
Zahlreiche Polizeikräfte sichern am Mittwoch das Würzburger Landgericht. Die Kontrollen sind verstärkt worden. Man rechnet mit einem Angeklagten, der bereits wegen eines geplanten Sprengstoffanschlages und Waffenhandel sieben Jahre hinter Gittern saß.
Neonazi Martin Wiese, dem diese Maßnahmen gelten, kommt ganz harmlos daher: Inmitten finster blickender Sonnenbrillen-Träger in Schwarz betritt der 37-Jährige nicht – wie früher – mit martialisch breiten Schultern und drohend stapfendem Schritt das Gericht. Er hält Händchen mit der neuen Freundin, schickt ihr von der Anklagebank aus immer wieder verliebte Blicke und Küsse in den Zuschauerraum, in dem ein Dutzend Anhänger und ebenso viele Journalisten Platz nehmen.
Wiese – der als Führungsfigur des rechtsextremen Freien Netzes Süd gilt – geht es um eine günstige Sozialprognose, um nicht wieder ins Gefängnis zu müssen. Er habe sich von lautstarken Tönen distanziert, erklärte Bayerns bekanntester Neonazi an beiden Verhandlungstagen. „Im Juli habe ich meine letzte Rede gehalten.“ Seitdem nehme er keine Angebote mehr an. Er kümmere sich um sein Kind, lebe mit neuer Frau, habe Arbeit und „beschlossen, jegliche Außenwirkung einzustellen“.
So lammfromm klang er vor zwei Jahren – kurz nach der Freilassung nach sieben Jahren Haft – beim Neonazi-Treffen im unterfränkischen Roden-Ansbach (Lkr. Main Spessart) nicht. Da drohte er beobachtenden Journalisten: „Wir werden eines Nachts kommen, euch aus euren Löchern holen, euch vor einen Volksgerichtshof stellen und euch wegen Deutschlands Hochverrat verurteilen zum Tode.“Am Wortlaut ist nichts zu deuteln, dies belegen sein Geständnis und ein Film seines Auftrittes, den die Verteidigung dem Gericht übergab. Die Versuche, Belastungszeugen der Lüge zu überführen, weil sie sich nach zwei Jahren nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern konnten, scheiterten – wie die Bemühung, ein T-Shirt zu verharmlosen, das Wiese bei der Rede getragen hatte: Aufschrift „Seine Idee, unser Weg“, darunter die Signatur Adolf Hitlers.
Das Amtsgericht Gemünden hatte den gebürtigen Greifswalder 2012 in erster Instanz zu 21 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Doch weder Wiese noch die Staatsanwaltschaft akzeptierten das Urteil, beide gingen in Berufung.
Verteidiger Frank Miksch sagt, seinem Mandanten sei im Eifer der improvisierten Rede „der Gaul durchgegangen“, er habe einen „abstrakten Rundumschlag“ geführt, „wo er mit Sicherheit die falschen Worte fand“, aber gar nicht die Journalisten gemeint habe. Er betont im Plädoyer noch einmal, sein Mandant habe „sich in den Kopf gesetzt, auf legale Weise für seine Überzeugungen einzustehen.“
Dies überzeugte Staatsanwältin Tanja Zechnall nicht. „Eine Distanzierung von der rechten Szene gibt es nicht“, sagte sie. Sie stützte sich dabei auf eine lange Liste von Auftritten Martin Wieses seit seiner Freilassung. Seine Rede „erfüllte den Tatbestand der Bedrohung“ sagte sie im Plädoyer. „Das ist nicht zu verharmlosen.“ Sie fordert zwei Jahre Haft ohne Bewährung – auch für die Hitler-Signatur auf dem T-Shirt: Sie stehe – wie ein Bild – für die Verherrlichung des Nationalsozialismus.
Das dreiköpfige Gericht um den Vorsitzenden Hans Brückner tritt dem Versuch Wieses entgegen, sich aufgrund seiner politischen Betätigung als Opfer von Behördenwillkür und falschen Anschuldigungen darzustellen. Man sei überzeugt, „dass die Gesinnung des Angeklagten fortbesteht“, betont Brückner. Es verurteilt Wiese zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung. Zwei gelten wegen der langen Prozessdauer schon als verbüßt.
Wiese ist das trotzdem zu lang. Sein Anwalt will in Revision gehen.