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Bad Kissingen
Zerstörte Synagoge: Eichen als schweigende Zeitzeugen dunkler Kissinger Stadtgeschichte?
Sind die alten Eichen in der Maxstraße Zeitzeugen einer Zeit, als die jüdische Synagoge noch stand? Eine Spurensuche.
Norbert Klodwig hat eine Vermutung. Die Bäume in der Maxstraße sind Zeitzeugen Bad Kissinger Stadtgeschichte. Auf alten Bildern der Synagoge hat er die Eichen entdeckt. Das Stadtarchiv bewertet seine Theorie skeptisch. Foto: Charlotte Wittnebel-Schmitz       -  Norbert Klodwig hat eine Vermutung. Die Bäume in der Maxstraße sind Zeitzeugen Bad Kissinger Stadtgeschichte. Auf alten Bildern der Synagoge hat er die Eichen entdeckt. Das Stadtarchiv bewertet seine Theorie skeptisch. Foto: Charlotte Wittnebel-Schmitz
| Norbert Klodwig hat eine Vermutung. Die Bäume in der Maxstraße sind Zeitzeugen Bad Kissinger Stadtgeschichte. Auf alten Bildern der Synagoge hat er die Eichen entdeckt. Das Stadtarchiv bewertet seine Theorie skeptisch.
Charlotte Wittnebel-Schmitz
 |  aktualisiert: 17.08.2022 09:20 Uhr

Viel erinnert nicht an die ehemalige jüdische Synagoge . Wo sie früher stand, sind heute Räume der Verwaltung: Standesamt und Bestattungswesen, Servicemanagement, die zentrale Vergabestelle, das Referat Tiefbau und die Volkshochschule. Eine kleine Gedenktafel steht in der Maxstraße 23, dort, wo das von Nationalsozialisten zerstörte Gebäude früher stand. Will ein Besucher das Haus betreten, läuft er einen Treppenaufgang hoch, an dessen rechter und linker Seite zwei alte Eichen stehen. Die Bäume sind dem pensionierten Lehrer Norbert Klodwig aufgefallen. Er entdeckte im Buch "Jüdisches Leben in Bad Kissingen " auf alten Fotografien, auf denen die Synagoge zu sehen ist, zwei Bäume, die an derselben Stelle zu stehen scheinen, wie die beiden Eichen heute. Daraus folgerte er: "Die Synagoge ist nicht mehr da, aber die Bäume stehen noch."

Alte Synagoge in Bad Kissingen: These wird von Fotografien gestützt

Seine These stützen zwei Abbildungen. Auf einem Foto, das von dem Weg vom überdachten Gang des Rathauses hin zur Maxstraße aufgenommen wurde, sind zwei Bäume zu sehen, die vom Standort und der Beschaffenheit den heutigen Eichen ähneln. Ein anderes Foto, das an der Kreuzung aufgenommen wurde, wo die Spitalgasse die Maxstraße trifft, bestätigt die Annahme.

Sind die alten Eichen also verbleibende Zeitzeugen, die an die Synagoge erinnern? "Das könnte schon sein", sagt Wolf-Dieter Jacob vom Jacob-Baumpflege und Sachverständigenbüro. Vom Alter der Bäume könnte es hinkommen. "Die Bäume könnte zwischen 100 und 150 Jahre alt sein - mal vorsichtig gesagt." Alle drei bis fünf Jahre überprüft Jacob, wie gesund die Eichen sind und ob sie sicher stehen. Von den Bäumen soll keine Gefahr ausgehen, wenn es stürmt. Deshalb seien sie schon öfter in der Krone gekürzt und beschnitten worden. Auch Pilzbefall mache den Bäumen Probleme. Jacob hat die beiden Aufnahmen gesehen und bestätigt: "Ich denke, das sind die Bäume."

Bäume vor der Synagoge: Stadtarchiv ist skeptisch

Die Mitarbeiterinnen des Bad Kissinger Stadtarchivs äußern Bedenken. Sie haben verschiedene Postkarten aus der Zeit durchgesehen, auf denen die Bäume nicht zu finden sind. Die Aufnahmen lassen sich auch mithilfe von Google finden, wenn man " Bad Kissingen Synagoge " eingibt.

Eichen: Stadtheimatpfleger grenzt den Zeitraum ein

Stadtheimatpfleger Peter Kaidel hat sich das dritte Album "Historische Postkarten " von Edi Hahn und Josef Bötsch angesehen. Kaidel geht davon aus, dass die beiden Eichen erst später dazu kamen.

Erschwerend bei der Beantwortung der Frage, ob die Bäume standen, als es die Synagoge noch gab, kommt hinzu, dass die Postkarten selten genau datiert sind, sodass sie sich nicht zweifelsfrei einem bestimmten Jahr zuordnen lassen. Sollte die Annahme stimmen, dass es die Eichen gab, als die Synagoge noch stand, dann gab es die Bäume vermutlich erst ab den späten 1920er oder frühen 1930er Jahren, denn auf Postkarten davor sind sie nicht zu sehen. Zweifelsfrei bleibt: Die alten Postkarten und Fotos aus der Zeit zeigen, was für ein imposantes Haus der Architekt Carl Krampf bauen ließ.

Die "Neue Synagoge " wurde 1902 eingeweiht. "Die Synagoge war Ausdruck der gelungenen Integration, der Heimatverbundenheit und des Glaubens der Kissinger Juden . Ihre Zerstörung markierte den Untergang einer jahrhundertealten jüdischen Gemeinde." Das steht heute auf der Gedenktafel in der Maxstraße.

Pogromnacht in Bad Kissingen

Bad Kissinger SA- und SS-Leute entzündeten in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in der Synagoge ein Feuer, das sie zerstörte . Etwa vier Monate später, am 17. März 1939, beschloss der Baubeirat des Bad Kissinger Stadtrates die Synagoge abzureißen. Dem stimmte der Kissinger Stadtrat im April 1939 zu.

Hans-Jürgen Beck und Rudolf Walter schreiben dazu in ihrem Buch "Jüdisches Leben in Bad Kissingen ": Der Abbruch der Synagoge sei weder aus bautechnischen, noch aus wirtschaftlichen Gründen zu rechtfertigen gewesen. "Was hier geplant und dann auch in die Tat umgesetzt wurde, war mehr als die bloße Zerstörung eines Gebäudes . Der Abbruch des Gotteshauses der israelitischen Kultusgemeinde zielte in letzter Konsequenz auf die vollkommene Beseitigung der Spuren jüdischen Lebens in Bad Kissingen . Mit ihrer Synagoge sollten auch die Kissinger Juden aus dem Bewusstsein der Bevölkerung entfernt werden."

Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge im Internet

Digitale Projekte versuchen heute, die Erinnerungen wach zuhalten. Im Internet lässt sich eine virtuelle Rekonstruktion der Synagoge betrachten.Wer sie sich ansehen möchte, muss nur bei Google "Biographisches Gedenkbuch Bad Kissingen " eingeben und dann auf der Seite, die als erstes angezeigt wird, auf den Reiter "Historisches" klicken.

 
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Kommentare
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  • E. B.
    an ticktricktrack:
    Natürlich muss man "es" nicht immer gebetsmühlenartig wiederholen. Aber wenn man über die Bäume berichtet, gehört das einfach dazu. Und, ehrlich, es gibt auch Leute, die interessiert das und Sie werden wohl täglich Artikel in der Zeitung sehen, die sie nicht interessieren und da gehört das einfach mit dazu.
    Zum "Volksstamm": Eine pauschale Verurteilung eines Volkes lehne ich ab, was Sie ja tun. Im Umkehrschluss müssten alle, die jüdischen Glaubens sind, uns Deutsche hassen. Die Politik des Staates Israel sollte man beurteilen dürfen und hat mit Antisemitismus nichts zu tun. Diesen "Schuh" ziehen Sie sich selbst an. Und niemand redet Ihnen ein schlechtes Gewissen sein.
    Aber passen Sie auf, dass Ihnen in Ihrem Wohnort nicht Nachkommen ehemals jüdischer Bürger über den Weg laufen oder Sie sogar mit diesen Kontakt haben. Es gibt einige, die teilweise durch die arische Ehe geschützt waren und deren Nachkommen weiter im Ort und den Ortsteilen leben.
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  • E. B.
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  • R. A.
    Warum sollte man überhaupt darüber schreiben?
    Schnee von gestern, auch wenn es einige nicht so sehen.
    Man muss es nicht immer wieder
    Gebetsmühlenhaft wiederkäuen.
    Es gibt Menschen, die interessiert das nicht.
    Auch wenn uns gerne mal Ignoranz unterstellt wird, nicht jeder ist ein Freund dieses Volkstammes, da man dann automatisch Antisemit ist. Stimmt nicht, man mag sie einfach nicht. So einfach kann das Leben sein.
    Ich lass mir deswegen kein schlechtes Gewissen einreden lassen.
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  • E. B.
    Warum schreibt man "jüdische" Synagoge? Die Schüler in der 6. Klasse lernen spätestens im Religionsunterricht, was das ist.
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  • B. C.
    Warum solte man es nicht schreiben?
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