Das Schicksal der Therme Sinnflut bewegt viele Menschen in und rund um Bad Brückenau . Das merkt auch Jochen Vogel . Nachdem die Schließung zum 30. September dieses Jahres bekannt wurde, erhielt der CSU-Bürgermeister viele Reaktionen. Bis zur ängstlichen Frage, ob das Bad je wieder öffnet. Vogel und Stadtwerke-Geschäftsführer Torsten Zwingmann haben sich entschlossen, mehr Licht in die Zukunft der Bad Brückenauer Therme zu bringen.
Eines steht für Vogel klar fest: „Die Sinnflut muss erhalten bleiben.“ Und Zwingmann ergänzt: „Dicht machen werden wir sie, aber nicht für immer.“
Erhalt mit allen jetzigen Funktionen
Für beide bedeutet Erhalt: Neubau, mit allen Funktionen, die auch jetzt zur Verfügung stehen. Damit wäre die Sinnflut nicht ausschließlich ein Hallenbad fürs Schulschwimmen, sondern eine Familien-Therme. Mit Sauna, Wellnessbecken und Kinderlandschaft, aber laut Zwingmann ohne große Freiwasserfläche.
Dementsprechend wollen die Verantwortlichen den bisher eingeschlagenen Weg weitergehen – auch wenn er sich als lang und steinig erweist.
Ursprünglich Sanierung angedacht
Um das zu erklären, blickt der Stadtwerke-Chef zurück. 1969 als Hallenbad errichtet, wurde die Sinnflut 1996 umfassend saniert und zur Therme erweitert. Kleinere Sanierungen, unter anderem von Dach (2007) und Sauna folgten.
Dennoch wussten die Verantwortlichen bei Stadt und Stadtwerken bereits Ende 2017, dass eine größere Erneuerung ansteht. Das belegten im Januar und Februar 2018 mehrere Gutachten über Technik, Statik und Betonbeschaffenheit. Man rechnete damals noch mit Kosten von um die sechs Millionen Euro . Ein europaweites Vergabeverfahren (VGV) für die Sanierung wurde angestoßen.
Ersatzneubau fünf Millionen Euro billiger
Der Schock folgte im Februar 2019. Da wurden etwa 27 Millionen Euro Modernisierungskosten angesetzt. Ein „Ersatzneubau“ hätte demnach knapp 22 Millionen Euro gekostet (Abriss nicht inbegriffen). Das laufende VGV-Verfahren zur Sanierung wurde gestoppt – um im Mai 2021 ein neues anzustoßen, diesmal für einen Neubau (Bestehen bleibt lediglich die 2011 modernisierte Sauna).
Torsten Zwingmann sieht trotz der hohen Kosten weiter mehr Sinn, eine komplette Therme zu planen als ein schlichtes Hallenbad. Denn vom Freistaat ist Fördergeld aus zwei Töpfen zu erwarten: einmal nach dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (FAG) fürs Schulschwimmen.
Nur Hallenbad für Stadt nicht unbedingt günstiger
Und dann eine Förderung von öffentlichen touristischen Infrastruktureinrichtungen (RÖFE). Laut dem Stadtwerke-Chef könnten diese Programme 50 bis 60 Prozent der förderfähigen Kosten des Neubaus abdecken. Der Rest wäre Eigenanteil der Stadt.
Würde diese nun „nur“ ein neues Hallenbad planen, wäre dieser selbst zu finanzierende Anteil nicht unbedingt geringer als bei der „großen Therme-Lösung“. Denn dann würden die schon zugesagten RÖFE-Mittel wegfallen.
Die Stadt hatte sich vergangenes Jahr auch bei einem vielversprechenden Bundesprogramm zur „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ beworben. Maximal sechs Millionen Euro hätte man da erhalten können.
Mündliche Absage bei Bundesprogramm
Doch inzwischen gab es eine mündliche Absage. Das Programm, in dem 476 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sei mit Anträgen für 995 Projekte im Wert von 2,7 Milliarden Euro stark überzeichnet, so Zwingmann.
Jochen Vogel begründet die Orientierung hin zur großen Lösung auch entwicklungspolitisch. Was bleibe in Bad Brückenau noch, wenn man die Sinnflut komplett schließe. Ohne Thermen-Teil verliere das Bad an Attraktivität – und viele Gäste. Deswegen wirbt der Bürgermeister beim Bayerischen Wirtschaftsministerium und in der Regierung von Unterfranken als Fördergeber, das Bad nicht nur als freiwillige, sondern als Pflichtaufgabe der Stadt zu betrachten.
Warten auf detaillierte Kostenberechnung
Vogel, Zwingmann und die Stadträte warten gespannt auf die detaillierte Kostenberechnung, die noch im März, aber spätestens im April eintreffen soll. Sie, aber auch die Arbeit des „sehr guten Planerteams“ sowie die Ergebnisse je einer Befragung von 1200 Bad Brückenauern und des Gewerbes sollen im April zusammengetragen sein. „Dann wissen wir auch, wie hoch der Eigenanteil der Stadt ausfällt“, so Zwingmann.
Dieser Anteil dürfte entscheidend für das weitere Vorgehen werden. Denn der städtische Haushalt unterliegt seit Jahren den Beschränkungen der Stabilisierungshilfe. Der Bürgermeister muss sich mit der Kommunalaufsicht abstimmen, ob und in welcher Höhe Kredite für die Vorfinanzierung des Großprojektes aufgenommen werden können. Auch ein Herausgehen aus der Stabilisierung sieht Vogel als Option, um auf dem Kreditmarkt freier agieren zu können.
Bürgermeister erwartet Drahtseilakt
Der Bürgermeister weiß, dass das einem Drahtseilakt gleicht. „Die Therme Sinnflut ist wahrscheinlich die größte Aufgabe, die die Stadt je zu stemmen hatte. Aber die Region braucht sie. Danach kommt nichts Vergleichbares mehr.“
Vogel baut darauf, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Im Stadtrat erwartet er keine Grundsatzdiskussion mehr. Zwingmann plant den Abriss an der Sinnflut noch im Dezember 2023 oder Januar 2024. Bei gutem Bauablauf könnte die Therme Mitte 2026 wieder öffnen. Bis dahin bleibt viel zu tun.
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