Die Veränderung der Kliniklandschaft im Landkreis Main-Spesstart strahlt jetzt bis an die Saale aus. Die Chirurgen Dr. Armin Döring und Dr. Andreas Luther verlegen ihre Belegarzttätigkeit vom Krankenhaus in Karlstadt an die „Helios Orthoclinic“ in Hammelburg – und das schon zum Monatswechsel März-April. Sie kehren enttäuscht dem Karlstadter Krankenhaus den Rücken.
Eigentlich wären die Belegarztverträge bis Ende 2019 gelaufen. Doch „aus wichtigem Grund“ sei eine außerordentliche Kündigung in dem Fall zwingend, beklagen die beiden. Wichtige Inhalte der Verträge seien vonseiten des Klinikträgers bereits jetzt nicht mehr erfüllt.
In Main-Spessart ist der Bau eines Zentralklinikums in Lohr beschlossene Sache. An den Standorten der Kreiskliniken in Karlstadt und Marktheidenfeld soll bereits ab April dieses Jahres nicht mehr operiert werden. Die neue Zentralklinik mit 200 Betten ist auf 100 Millionen Euro veranschlagt und soll 2023 in Betrieb gehen. Schon länger war der Betrieb der Krankenhäuser defizitär. 2016 haben sie einen Verlust von zehn Millionen Euro gemacht.
Im Herbst hatten die beiden Karlstädter Ärzte eine Filialpraxis in den Räumen der Hammelburger Klinik gegründet (wir berichteten). Ihre Praxis „Main-Saale-Chirurgie“ am Schnellertor in Karlstadt werde aber nach wie vor die Hauptpraxis bleiben, kündigen sie an. In Hammelburg ist nur an zwei Nachmittagen in der Woche Sprechstunde.
Bisher hat die Hammelburger Klinik mit ihren 60 Betten zwei Hauptabteilungen – eine für Innere Medizin und eine für Chirurgie. Döring und Luther werden mit ihren insgesamt zehn Betten die ersten Belegärzte sein. Sie seien zu ihrer eigenen Überraschung mit offenen Armen empfangen worden. „Dabei hieß es in Main-Spessart doch immer, dass Belegärzte nur Geld kosten“, bemerken sie. Und die Helios Kliniken GmbH ist ein Wirtschaftsunternehmen. Die beiden Chirurgen: „Für uns unerwartet haben auch die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) einer Verlegung unserer Belegarzttätigkeit nach Hammelburg prompt zugestimmt.“
Mit der Kombination aus eigener Praxis und Belegarzttätigkeit sei den Patienten am besten gedient, betonen Döring und Luther. Denn so könne der Arzt sämtliche Möglichkeiten der konservativen und operativen Therapie nutzen. „Er wird also nur dann zur Operation raten, wenn die nichtoperativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“ Idealerweise führe der Arzt auch die anschließende Nachbehandlung durch. „Diese Art der Behandlung, dieses Vertrauen möchten wir unseren Patienten auch weiterhin anbieten.“
Man solle sich von den vom Main-Spessart-Klinikreferenten Gregor Bett für das Krankenhaus Lohr propagierten Begriffen wie „exzellente Medizin“ nicht irreführen lassen. Ein Klinikarzt habe nicht diese breite Palette an Möglichkeiten. Er müsse in einer einzigen Beratungssprechstunde sofort entscheiden, ob operiert wird. Und das ergebe eine Tendenz zu Operationen, obwohl dem Patienten beispielsweise durch Physiotherapie auch hätte geholfen werden können.
„Das war der ausschlaggebende Grund für uns, unsere jeweils gut dotierten Stellungen als Klinikleiter aufzugeben und zum 1. Januar 2015 die Tätigkeit als Belegärzte in Karlstadt anzutreten“, sagen Döring und Luther.
Ihren Patienten aus dem Raum Karlstadt führen sie vor Augen: „Die von Ihnen gewählten Lokalpolitiker haben Ihr Krankenhaus bereitwillig aufgegeben. Sie als Bürger des Landkreises werden zukünftig für ein defizitäres Klinikum in Lohr genauso viel Steuergeld ausgeben müssen wie bisher, wahrscheinlich noch mehr. Für die Karlstadter ändert sich lediglich, dass sie vor Ort weder ein Krankenhaus noch einen Kassenärztlichen Notdienst haben werden.“ Da Letzterer auch in Lohr angesiedelt wird, müssen die Karlstadter in jedem Fall mindestens 20 Minuten fahren, um zukünftig einen Arzt zu erreichen – der dringliche Hausbesuch einmal ausgenommen.
Enttäuscht äußern sich die beiden Chirurgen über die Lokalpolitiker: Die Bürger habe man unter der Überschrift „Nachnutzung des Krankenhauses“ geschickt in eine Sackgasse geführt. Schließlich werde man das Karlstädter Krankenhaus abreißen, sind sie überzeugt.
Trotz vielfacher Bitten um Gespräche finde man bei den Lokalpolitikern kaum Gehör. „Landrat Thomas Schiebel hatte vor circa einem Jahr erstmalig und gleichzeitig letztmalig für uns eine halbe Stunde Zeit. Wir schlugen ihm ein gut durchdachtes Konzept für einen fließenden Übergang bis hin zum Betrieb des neuen Klinikums in Lohr vor.
Die beiden Ärzte zur Entscheidung für Hammelburg: „Wir können nicht abwarten, bis wir in der Zeitung lesen, dass am Folgetag das Krankenhaus in Karlstadt vollständig geschlossen wird, so wie das jetzt mit der Notaufnahme und der Chirurgischen Hauptabteilung geschehen ist. Übrigens: Auch die Neuro- und Handchirurgie, die in Karlstadt von Würzburger Ärzten ausgeführt wurde, wird es ab 1. April am dortigen Krankenhaus nicht mehr geben.