(ikr) „Das alles hier zu sehen, ist hart, aber für uns gilt die Zukunft, und die Zukunft ist Freundschaft“, sagte Landrat Dov Litvinoff gestern nach dem Besuch des Museums im Jüdischen Gemeindehaus. Dort legten Landrat Thomas Bold und OB Kay Blankenburg gemeinsam einen Kranz nieder und gedachten der Juden, die früher in Bad Kissingen wohnten und während des Nazi-Regimes ins Ausland fliehen mussten oder in Konzentrationslager deportiert wurden.
Litvinoff drückte aus, was beide Seiten jedes Mal bewegt, wenn Besucher aus Israel hierherkommen und auf den Spuren ihrer Vorfahren wandeln: Die Vergangenheit wird nochmals zur schweren Erinnerungs-Last – und das nicht nur für die Gäste. Auch die Gastgeber tun sich im Wissen um die Geschichte nicht leicht. Mit der Partnerschaft der Landkreise Tamar und Bad Kissingen hat sich jedoch die Hoffnung auf Vergangenheitsbewältigung erfüllt. Israeli und Deutsche sind in den vergangenen zehn Jahren nicht nur Partner, sondern echte Freunde geworden.
Fast eine Woche lang, noch bis kommenden Sonntag, sind die 20 Gäste aus Tamar hier und werden allerorts freundlich aufgenommen. Die Zeugnisse jüdischen Lebens stehen beim Besuch im Mittelpunkt. Daneben sind etliche Ausflüge geplant. Auch der Projekttag des Jack-Steinberger-Gymnasiums am Mittwoch brachte alle näher zusammen.
Schon seit 1972 besteht die Verbindung zwischen Bad Kissingen und Israel. Damals pflegte der Kreisjugendring engen Kontakt zur israelischen Gewerkschaft. Bei einem Besuch der Kissinger damals im Kibbuz Ein Gedi fiel es Joske Ereli zu, die Kissinger Gäste zu betreuen – ein nachhaltiges Erlebnis für den gebürtigen Kissinger Juden, der 1938 mit 17 Jahren vor den Nazis von hier fliehen musste.
„Von Jahr zu Jahr stärker“
Heute gilt er als der Initiator der israelisch-deutschen Partnerschaft, die in den vergangenen Jahren zunächst von den Landräten Yoav Givati und Herbert Neder angeschoben wurde und heute von Litvinoff und Bold weiter gepflegt wird. Im Gegensatz zu anderen kommunalen Partnerverbindungen, die sich eher im Formellen erschöpften, werde die Verbindung zwischen Tamar und Bad Kissingen laut Litvinoff „von Jahr zu Jahr stärker“. Das sei vor allem Ereli zu verdanken. „Für uns ist er der Präsident der Partnerschaft – und ein bisschen auch der Präsident von Bad Kissingen“.
Für Blankenburg ist es ein Anliegen, wie er beim Empfang der Stadt sagte, jüdische Traditionen in der Kurstadt nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Partnerschaft zwischen den Landkreisen sei für ihn Beleg dafür, „dass trotz der durch deutsche Schuld unermesslich beschwerten Vergangenheit der Wille zur Annäherung Früchte bringt“.
Eine Überraschung gab es dann noch beim Empfang, den der Landkreis für die jüdischen Gäste am späten Nachmittag im Landratsamt ausrichtete. Altlandrat Herbert Neder wurde zum Kissinger Ehrenpräsidenten der Partnerschaft ausgerufen. Die Ehrung kam für Neder offensichtlich unvorhergesehen und rührte ihn sichtlich. Ob zwei so unterschiedlich strukturierte Landkreise überhaupt zusammenpassen, habe man sich damals gefragt, denn während der hiesige 107 000 Einwohner verzeichnet, hat Tamar gerade mal 1400, sagt Bold. „Heute reichen sich jedoch zahlreiche Menschen aus Israel und Deutschland die Hände.“