hat. Die Hürden müssen – was den Straftatbestand angeht – deshalb sehr hoch sein.

Für welche Taten wäre es gerechtfertigt, die Daten zu nutzen?

Wendt: Nur für schwerste Straftaten, für Terrorismus, organisierte Kriminalität oder schwere Sexualverbrechen.

Und wer hat das letzte Wort?

Wendt: Wir wollen nicht mehr, dass jeder Amtsrichter über den Zugriff auf Vorratsdaten entscheiden kann. Stattdessen müssen das besonders qualifizierte Richter oder sogar ein Richtergremium tun.

CSU-Politiker fordern die Vorratsdatenspeicherung auch, um Einbrecherbanden auf die Spur zu kommen. Ist das angemessen?

Wendt: Bei einem Einbrecher von nebenan, der eine Videoanlage klaut, um sich damit den nächsten Schuss zu finanzieren, wäre es grober Unfug. Wenn die Richter aber zur Auffassung kommen, dass es um schwere, organisierte Kriminalität geht, ist das angemessen. Außerdem dürfen die Vorratsdaten nur dann als letztes Instrument genutzt werden, wenn es keinen anderen Ermittlungsansatz und keine andere Spur mehr gibt.

Das könnte aber ein ziemlich kompliziertes Gesetz werden...

Wendt: Das kann man auch nicht in einem Gesetz festschreiben. Das müssen die Ermittler im Einzelfall gegenüber den Richtern begründen. Und man muss den Bürgern auch klarmachen, dass keiner leichtfertig auf ihre Daten zugreift.

Einige EU-Länder wenden die Vorratsdatenspeicherung schon an. Es gibt aber keine belastbaren Zahlen, dass die Aufklärungsquote dort spürbar gestiegen ist. Spricht das nicht dagegen?

Wendt: Das mag ja so sein. Aber ich halte das für ein zynisches Argument. Denn es geht hier um die Opfer. Nehmen Sie die Opfer von Kinderpornografie: Denen kann man doch nicht sagen, dass sie statistisch keine relevante Größe sind und wir deshalb nicht alle Möglichkeiten nutzen, um ihre Fälle aufzuklären.

Und wo sollen die ganzen Daten gespeichert werden?

Wendt: Es gibt Bedenken in der Bevölkerung. Das ist verständlich. Und man kann die Vorratsdatenspeicherung schnell diskreditieren, wenn der Zugriff zu leicht ist. Deshalb müssten die Informationen bei einer Behörde gelagert werden, die dafür da ist, unsere Daten zu schützen: beim Bundesdatenschutzbeauftragten.

Haben die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff und ihr Vorgänger Peter Schaar das abgelehnt?

Wendt: Die haben einfach keine Lust. Die wollen lieber nörgelnd am Rand stehen, als Verantwortung zu übernehmen. Dabei hätte die Behörde dann endlich auch einen vernünftigen Sinn und da wären nicht nur so Nörgler, die permanent ihren Senf irgendwo dazugeben.

Wäre es nicht noch wichtiger, die Prioritäten für Polizeieinsätze zu überdenken und mehr Kräfte in der Terrorbekämpfung einzusetzen?

Wendt: Wir könnten sofort tausende Planstellen für vernünftige Ermittlungsarbeit zur Verfügung stellen. Der Staat müsste uns nur endlich von völlig überflüssigen Aufgaben befreien.

Was sind das für Aufgaben?

Wendt: Ich sage Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie in Berlin an einer roten Ampel geblitzt werden, bekommen Sie einen Bußgeldbescheid. Wenn Sie dann sagen, Sie seien gar nicht gefahren, dann schickt der Staat Polizisten mit dem Foto los. Die klingeln dann bei Ihnen oder fragen bei den Nachbarn. Im Durchschnitt muss man eine Streife dafür zwei- bis viermal losschicken. Solche Sachen binden in Berlin die Jahresarbeitsleistung von drei Hundertschaften. Bundesweit gibt es schätzungsweise 2000 Polizisten, die statistisch betrachtet nur diesen Quatsch machen. Ich hätte noch ein Beispiel ...

Nur zu ...

Wendt: Jetzt werden ja überall Windräder gebaut. Die Lastwagen, die mit den Flügeln über unsere Autobahnen fahren, werden ständig von Polizisten begleitet. Da gibt es ganze Schichten, die nichts anderes tun. Dabei gäbe es hoch qualifizierte Firmen, denen man solche Aufgaben übertragen könnte. Darüber reden wir Anfang Februar mit Justizminister Heiko Maas, der das jetzt endlich auf den Weg bringen muss.

 
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  • mausschanze
    Viele Menschen veröffentlichen ihr Privatleben im Internet (Facebook),
    aber bei so einem Thema sind plötzlich die Wörter "Datenschutz" und "Privatsphäre"
    heilig.
    Welche anderen Methoden sind angebracht um solche Kriminellen (Pädophile, Terroristen)
    zu verfolgen? Wir leben nun mal im Computerzeitalter, da treffen sich solche Subjekte nicht irgendwo im Wald und tauschen Bildchen aus oder so - nein verdammt nochmal - die nutzen das Internet, Handys, E-Mail.
    Warum ist das so schlimm wenn meine Daten geortet werden und gespeichert sind, wenn ich nichts schlimmes zu verbergen habe?
    Schulschwänzer, Fremdgeher o.ä. sind bestimmt nicht im Interesse der Polizei.
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