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Bad Kissingen
Zum Tod von Hans-Joachim Flaßhoff: Trauer um Vater der Labore
Dr. Hans-Joachim Flaßhoff war Kissinger Stadtrat, vor allem aber Unternehmer: Das von ihm 1965 gegründete Diagnostiklabor ist die Keimzelle von zwei Unternehmen, die heute zu den großen Arbeitgebern im Landkreis gehören.
Aus dem Labor von Dr. Flaßhoff ging unter anderem Laboklin hervor, das heute in der ehemaligen Kaserne seinen Sitz hat.       -  Aus dem Labor von Dr. Flaßhoff ging unter anderem Laboklin hervor, das heute in der ehemaligen Kaserne seinen Sitz hat.
Foto: Romana Kochanowski | Aus dem Labor von Dr. Flaßhoff ging unter anderem Laboklin hervor, das heute in der ehemaligen Kaserne seinen Sitz hat.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 17.08.2022 02:45 Uhr

Dr. Hans Joachim Flaßhoff ist einer, der Bad Kissingen und den Landkreis nachhaltig geprägt hat. Flaßhoff brachte sich 17 Jahre im Bad Kissinger Stadtrat ein - viel wichtiger jedoch war seine unternehmerische Tätigkeit: Aus dem von ihm in den 1960er- und 1970er Jahren aufgebauten Laborbetrieb in der Prinzregentenstraße gingen später die Großlabore LS in Bad Bocklet und Laboklin in Bad Kissingen hervor - beide Unternehmen gehören heute zu den großen Arbeitgebern des Landkreises, beide sind in ihrem Bereich international tätig und anerkannt. "Für die Region ist er eine ganz besondere Persönlichkeit. Ohne ihn gäbe es uns nicht", sagt Elisabeth Müller , Geschäftsführerin von Laboklin. Am 3. Oktober ist Flaßhoff im Alter von 98 Jahren verstorben.

Hans-Joachim Flaßhoff kam am 13. Juli 1923 in Dinslaken am Niederrhein auf die Welt. Seinen Berufswunsch, Tierarzt , erreichte er über Umwege. Noch als Gymnasiast wurde er im Zweiten Weltkrieg zur Wehrmacht eingezogen. Er war Angehöriger des Afrikakorps, später war er in der Normandie im Einsatz. Nach drei Jahren an der Front kehrte Flaßhoff 1945 in die westfälische Heimat zurück, machte sein Abitur und ging dann zum Studieren nach Hannover. Das tierärztliche Staatsexamen hatte er 1952 in der Tasche, wenig später zog es ihn aufgrund einer Praxisvertretung zunächst nach Bad Neustadt, 1955 eröffnete er eine Tierarztpraxis in Bad Kissingen .

Flaßhoff wurde öffentlich immer als geradlinig, vielseitig interessiert und mit konservativer Grundhaltung beschrieben. Politisch war er bei der FDP zuhause. 1978 zog er für die Liberalen in den Kissinger Stadtrat ein. Das Mandat über er bis 1995 aus, im selben Jahr verlieh ihm der damalige Oberbürgermeister Christian Zoll ( SPD ) für sein Engagement die Bürgermedaille.

Pionier in Sachen Veterinär-Labor

Elisabeth Müller war Flaßhoff bis zuletzt freundschaftlich verbunden. "Ich habe mich mit ihm dieses Jahr noch zum Reitturnier in Bad Kissingen auf einen Kaffee getroffen", erinnert sie sich an das letzte Treffen. Privat habe Flaßhoff sein Glück gefunden, als er als Neu-Bad Kissinger die Hotelbesitzertochter Liselotte Büdel kennenlernte. Nach der Heirat habe er sogar vorübergehend den Tierarztberuf zugunsten des Hotels an den Nagel gehängt. Jedoch dauerte es nicht lange, bis er neben dem Hotel wieder eine neue Praxis eröffnete.

Beruflich verlagerte sich seine Tätigkeit von der Tierarztpraxis immer mehr zur Labortätigkeit. 1965 gründete er das Institut für Darmdiagnostik Dr. Flaßhoff in Bad Kissingen , ein Labor für veterinärmedizinische Diagnostik, Mikrobiologie sowie chemische Analytik. "Das war das erste private, veterinärmedizinische Untersuchungslabor in Deutschland", sagt Müller. Es sollte ein Erfolgsgeschichte werden.

Flaßhoff führte in seinem Labor sowohl tiermedizinische, als auch humanmedizinische Untersuchungen durch, unter anderem arbeitete er mit vielen Kliniken zusammen, etwa dem Heinz-Kalk-Krankenhaus, oder auch dem St.-Elisabeth-Krankenhaus. "Er war ein sehr umtriebiger, wissenschaftlich orientierter Mensch", sagt Rüdiger Leimbeck, der ab 1976 in Flaßhoffs Labor als Fachtierarzt für Mikrobiologie arbeitete. "Die Leistung von Dr. Flaßhoff war, dass er Laborparameter entwickelt hat, die auch in der Humanmedizin geholfen haben, besser zu diagnostizieren", sagt Leimbeck. Er habe dazu beigetragen, dass inzwischen mikrobiologische Darm- und Stuhluntersuchungen nicht mehr stiefmütterlich behandelt werden, sondern als Diagnoseverfahren gemeinhin anerkannt sind.

Über private Bekanntschaften Flaßhoffs kam der Kontakt zur pharmazeutischen Unternehmen wie Merck und Ho echst zustande, die das Kissinger Labor ab 1976 mit mikrobiologischen Qualitätsprüfungen beauftragten. Für diesens Geschäftsfeld war Leimbeck verantwortlich, der es stetig ausbaute. Die Untersuchungen für die Pharmazie stellen die Grundlage dar für das heutige Labor LS.

In den 1980er Jahren zog sich Flaßhoff allmählich in den Ruhestand zurück. 1984 verkaufte er den Geschäftsbereich mit dem Hygieneteil an Leimbeck, den veterinärmedizinischen Laborbereich führte er zunächst selbst weiter. Leimbeck blieb noch drei Jahre in Bad Kissingen , jedoch wurde der Platz bald zu klein. 1987 gründete er gemeinsam mit Bernd Sonnenschein das Labor LS (Leimbeck und Sonnenschein) und zog nach Bad Bocklet um. Heute agiert LS weltweit und hat bei sich mehr als 600 Mitarbeiter in Lohn und Brot.

Heute: Drei Firmen, 1200 Mitarbeiter

Aus dem tiermedizinischen Bereich des Labors geht 1989 Laboklin hervor, das mit mehr als 500 Mitarbeitern heute europaweit tätig ist. Firmengründer waren wiederum Leimbeck und Sonnenschein sowie die heutige Geschäftsführerin Elisabeth Müller . Ein Jahr später gründeten Leimbeck und Sonnenschein mit Hannes Baum noch eine weitere Firma: das Labor BLS. Bei LS gab es zu dem Zeitpunkt eine chemische Abteilung, die in dem neuen Labor aufging. BLS hat seinen Sitz in Bad Kissingen und gehört seit 2016 zur internationalen Tentamus-Gruppe. "Ohne die Keimzelle Dr. Flaßhoff würde es die drei Labore nicht geben. Er ist der Großvater der Kissinger Labore", sagt Leimbeck.

Laboklin blieb zunächst in den Laborräumen in der Prinzregentenstraße. "Die ersten 18 Jahre haben wir im Büdelhaus gearbeitet, in dem auch Dr. Flaßhoff gelebt hat", erzählt Müller. In dieser Zeit, aber auch darüber hinaus habe der er den Kontakt zum Labor gehalten und einen freundschaftlichen Umgang mit seinen alten Weggefährten gepflegt. Später wurde der Unternehmenssitz an in das Gewerbegebiet in der ehemaligen Kaserne verlagert. "Hans-Joachim Flaßhoff hat wie kaum ein anderer die Landschaft der Labordiagnostik in der deutschen Tiermedizin geprägt", sagt Müller. Dafür sei sie ihm dankbar.

Privat war Flaßhoff auch lange im Vereinsleben aktiv, etwa im Jägerverein Bad Kissingen und im Reitverein. An seinem Altersruhesitz in Aschach nannte der Tierliebhaber eine Herde an Rhönschafen, Ziege, Pferde, Tauben, Hühner, Kanarienvögel, Hunde und Katzen sein Eigen.

Kommentar: Kleines Labor mit großer Wirkung

Mit Dr. Hans-Joachim Flaßhoff ist ein Unternehmer gestorben, den viele Menschen gar nicht (mehr) kennen, von dessen Wirken die Region aber trotzdem sehr profitiert. Warum?

In Bad Kissingen hatte sich aufgrund der Vergangenheit als großer Kurort nie in bedeutendem Maß Industrie angesiedelt; weil schmutzige Fabriken nicht ins Bild der sauberen Kurstadt beziehungsweise zur Ausrichtung als Gesundheitsstandort passen und auch lange nicht gewollt waren. Die Stadt ist bis heute maßgeblich vom Gesundheits- und Tourismussektor abhängig, vor allem die Beherbergungsbetriebe und die Kliniken sind für sie wichtig. Sobald es in dem Bereich kriselt - sehr einschneidend war das bei der Kurkrise ab Ende der 1990er Jahre der Fall - wirkt sich das auf die Stadt als Ganzes aus.

Zudem haben die Berufe in den Pflegeheimen , in den Kliniken, in der Hotellerie und Gastronomie, ein eher geringeres Lohnniveau - gerade im Vergleich zur Industrie.

Insofern ist es für Bad Kissingen und Bad Bocklet ein Glücksgriff, dass sich im Laborsektor inzwischen so etwas wie eine saubere Medizin-Industrie mit einer Vielzahl an hochqualifizierten Jobs entwickelt hat. Firmen wie LS und Laboklin haben seit den Anfängen in der Keimzelle des Labors Dr. Flaßhoff in der Kissinger Prinzregentenstraße eine beeindruckende Entwicklung genommen. Heute sind sie nicht nur wichtige Steuerzahler für die Kommunen, sondern auch ein Stückweit ein Aushängeschild für die Gesundheitsregion; und sie schaffen es, junge Fachkräfte in eine Region zu holen, die sonst eher damit zu kämpfen hat, dass junge Leute von hier wegwollen.

 
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