Am 11. November 1918 war es kalt in Bad Kissingen : 5,6 Grad Celsius. Die Zeitungsverkäufer konnten an diesem Tag mit einer Sensationsmeldung aufwarten. Kaiser Wilhelm II. hatte abgedankt. Wenige Stunden zuvor unterzeichneten Staatssekretär Matthias Erzberger (Vertreter der Regierung), Graf Alfred von Oberndorff ( Auswärtiges Amt ), General Detlof von Winterfeldt (Deutsches Reichsheer) und Kapitän zur See Ernst Vanselow (kaiserliche Marine) gegen 5 Uhr morgens den Waffenstillstandsvertrag im französischen Compiegne. Der Erste Weltkrieg hatte damit nach vier Jahren des Blutvergießens ein Ende. Die Folgen dieses politischen Bebens ließen sich auch im Weltbad Bad Kissingen fühlen.
Paradoxe Nachrichtenlage
Beim Blick in alte Ausgaben der Saale-Zeitung zeigt sich, dass in den Tagen um den 11. November Trubel im Weltgeschehen herrschte. Berichtete die Tageszeitung am 5. November noch von einem "gewaltigen Ringen zwischen Schelde und Oise", konnte der Leser bereits zwei Tage später etwas über den bevorstehenden Waffenstillstand erfahren.
Im täglich abgedruckten "deutschem Tagesbericht" beschönigt das Große Hauptquartier der kaiserlichen Armee den Rückzug. Immer wieder hätten deutsche Soldaten den Feind abgewiesen. Die kaiserliche Armee befinde sich in größeren Bewegungen auf Gefechtsfühlung mit den englischen, französischen und amerikanischen Truppen. Noch immer werden Orden verliehen.
Der letzte Augenblick
Der Kissinger Kampfpilot Karl Reuß erhält das Eiserne Kreuz erster Klasse. Die Texte lassen ein paradoxes Bild entstehen, das durch tägliche Spendenaufrufe für die letzte Kriegsanleihe noch verstärkt wird.
Der Aufruf an die Bürger , dem Staat zum neunten Mal Geld für die Fortführung des Krieges zu leihen, ist mit der Überschrift "der letzte Augenblick" prominent auf der Titelseite platziert. Wirft man einen Blick auf die Zahlen, scheint es als ob die Kissinger Bürger noch immer überzeugt vom Krieg waren: 400 000 Mark liehen sie der Regierung. Bei der achten Kriegsanleihe im Frühjahr 1918 zeichneten die Kissinger 337 500 Mark.
Die Saale-Zeitung beschäftigt sich jedoch von Tag zu Tag mehr mit der Frage, was nach dem Krieg kommt. In den Friedensbedingungen wird die Abdankung des Kaisers gefordert. Wilhelm II. weigert sich jedoch zurückzutreten. Aufrufe an die Bevölkerung werden abgedruckt, die zu Ruhe und Besonnenheit mahnen. Der deutsche Tagesbericht über die militärische Lage auf der Titelseite muss den brisanten Themen weichen: Unruhen im gesamten Land. Massenkundgebungen in München. Die Wittelsbacher sind abgesetzt. Kurt Eisner proklamiert den Freistaat Bayern. Schließlich die Abdankung des Kaisers und der am 11. November unterzeichnete Waffenstillstand .
Räte formieren sich
In Kissingen formieren sich Bauern-, Arbeiter- und Soldatenräte. Ihre selbstgegebene Aufgabe proklamieren sie in den Ausgaben vom 13. bis 15. November: "Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten". Es scheint den Räten gelungen zu sein ihre Ziele zu verfolgen, findet sich in der Saale-Zeitung kein Beitrag über Unruhen in der Kurstadt. Am 16. November rufen sie die Kissinger Bürger zu einer Volksversammlung mit Diskussion über "Zweck und Ziele des Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrates" im Regentenbau auf. Im Aufruf macht sich auch die Emanzipation bemerkar: "Eingeladen sind alle Volksgenossen - Frauen und Männer jeder Berufsklasse und politischen Gesinnung."
Während in der Politik Chaos herrscht, scheinen die Kissinger dennoch versucht zu haben, ein geregeltes Alltagsleben zu führen.
Auch das Kinoprogramm
Wohnungsannoncen, Arbeitsgesuche, Werbe- und Verkaufsanzeigen prägen die Werbeseite der damals noch vierseitigen Saale-Zeitung. Selbst das Kinoprogramm findet sich in der Tageszeitung. Im Programm während der historischen Novembertage unter anderem der Film: "Der Sturz der Menschheit".