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Roßbach
Zeitlofs macht mobil: Energiewende als Bürgerprojekt
Ein Arbeitskreis will Umwelt-Projekte antreiben, bevor es auswärtige Investoren tun. Die Macher könnten von Erfahrungen aus Großbardorf profitieren.
Reinhold Behr von der Energiegenossenschaft Großbardorf erklärte in der Alten Schule Roßbach, wie Erneuerbare-Energien-Projekte in seinem Ort so laufen. Etwas Ähnliches könnte auch im Markt Zeitlofs entstehen.       -  Reinhold Behr von der Energiegenossenschaft Großbardorf erklärte in der Alten Schule Roßbach, wie Erneuerbare-Energien-Projekte in seinem Ort so laufen. Etwas Ähnliches könnte auch im Markt Zeitlofs entstehen.
Foto: Steffen Standke | Reinhold Behr von der Energiegenossenschaft Großbardorf erklärte in der Alten Schule Roßbach, wie Erneuerbare-Energien-Projekte in seinem Ort so laufen. Etwas Ähnliches könnte auch im Markt Zeitlofs entstehen.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:10 Uhr

Nach der Pause verließen einige der rund 60 Zuhörer den Saal. Allerdings weniger, als Volker Roth befürchtet hatte. Der Stellvertretende Zeitlofser Bürgermeister und vier Gleichgesinnte suchen Mitstreiter für einen Arbeitskreis Bürgerenergie. Diese sollten sich aus dem Publikum einer Infoveranstaltung in der Alten Schule Roßbach rekrutieren. Doch was wollen Roth & Co. erreichen?

Zwei geplante Photovoltaikanlagen bei Detter und Weißenbach – eine vom Gemeinderat abgelehnt, die andere befürwortet – haben die Fünf hellhörig gemacht. Weil jeweils auswärtige Investoren sie auf den Weg bringen woll(t)en.

Goldgräberstimmung im Markt Zeitlofs

Überhaupt hat Roth „Goldgräberstimmung“ ausgemacht, was Zeitlofser Wald und Flur betrifft. Das gelte auch für den Roßbacher Forst, wo die „€-Co-Partner Peter Richnow, Klaus-Dieter Giese Co. GbR“ aus Eberswalde gerne bis zu 19 Windräder errichten will.

Unter dem Deckmantel von Klimarettung und Umweltschutz würden Investoren versuchen, sich im ländlichen Raum Schürfrechte, also geeignete Flächen, über Jahre im Voraus zu sichern. Geködert werde mit verhältnismäßig hohen Pachtsummen, die baurechtliche Seite oft erst hinterher geprüft.

Zeitlofser haben nichts vom Ertrag

Das Problem in den Augen des Roßbachers: Trotz vollmundiger Versprechungen der vorstelligen Entwickler hätten die Menschen vor Ort wenig bis gar nichts von den Projekten, weil Gewinn und Wertschöpfung irgendwohin abfließen. Zusätzlich könnten Wildwuchs und Unbeherrschbarkeit der Projekte die Akzeptanz in der Bürgerschaft verhindern und Unmut schaffen.

Volker Roth war sich mit Gemeinderat Alexander Keßler aus Detter, Alfred von Thüngen und zwei weiteren Mitstreitern einig: Dagegen muss man etwas tun. Wobei es den Fünfen ausdrücklich nicht um die Verhinderung von Erneuerbare-Energien-Projekten geht. Vielmehr wollen sie gemeinsam mit allen Zeitlofsern eigene Ideen umsetzen.

Energiewende steuern, nicht verhindern

„Auch wir wollen unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Aber nicht fremdgesteuert, sondern die Steuerung durch den Aufbau einer durch Bürger organisierten Energieerzeugung selbst in die Hand genommen. Bürgerverträglich, akzeptiert und die Wertschöpfung in der Region haltend“, sagte Roth bei der Veranstaltung am Donnerstagabend.

Mit dem zu gründenden Arbeitskreis wolle man das Potenzial möglicher Erneuerbare-Energie-Anlagen ausloten, gewichten und Umsetzungschancen prüfen. „Hierfür suchen wir Bürger, die mit Ideen, Engagement und Leidenschaft zu unserer Idee dem Arbeitskreis heute oder in den nächsten Tagen beitreten, um Verantwortung zu übernehmen und die Gruppe proaktiv und konstruktiv zu unterstützen.“

Expertenrat aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld

Nun wissen die wenigsten im Markt Zeitlofs, wie eine „bürgerbewegte Energiewende “ geht. Deswegen hatten die Initiatoren sich einen Experten aus einem Ort geladen, wo man offensichtlich weiter ist: Reinhold Behr aus Großbardorf (Landkreis Rhön-Grabfeld).

Dieser verdient sein Geld zwar hauptberuflich bei der Deutschen Telekom . Daneben fungiert er aber als Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Energiegenossenschaft Großbardorf.

Gründer der Energie-Genossenschaft

Begeistert und ausführlich berichtete Behr über die Gründung der Bardorfer Genossenschaft. Er referierte über das durch eine regionale Bank finanzierte Bürgersolarkraftwerk, dessen Investitionskosten sich nach 13 statt nach 16 Jahren amortisiert hätten. Das eine Rendite von 5,9 Prozent abwerfe und der Gemeindekasse bisher 411.632 Euro an Gewerbesteuer gebracht habe.

Behr berichtete über ein per Biogasanlage gespeistes Nahwärmenetz. Seit 2011 versorgt es große Teile Großbardorfs.

Auf den Tribünendächern des dortigen TSV (Fußball-Bayernliga) und dem Bauhof prangen seit ein paar Jahren Solarmodule – das Pilotprojekt der Energiegenossenschaft. Insgesamt beteiligten sich 46 Mitglieder mit 78 Anteilen.

Investition von 36 Millionen Euro

Schließlich sprach Behr über die Bürgerwindanlage Großbardorf-Sulzfeld. Dort würden sich vier Räder mit einer Nabenhöhe von 140 Metern drehen. 25 Prozent der daran Beteiligten stammten aus Großbardorf und Umgebung.

Insgesamt kam der Genossenschaftler auf eine Investition von 36 Millionen Euro für alle genannten Anlagen. Das Eigenkapital liege bei neun Millionen Euro , davon die Hälfte beigesteuert von Großbardorfern. Erneuerbare Energien hätten Arbeitskräfte und eine Firma ins Dorf gebracht, es attraktiver gemacht.

Herausfinden, welche Energieform man will

Den Anwesenden in Roßbach gab Reinhold Behr mit, für sich herauszufinden, welche alternative Energie für sie sinnvoll wäre: Photovoltaik, Biowärme oder gleich Windkraft. Dann sollten sie ihre eigenen Ressourcen prüfen – sowohl die menschlichen als auch die verfügbaren Flächen. Und dann müsse Unterstützung her, vor allem von der Gemeinde.

Ein gutes Dutzend Mitstreiter

„Eine Genossenschaft ist ein gutes Modell“, schloss Reinhold Behr, auch wenn die Organisation gerade am Anfang viel Zeit koste. „Doch ich kann euch sagen: Langfristig lohnt sich das.“ 

Doch wer würde mitmachen? Nach der Pause saßen noch rund 40 Menschen im Saal. Knapp zehn von ihnen hoben die Hand, als Volker Roth nach Beteiligung in der Arbeitsgruppe fragte. Gemeinsam mit den Initiatoren kommt man also auf ein reichliches Dutzend Mitstreiter. Für Roth eine gute Grundlage; schließlich kann nicht jeder immer dabeisein. 

Der Arbeitskreis will sich fortan regelmäßig treffen, um das Projekt Bürgerenergie voranzubringen.

 
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