Die Jahreszeitenkonzerte des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau (BKO) wurden im aktuellen Jahr 2023 thematisch als Länderporträts angelegt, um zu zeigen, wie viele unterschiedliche Musikstile Europa aufweist und welcher Reichtum darin verborgen ist. Nach den Stationen in Österreich, England, Skandinavien und Polen ist nun Russland beim Winterkonzert am Samstag, 18. November, 19.30 Uhr im König Ludwig I.-Saal des Staatsbades dran, so einen Pressemitteilung.
Manch einer könnte diese Wahl angesichts des tobenden Krieges in der Ukraine kritisch betrachten, doch der Chefdirigent des BKO Sebastian Tewinkel ist überzeugt davon, dass man Komponisten wunderbarer russischer Musik – und mit ihnen auch Orchestermusiker und Publikum – wegen der Irrungen der Machthaber im Kreml nicht pauschal bestrafen darf.
Und so stehen auf dem Programm Werke von Anton Arensky (Variationen über ein Thema von Tschaikowsky für Streichorchester op. 35a), Alexander Glasunow (zwei Stücke für Violoncello und Orchester op. 20), Peter Tschaikowsky (Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester op. 33) und Dmitri Schostakowitsch (Kammersymphonie op. 73a).
Als Solist wurde Gabriel Schwabe verpflichtet, der mit seinem Violoncello vor einigen Jahren bereits beim BKO zu Gast war.
Als Peter der Große um 1700 die Tore seines riesigen Reichs nach Westen aufstieß und „Anschluss an Europa“ zur Parole wurde, avancierte italienische Oper rasch zur Modekunst der russischen Aristokratie – Komponisten wie Giovanni Paisiello oder Domenico Cimarosa wurden mit hochdotierten Verträgen nach St. Petersburg gelockt. Der Ruf nach der Etablierung einer eigenen russischen Musik wurde erst nach Napoleons Russlandfeldzug von 1812 zum gesellschaftlichen Imperativ. Michail Glinka erhörte diesen Ruf mit seiner Oper „Leben für den Zaren“ und wurde als Begründer der russischen Nationalmusik gefeiert.
Doch der harte Kampf um ihren Charakter stand noch bevor. Die Anhänger der europäischen Tradition sahen sich mit den „Revolutionären“ konfrontiert, die in ihrem gesteigerten national-russischen Empfinden dem liebenswürdigen Dilettantismus huldigten und die Notwendigkeit einer gründlichen musikalischen Ausbildung anzweifelten. Peter Tschaikowsky und eine Generation später auch Alexander Glasunow, die das kompositorische Handwerk souverän beherrschten, wurden deshalb als „Westler“ beschimpft, obwohl sie auf Motive aus der russischen Volksmusik zurückgriffen und Stoffe aus der russischen Geschichte und Literatur bearbeiteten.
Diese Spaltung wurde durch die Oktoberrevolution von 1917 nicht beseitigt, sondern eher noch verstärkt, nur dass die Trennungslinie neu definiert wurde: Dmitri Schostakowitsch ist ein Paradebeispiel für eine prekäre Künstlerexistenz zwischen Anpassung und Widerstand in einem totalitären Regime.
Für das Winterkonzert „Russland“ gibt es noch einige wenige Restkarten. Kontakt: BKO-Geschäftsstelle, Tel. 09741/938 90. red