zurück
WÜRZBURG
Ärztin kassierte fast 30 000 Euro zu viel
Von unserem Redaktionsmitglied Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 21.03.2014 19:32 Uhr

Über fast zwei Jahre hinweg hat eine Hausärztin aus dem Raum Würzburg die Behandlung von Patienten doppelt abgerechnet. Sie kassierte zu Unrecht 30 000 Euro. Dies brachte die 52-Jährige jetzt wegen des Vorwurfes des gewerbsmäßigen Betruges auf die Anklagebank.

Das Schöffengericht stand vor der Frage, ob die Ärztin aus Geldgier handelte – oder allzu naiv dem Abrechnungssystem vertraute. Waren es in einem Quartal zunächst nur 66 Euro, die doppelt abgerechnet wurden, steigerte sich dies im nächsten auf 503, dann auf über 5000 und im vierten Quartal 2010 auf 7124 Euro.

Die Ärztin hat dies nach eigenen Angaben bis zuletzt nicht gemerkt. Als die Kripo anrief, dachte sie zunächst, es ginge um einen Einbruch in ihrer Praxis ein paar Wochen zuvor. Doch die Polizei wollte sie als Beschuldigte unter dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs vernehmen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mache üblicherweise zwei Wochen nach Einreichen der Rechnungen auf Fehler aufmerksam. „Aber ich bekam keinen Hinweis“, sagte die Ärztin vor Gericht.

Kompliziertes Abrechnungssystem

Der Ärztin wurden die Hausarzt-Verträge zum Verhängnis, die seit 2007 Kosten im Gesundheitswesen sparen sollen. Bei diesem Wahltarif verpflichtet sich der Versicherte, im Falle einer Erkrankung zuerst den Hausarzt aufzusuchen. Der Sinn dieser – umstrittenen – Regelung war, den Ärzte-Tourismus einzudämmen. In Hausarzt-Praxen machte sie das Abrechnen zumindest unübersichtlicher. Denn teilweise wurden Behandlungspauschalen direkt über die KV mit den Kassen abgerechnet. Teilweise wurden individuell Leistungen nach dem Hausarzt-Modell zusätzlich abgerechnet – bei jeder von 15 Krankenkassen lief das etwas anders.

Um korrekt abzurechnen, vertrauen Hausärzte auf Computersysteme wie „Turbomed“, in die sie direkt beim Behandeln eingeben können, für welche Leistung sie Geld verlangen. Am Ende des Quartals machen sie die Abrechnung. Das System soll ihnen Berechnungsfehler anzeigen, die sie korrigieren, ehe sie die Abrechnung versenden und Bezahlung verlangen können.

Die Ärztin vertraute nach eigenen Angaben darauf, dass dieses System fehlerfrei arbeitete. Stattdessen wurden über zwei Jahre hinweg Leistungen in einer Gesamthöhe von 29 685 Euro doppelt abgerechnet. „Irgendwann hätte das zumindest die Kassenärztliche Vereinigung merken müssen“, zeigte sich ein interner Rechnungsprüfer der AOK im Zeugenstand überzeugt. „Aber der konnte es ja egal sein, die hatten keinen Schaden.“ Zahlen mussten ja die Krankenkassen, an die die Abrechnungen weitergereicht wurden. Das fiel schließlich einer internen Abteilung der AOK auf, die gezielt Fälle von finanziellem Fehlverhalten von Ärzten und Apotheken untersucht. Ob nicht in dieser Phase ein klärendes Gespräch den Fall hätte lösen können? Schließlich hätte die falsche Abrechnung nach Einführung des Hausarzt-Modells auch ein Versehen sein können. „Es ist vom Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehen, dass man mit dem Arzt Kontakt aufnimmt, sondern die Staatsanwaltschaft informiert“, sagte der AOK-Mann.

Doppelte Beträge zurückgezahlt

„Manche merken mit der Zeit, dass sie etwas falsch machen und hören auf“, sagte er vor Gericht „Dann ist das für uns erledigt.“ Doch nicht in diesem Fall, in dem verschiedene Positionen doppelt abgerechnet worden seien und sich die Summe immer größer wurden. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Inzwischen hat die Ärztin die doppelt erhaltenen Beträge zurückgezahlt. Ihr Verteidiger präsentierte ein Schreiben der Computerfirma, die das Programm für die Praxis-Abrechnung anbietet. Darin räumt die Firma ein, dass 2009 und 2010 der Computer den Hausärzten eine doppelte Abrechnung nicht als Fehler anzeigte. Das bestätigte ein Mitarbeiter der Firma, der das System vor Gericht präsentierte. Damit schrumpfte der Vorwurf von gewerbsmäßigem Betrug auf allzu naives Vertrauen ins System. Der Fall wurde gegen die Zahlung einer Geldbuße von 9000 Euro eingestellt. Die Ärztin gilt nicht als vorbestraft.

Ein Einzelfall ist das nicht. „Wir haben ein paar Tausend Ärzte überprüft“, sagt de AOK-Ermittler vor Gericht. Ergebnis: Von 7000 Hausärzten in Bayern wurden etwa 2500 mit doppelten Abrechnungen erwischt, mit Summen zwischen 50 Euro und 100 000 Euro. Die Würzburger Ärztin stehe auf der Rangliste „etwa auf Platz 15“. Wie hoch die Dunkelziffer ist, bleibt ungewiss. Solche Kontrollabteilungen leisten sich wegen der hohen Kosten nur große Kassen wie die AOK.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
AOK
Betrug
Computerunternehmen
Hausärzte
Polizei
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top