Die aktuelle Grippewelle ist so schlimm, dass überdurchschnittlich viele Patienten wegen schwerer und schwerster Verläufe stationär ins Würzburger Universitätsklinikum aufgenommen werden müssen. Das bestätigt auf Anfrage Professor Ulrich Vogel, Krankenhaushygieniker der Uniklinik Würzburg. Laut Vogel sind seit Anfang Januar 90 Grippepatienten aus dem nordbayerischen Raum in die Uniklinik Würzburg eingeliefert worden – darunter 60 Menschen mit Schweinegrippe.
19 der 90 Grippe-Patienten mussten nach Lungenversagen auf der Intensivstation beatmet werden. Bei sieben dieser Patienten musste zur Beatmung ein Verfahren namens ECMO eingesetzt werden, das wegen der hohen technischen Anforderungen und Komplikationsrisiken als eine letzte Therapiemöglichkeit betrachtet wird. „Es gab vier Todesfälle“, sagt Vogel. Vier Patienten, die mit Schweinegrippe eingeliefert worden seien, seien gestorben; sie hätten an schweren Grunderkrankungen gelitten.
Derzeit liegen in der Uniklinik Würzburg noch acht Grippepatienten mit Lungenproblemen auf der Intensivstation, darunter zwei, die mit ECMO beatmet werden müssen. Zahlreiche weitere Menschen sind Vogel zufolge an der Uniklinik Würzburg seit Januar wegen Grippe ambulant behandelt worden.
Die aktuelle Grippesaison macht den Ärzten der Würzburger Uniklinik deshalb so zu schaffen, weil sie sehr schwere Verläufe nicht nur bei alten und kranken Patienten sehen, sondern auch bei „jungen und immungesunden Menschen“. Dies bestätigt Professor Norbert Roewer, der stellvertretende Leiter der Uniklinik. Unter den derzeit in Würzburg behandelten Patienten seien auch Kinder, schwangere Frauen und jüngere Männer ohne bekannte Vorerkrankungen.
„Dass schwere Verläufe ausgerechnet auch bei jungen, gesunden Menschen auftreten, entspricht dem Muster des H1N1-Virus“, sagt Professor Vogel. H1N1 bezeichnet den Schweinegrippenvirus, der 2009 weltweit auftrat und auch damals in Deutschland zu schweren Erkrankungen gerade bei jüngeren Menschen ohne Vorerkrankungen geführt hat. Bei der aktuellen Grippewelle ist laut Sprecherin Susanne Glasmacher vom Robert Koch Institut (RKI) der Schweinegrippenvirus H1N1 ursächlich für 45 Prozent der Grippe-Erkrankungen; daneben treten auch die Influenza A und B auf.
Nicht nur in Nordbayern ist die Grippe auf dem Vormarsch. In ganz Deutschland ist laut dem aktuellen Influenza-Wochenbericht die „Aktivität der Atemwegserkrankungen“ stark erhöht; im Süden Deutschlands sind die Werte in der letzten Woche noch gestiegen. Glasmacher sagt, dass dem Robert-Koch-Institut derzeit pro Woche 8000 Neuerkrankungen gemeldet würden; das sei überdurchschnittlich viel etwa im Vergleich zum Vorjahr, wo pro Woche rund 1500 Neuerkrankungen registriert wurden. Auch der „Praxisindex“, der die Häufigkeit von influenzaassoziierten Arztbesuchen erfasst, ist Glasmacher zufolge so stark erhöht wie seit sieben Jahren nicht. Bundesweit sind dem Institut knapp 800 Menschen gemeldet worden, die aktuell wegen Grippe im Krankenhaus liegen.
Würzburger Ärzte halten es für sinnvoll, sich noch gegen Grippe impfen zu lassen. Der aktuelle Impfstoff decke auftretende Virenstämme – auch die Schweinegrippe – gut ab, sagt Professor Tino Schwarz, Facharzt für Infektionsepidemiologie am Juliusspital Würzburg, wo ein Grippepatient behandelt wurde. Auch Brigitte Janke, Amtsärztin am Würzburger Gesundheitsamt, rät zum Impfen.
H1N1 (Schweinegrippe)
Im Jahr 2009 wurde die Welt mit dem globalen Auftreten einer neuen Influenza-Erkrankung konfrontiert, die durch eine Virusvariante des Subtyps A H1N1 hervorgerufen wurde. Der Virus-Subtyp wurde im März 2009 bei zwei Patienten aus den USA gefunden; auch in Mexiko häuften sich Krankheitsfälle. Ende April 2009 warnte die Weltgesundheitsorganisation vor einer weltweiten Verbreitung (Pandemie), zu der es auch kam. Fälle von Infektionen mit H1N1 wurden in 214 Staaten bestätigt. Die Erkrankung durch einen Virus des Subtyps H1N1 bekam in Deutschland zwei Namen: „Schweinegrippe“ oder auch „Neue Grippe“. Die Bezeichnung „Schweinegrippe“ setzte sich durch. Der Name rührt daher, dass Vorläuferviren von H1N1 bei Schweinen auftraten. Bei der aktuell auftretenden Schweinegrippe handelt es sich um eine spezielle Form der menschlichen Grippe, nicht um eine Tierkrankheit.
Laut Forschungen in den USA muss es in den 50er und 60er Jahren einen Grippevirus gegeben haben, der dem aktuellen H1N1 ähnlich war. Dies erklärt, warum die ältere Bevölkerung zu einem Drittel Antikörper besitzt, die gegen die neue Variante wirksam sind und warum vorwiegend junge Menschen erkranken. Text: grr