Ein kleiner Spaziergang durch Bad Kissingen führt die Bedeutung des Architekten Max Littmann schnell vor Augen: Kurtheater, Kurhausbad, Wandelhalle, Brunnenhalle, Rossinisaal innen, Lesesäle, Schmuckhof, Weißer Saal, großer Konzertsaal, Grüner Saal, Maxbrunnen und in der Ludwigstraße 3 das große Eckgeschäftshaus – alles Littmann.
Unglaublich, was dieser Mann allein in Bad Kissingen an Großbauten zwischen 1905 und 1913/1927 hinterlassen hat. Was wäre der Badeort wohl ohne diese Gebäude?
Im 19. Jahrhundert veränderten sich die Anforderungen rasch, es waren Zweckbauten gefragt mit besonderen Anforderungen an Hygiene, Platzbedarf und Sparsamkeit für Musiksäle, Parlamente, Kaufhäuser, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Museen, Fabriken. Und die vielen neuen Auftraggeber vom Staat über Gemeinden, Unternehmern bis zu Großkaufleuten mit schwierigeren Verhandlungen sowie vielschichtigen Auflagen machten die Arbeit nicht leichter. Der Architekt Max Littmann packte dies alles. Er hinterließ, am 20.9.1931 mit knapp 70 vom Tod aus seinem Schaffensdrang herausgerissen, Hunderte von Bauten. Sein von ihm selbst entworfenes Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof in München.
Besonders am Herzen lagen ihm aber Theaterbauten, wie das Kissinger Kurtheater, das ebenso technisch und künstlerisch hervorragend gestaltet ist wie das Prinzregententheater in München, das Schillertheater in Berlin, das Hoftheater in Stuttgart, die Stadttheater in Posen, Hildesheim und Bozen, das Nationaltheater in Weimar und das Landestheater in Neustrelitz, die er als Zeugnis seines bedeutenden Schaffens hinterlassen hat. Auf ihn geht es auch zurück, dass Zuschauerräume wieder amphitheatralisch ansteigen und somit eine bessere Sicht auf die Bühne zu ermöglichen.
Geboren wurde Max Bernhard am 3.1.1862 in Schloßchemnitz als Sohn des Kaufmanns Johann Bernhard Littmann und seiner Ehefrau Hulda Emilie, geb. Heurig. Die Familie, zu der noch zwei Töchter gehörten, zog nach Chemnitz. In der dortigen Wohnung eröffnete sein Vater eine Eisenwaren- und Werkzeughandlung. Max Littmann erwarb nach der Realschule seine grundlegenden Praxiskenntnisse bei einer Maurerlehre und besuchte gleichzeitig von 1878 bis 1882 die Königliche Höhere Gewerbeschule als einer der ersten Schüler der neuen Architekturabteilung. Die Absolventen erhielten das Recht, sich am Polytechnikum Dresden (später Technische Universität) als Vollstudierende weiterzubilden. Hier studierte er von 1883 bis 1885 Architektur und zusätzlich Hochbau. Die TU Chemnitz ließ 1987 eine Plastik im Böttcher-Bau aufstellen, die den ehemaligen Schüler Littmann zeigt.
Nach Abschluss seines Studiums zog er am 3. März 1885 nach München, das ihm zur zweiten Heimat werden sollte. In München kam er in Kontakt mit so bedeutenden Architekten wie Friedrich v. Thiersch (Erweiterungsbauten an der Erlöserkirche in Bad Kissingen) und Gabriel v. Seidl. Auf Studienreisen nach Italien, Paris, Berlin erweiterte er seine Kenntnisse und kehrte 1888 endgültig nach München zurück.
Hoffentlich nicht nur aus Berechnung - aber außerordentlich wichtig und geschickt – heiratete er 1891 Ida, die Tochter Ida des Bauunternehmers Kommerzienrat Jakob Heilmann. Diese Verbindung führte zur Gründung der bedeutenden Baufirma Heilmann und Littmann in München (die Firma heißt seit 2005 Heilit + Woerner). Zehn Jahre arbeitete er als leitender Architekt in der Entwicklung, bis er aus der Baufirma ausschied, um sich mehr seiner künstlerischen Tätigkeit widmen zu können. In seinem Privatleben hat Littmann schwere Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Seine zwei Söhne und die drei Kinder seiner einzigen Tochter Gertrude starben bereits im Kindesalter.
Es ist unmöglich, alle seine Leistungen aufzuzählen, aber allein in München schuf Max Littmann so unterschiedliche Gebäude wie Hofbräuhaus, Kaufhaus Oberpollinger, Anatomie, Kaffeehaus Orlando, Mathäserbräu und das Prinzregententheater. Dazu kamen herrschaftliche Villen. So hat Littmann nicht nur die Architektur in Bad Kissingen, sondern auch in München mitgeprägt.
Eine wichtige Gruppe seiner Bauwerke bilden die Kurhäuser in Bad Reichenhall, Bad Schachen und in Kissingen mit ihren unterschiedlichen Zweckbestimmungen – Bäder, Inhalatorien, pneumatische Kammern, Gesellschaftsräume, Spiel- und Konzertsäle, Wandelhallen, Restaurants, Konzertpavillons und Theater. Die vielfältigen Anforderungen, diese Gebäude ästhetisch und künstlerisch, gesellschaftlich, praktisch und kostengünstig auf einen Nenner zu bringen, gelang Littmann hervorragend. Dabei blieb er in der Gestaltung seiner Fassaden immer zurückhaltend, vermied Prunkarchitektur, wie dies in Marienbad geschah, und wandte auch moderne Bautechniken in Form von Stahl-Sicht-Betonbauten an, die er auch noch in erstaunlich kurzer Zeit aus dem Boden stampfte. Im Falle der Kissinger Wandel- und Brunnenhalle mit 400 Arbeitskräften in neun Monaten, noch dazu in der Winterzeit.
An der Saale begann für Littmann die Bautätigkeit mit der Erweiterung der Ludwigsbrücke, die er durchführte, ohne den Vorgängerbau Friedrich von Gärtners zu zerstören. Als 1905 erste Pläne für neue Kurbauten entstanden, die aufgrund der wachsenden Kurgastzahlen und Ansprüche nötig waren, hatte sich Littmann schon mit dem Kurtheater empfohlen. 1908 besuchte der bayerische Landtag Kissingen drei Tage lang, um die Verhältnisse vor Ort zu prüfen. Man zeigte sich bereit, die weiteren Bauten zu finanzieren. Viel Geld stand Littmann allerdings nicht zur Verfügung. Die Süddeutsche Bauzeitung meinte 1912: „In Littmann hat die Regierung nicht nur einen tüchtigen Architekten gefunden, sondern auch einen ebenso tüchtigen Konstrukteur, reiflich überlegend und rasch ausführend.“ Als 1913 die Bauten der Kuranlagen standen, folgte noch Jahre später der Bau des Kurhausbades (1927).
Wichtig war für ihn immer, wie es 1932 in der Deutschen Bauzeitung heißt, die „Klarheit der Disposition, sorgfältige Raumgestaltung [und die] Erfüllung der technischen Forderungen“. Auch seinem Baustil blieb Littmann immer treu, von Kunsthistorikern als Münchner Barock, Klassizismus, Klassizisierender Jugendstil und ähnlich eingestuft. Es macht ein wenig Schwierigkeiten, seinen Stil zu erklären, denn er bediente sich gerne historischer Vorbilder aus allen Epochen. Auch Elemente des Jugendstils (ca.1892 - 1918), der als Alternative oder Kontrastprogramm propagiert wurde, übernahm Littmann ohne Probleme. Besonders zu sehen ist dies an den Maskenköpfen des Staatlichen Kurhausbades, das erst 1927 entstand, als längst die neue Sachlichkeit des Dessauer Bauhausstils vorherrschte. Littmann hielt davon nicht viel. Kurz ausgedrückt handelt es sich bei ihm um Historismus mit Jugendstileinblendungen oder eben den „Littmann-Stil“. Bei ihm ging es nicht um eine tote Nachahmung alter Stile, sondern um eine schöpferische Neubelebung.
In einer Festschrift zur Hundertjahrfeier der Staatlichen Akademie Chemnitz (1936) schrieb Prof. Paul Opitz: „Sein Wirkungskreis umfasste die gesamte weltliche Baukunst, die er mit künstlerischer Biegsamkeit und restloser Einfühlung in das Wesen, den Zweck und die Aufgabe des Bauwerks bahnbrechend meisterte. Seine Raumschöpfungen überzeugen noch heute als vornehme, höchst geschmackvolle und festlich stimmende künstlerische Leistungen“. Littmann gehörte zu den angesehensten Architekten seiner Zeit. Dies drückt sich auch aus in den vielen Auszeichnungen, die ihm verliehen wurden. Erwähnt sei nur die Ernennung zum Kgl. Bayer. Professor an Neujahr 1902.
Krieg und Verachtung des Historismus in den 1950/60er Jahren sorgten für die Zerstörung oder Veränderung vieler seiner Bauten. Es blieb aber noch genug übrig, um die Leistung dieses genialen Architekten nachvollziehen zu können, am besten vielleicht an den Bauten in Bad Kissingen.
Quelle und Literatur: Stadtarchiv Chemnitz, Auskünfte zu Max Littmann, 2011; Prof. Paul Opitz, Festschrift zur Hundertjahrfeier der Staatl. Akademie für Technik in Chemnitz, 1936; Die Kunst, Monatsschrift, 11/1913; Georg Jakob Wolf, Max Littmann, München 1931; Deutsche Bauzeitung, 9/32; Süddeutsche Bauzeitung, 29/1912; Architekturmuseum, TU München (Zeichnungen); Max Littmann in wikipedia: AG Geschichte Kassberg Altendorf und Schlosschemnitz, 2012