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Bad Brückenau
Zivilcourage in Bad Brückenau: „Opferplätze meiden“
Ein Bus voller Schüler, eine unübersichtliche Situation, ein Messer – zum Glück nur Übung. Am Franz-Miltenberger-Gymnasium in Bad Brückenau wird Zivilcourage trainiert.
Ein klares und lautes Nein: Schülerinnen grenzen sich in bedrohlichen Situationen ab. Zivilcouragetraining am Franz Miltenberger-Gymnasium.       -  Ein klares und lautes Nein: Schülerinnen grenzen sich in bedrohlichen Situationen ab. Zivilcouragetraining am Franz Miltenberger-Gymnasium.
Foto: Julia Raab | Ein klares und lautes Nein: Schülerinnen grenzen sich in bedrohlichen Situationen ab. Zivilcouragetraining am Franz Miltenberger-Gymnasium.
Julia Raab
 |  aktualisiert: 07.03.2025 02:38 Uhr

Eine realistische Situation im Bus: Es ist laut, die Jugendlichen sprechen durcheinander, albern herum. Nur in der hintersten Reihe links ist es leise. Dort sitzen zwei Mädchen. Sie könnten Freundinnen sein, denn sie reden leise miteinander. Niemand soll mitbekommen, was passiert. Zumindest, wenn es nach dem Mädchen geht, das außen sitzt. Plötzlich zückt sie ein Messer und bedroht die Sitznachbarin am Fenster. 

Jetzt erst bekommen andere mit, dass etwas nicht stimmt. Das Mädchen davor dreht sich um und spricht das Opfer – das nun eindeutig als solches zu erkennen ist – an. „Was ist da los? Komm nach vorne zu uns!“, sagt das Mädchen, ohne auf die Täterin einzugehen.

Am Franz-Miltenberger-Gymnasium lernen die Jugendlichen in einer Simulation anderen zu helfen, ohne selbst in Gefahr zu kommen.       -  Am Franz-Miltenberger-Gymnasium lernen die Jugendlichen in einer Simulation anderen zu helfen, ohne selbst in Gefahr zu kommen.
Foto: Julia Raab | Am Franz-Miltenberger-Gymnasium lernen die Jugendlichen in einer Simulation anderen zu helfen, ohne selbst in Gefahr zu kommen.

Doch die Täterin lässt nicht locker und versucht zu beschwichtigen, dass alles in Ordnung sei. Dann wird das aufmerksame Mädchen lauter und ruft den Busfahrer. Jetzt wissen alle Bescheid. 

Psychologin erklärt: Helfen, ohne selbst in Gefahr zu kommen

Zum Glück war die beschriebene Situation nur eine Simulation in einem Seminar für Zivilcourage am Franz-Miltenberger-Gymnasium. Die 17-jährige Laura Zech, die in der Simulation versucht hat, das Opfer herauszubekommen, hat so eine ähnliche Situation jedoch schon einmal real erlebt. „Nur ohne Messer“, fügt sie hinzu. 

Laura hat in der Simulation genau richtig reagiert. Das erklärt Trainerin und Psychologin Verena Berthold, Vorsitzende des Vereins „Zivilcourage für Alle“. Sie geht mit den Jugendlichen die Situation im Bus noch einmal durch. Einige Mitfahrende konnten die Situation wegen der Lautstärke nicht richtig einschätzen. Wer ist Täter, wer das Opfer? Warum fühlt man sich weniger verantwortlich, wenn viele Menschen Zeugen sind? Wie helfe ich als Zeuge am besten, ohne mich selbst zu gefährden? 

Eher mit Opfer als mit Täter sprechen

„Die Bedrohungssituationen sind immer anders und es erscheint wie ein Labyrinth, da herauszukommen“, betont Psychologin Berthold. Sie gibt den Jugendlichen Tipps, wie sie sich verhalten können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. „Auch wenn der erste Impuls ist, den Täter zu stellen, sollte es aufgrund der unberechenbaren Gefahr darum gehen, das Opfer aus der Situation zu holen“, erklärt sie. Da kann es beispielsweise schon helfen, dem Opfer eine Hand zu reichen. 

Verena Berthold vom Verein Zivilcourage für alle im Seminar mit den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums.       -  Verena Berthold vom Verein Zivilcourage für alle im Seminar mit den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums.
Foto: Julia Raab | Verena Berthold vom Verein Zivilcourage für alle im Seminar mit den Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums.

Sie erklärt – besonders in den höheren Klassen – die psychologisch gut erforschten Hintergründe von menschlichen Verhaltensweisen in gefährlichen Situationen. Und auch, dass es Folgen haben kann, wenn man in eindeutigen Situationen nicht hilft. Zivilcourage, also der Mut, sich für das Einhalten der Menschenrechte einzusetzen, hat auch mit Wachsamkeit in der eigenen Umwelt zu tun. 

Werte für Jugendliche heute besonders wichtig

„Die Vermittlung von Werten ist an unserer Schule besonders wichtig“, sagt Schulleiter Martin Steinel. Gerade in der heutigen Welt mit vielen Veränderungen sei es wichtig, den Kindern Werte wie zum Beispiel Respekt, Fairness oder Selbstbewusstsein mitzugeben. „Die Kinder müssen wissen, wo sie stehen.“ 

Laura Zech und ihre Mitschüler haben in den zwei Coaching-Terminen, die jede Klasse der Schule erhalten hat, viel gelernt. Sie sagt: „Von Angriffen in der Öffentlichkeit hört man immer wieder, das kann auch hier passieren“. Durch die Praxis-Beispiele im Seminar fühlen sie und ihre beiden Mitschüler Luca Werner und David Schneider sich gestärkt. 

David Schneider (v.l.), Laura Zech und Luca Werner aus der 12. Klasse des Franz-Miltenberger-Gymnasiums berichten über das Zivilcourage-Training.       -  David Schneider (v.l.), Laura Zech und Luca Werner aus der 12. Klasse des Franz-Miltenberger-Gymnasiums berichten über das Zivilcourage-Training.
Foto: Julia Raab | David Schneider (v.l.), Laura Zech und Luca Werner aus der 12. Klasse des Franz-Miltenberger-Gymnasiums berichten über das Zivilcourage-Training.

Dem 18-jährigen David Schneider sind solche oder ähnliche Situation noch nicht untergekommen. „Hier auf dem Land kennen wir uns, da ist die Hemmschwelle vermutlich höher“, sagt er. Mitschüler Luca Werner meint: Dennoch habe das Land auch Nachteile. Besonders bei Mädchen seien die Eltern vorsichtig, da in der Nacht niemand auf der Straße ist, der helfen könnte. 

Von „Opferplätzen“ Abstand halten

Luca Werner setze sich intuitiv im Bus so hin, dass kein Fremder sich daneben setzen kann. Besonders die letzte Reihe im Bus, von polizeilicher Seite aus der Erfahrung heraus auch gerne die „Opferplätze“ genannt, meidet er besonders zu später Stunde. 

Psychologin Berthold betont: „Auch wenn du Zeuge einer Situation wirst und dich nicht traust einzugreifen, kannst du immer noch die Polizei anrufen.“ Dafür sei diese Stelle zuständig und könne einschätzen, ob man als Zeuge für eine Aussage oder eventuell eine Personenbeschreibung gebraucht wird. 

 

 
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