
Eine Woche im Kreis Bad Kissingen , die es in sich hatte: ein verletztes Pferd in Hausen, ein gerissenes Kalb in Rottershausen , eine Wolfssichtung oberhalb von Winkels. Die Weidetierhalter sind beunruhigt – und auch sauer. Fordern sie doch unisono, dass der Wolf "reguliert", sprich geschossen werden müsse.
Edgar Thomas: "Es gleitet uns aus den Händen."
Was sagen die heimischen Politiker? Nachgefragt bei Staatssekretär Sandro Kirchner (CSU) und Landrat Thomas Bold (CSU). Uwe Friedel, Wolfsexperte vom Bund Naturschutz, hat ebenfalls eine klare Haltung: Im Herdenschutz liege die Lösung, doch in manchen Fällen helfe wirklich nur der gezielte Schuss. Und Edgar Thomas , Landwirt und Kreisobmann im Bauernverband sagt: "Es gleitet uns aus den Händen."

Sandro Kirchner (CSU) aus Premich, Staatssekretär im Innenministerium, wird zum Thema Wolf in der Rhön und rund um Bad Kissingen deutlich: "Wenn es uns nicht gelingt, auf politischer und rechtlicher Ebene ein regionales Wolfsmanagement hinzubekommen, dann sehe ich die Gefahr, dass wir die Weidehaltung auf Dauer verlieren." Und dann würde die Rhön auf Dauer ihre Kulturlandschaft verlieren, die erst durch die Beweidung sich so entfaltet, wofür die Rhön berühmt ist – das Land der offenen Fernen. "Ich bin klar dafür, dass der Wolf reguliert wird", sagt Kirchner, der auch Jäger ist.

Landrat Thomas Bold : "Ich sehe mit Sorge, dass die Anzahl der Übergriffe auf Nutztiere durch den Wolf vor allem in der Rhön ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen hat. Zu den von Ihnen geschilderten Vorfällen in Bad Kissingen und Rottershausen gibt es noch keine Bestätigung seitens des Landesamts für Umwelt. Sollte diese erfolgen, würde dies für eine weitere räumliche Ausdehnung der Wölfe sprechen."
Landrat Bold: "Rücken immer mehr in die Nähe von Menschen."
Bold in einer E-Mail an die Redaktion: "Wölfe reißen unsere Weidetiere und rücken immer mehr in die Nähe von Menschen. Das zeigt, dass sie ihre natürliche Scheu verloren haben. Unter den derzeit gesetzlichen Rahmenbedingungen ist ein funktionierendes Nebeneinander von Wolfspopulation und Weidetierhaltung nicht mehr möglich."
"Bestandsregulierung erforderlich"
Für die Rhöner spiele die Weidetierhaltung eine wichtige Rolle. Wenn Nutztiere gerissen werden, treffe das ganz besonders Klein- und Familienbetriebe, so Bold. Um den Fortbestand der Weidewirtschaft zu sichern und Menschen und ihre Tiere zu schützen, "zu denen die Halterinnen und Halter ja auch ein enges Verhältnis aufgebaut haben", seien Maßnahmen der aktiven Bestandsregulierung erforderlich, die Obergrenzen für die Wolfspopulation sowie anlassunabhängige Entnahmemöglichkeiten beinhalten. "Dies muss auf Bundesebene dringend geregelt werden."

Klaus Müller , der Rinderzüchter in Rottershausen , hat selbst gehandelt. Nachdem ein Kalb aus seiner Herde gerissen wurde, brachte er ein Schild an der Weide an: "Achtung Wolfsland" ist dort nun warnend zu lesen. Bolds Kommentar dazu: "Eigeninitiativen müssen sich im Rahmen der geltenden Vorschriften halten."

Edgar Thomas , Landwirt und Kreisobmann im Bauernverband: "Wir müssen den Wolf regulieren und das möglichst schnell, es gleitet uns aus den Händen." Seit in der Rhön ein Wolf geschossen worden ist, "ist es da oben Gott sei Dank ein bisschen ruhiger". Jedoch: Dem Wolf müsse beigebracht werden, dass Siedlungen für ihn tabu sind. "Und wenn wir das nicht schnell schaffen, dann kriegen wir Probleme." Auch er hat bei Rottershausen Tiere auf der Weide, "da fahren wir jetzt oft zur Kontrolle vorbei."

"Wölfe, die gerissen haben, müssen schnell geschossen werden, auch wenn es noch so ein schönes und faszinierendes Tier ist", sagt Thomas, dessen Lieblingsfilm ausgerechnet "Der mit dem Wolf tanzt" ist, wie er erzählt. "Der Wolf hat genug Futter im Wald. Wenn er eingezäunte Bereiche betritt, ist das für ihn im Wortsinn ein gefundenes Fressen."
Naturschützer: Manche Wölfe müssen geschossen werden...
Oberflächlich betrachtet könnte man erstaunt sein, wie viele Schnittmengen der Landwirt Thomas mit Uwe Friedel hat. Friedel ist der Wolfsexperte vom Bund Naturschutz. Er sagt: "Wölfe, die gelernt haben, die Herdenschutzmaßnahmen wie beispielsweise Zäune zu überwinden, müssen geschossen werden."
...aber in erster Linie helfe Herdenschutz
Und jetzt kommt sein Aber: "In allererster Linie hilft der Herdenschutz gegen den Wolf." Bei den Vorgängen in der vergangenen Woche rund um Bad Kissingen tippt er auf einen durchziehenden, mobilen Wolf. Er tut das sehr vorsichtig, da noch keine offizielle Bestätigung seitens des Landesamts für Umwelt vorliegt, ob tatsächlich ein Wolf das Kalb gerissen hat. Noch läuft der Vorgang als "Verdachtsfall".

Einen einzelnen, durchziehenden Wolf, der Weidetiere reißt, könne man nicht verhindern. "Wer anderes behauptet, streut den Menschen Sand in die Augen." Worauf er baut: Herdenschutz , Herdenschutz , Herdenschutz .
Er berichtet über einen Vergleich zwischen Norwegen und Schweden. "Beide Länder bejagen den Wolf schon lange. In Norwegen reißt ein Wolf 40-mal so viele Schafe wie in Schweden." Der Unterschied: In Norwegen wird die Freiweide praktiziert, die Tiere laufen dort unbeaufsichtigt über die Wiesen, auch fehlen Herdenschutzhunde. In Schweden hingegen werde die Herde durch Zäune oder Hunde geschützt.
Bund Naturschutz: Gegen generelle Tötung
"Entscheidend für Deutschland ist die Anzahl der ungeschützten Weidetiere – Gelegenheit macht Diebe", sagt Friedel. Und wenn ein Tier sich unter der ersten Litze durchgrabe oder über einen 1,20 Meter hohen Zaun springe, dann müsse dieses Tier auch geschossen werden dürfen, so Friedel. "Das sind aber gezielte Maßnahmen." Er ist dagegen, Tiere zu schießen, die keinen Schaden angerichtet haben.

Der Wolf habe ein unendliches Alternativangebot an Beute im Wald. "Aber Schafe ohne Schutz sind die einfachste Beute." Friedel sagt auch: " Herdenschutz ist sehr aufwändig. Wölfen muss im frühen Stadium klargemacht werden, dass es wehtut, in eine Weide einzudringen."
Naturschutz: Mehr Unterstützung für Herdenhalter
Er sieht die Möglichkeit in einer "ordentlichen Spannung" auf dem Weidezaun . Oder in Herdenschutzhunden. Und sieht auch die Seite der Landwirte: " Herdenschutz ist mit großen Zusatzkosten und Aufwand verbunden – und da müssen die Herdenhalter mehr unterstützt werden."
Stichwort Herdenschutzhunde: "Da kommen mit Futter und Tierarztkosten bei zwei Hunden schnell 4000 bis 5000 Euro im Jahr zusammen – und das kommt für den Landwirt on top." Dazu seien die sehr speziellen Hunde nicht für jedermann ideal in der Haltung. "Und selbst wenn der Staat 80 Prozent dazugibt, ist es immer noch viel für die Landwirte."

Ein einfaches "sollen sie die Herde halt schützen" ist für ihn sehr verkürzt dargestellt, denn dabei seien die Belange der Herdenhalter nicht ausreichend berücksichtigt. Denn nicht zu vernachlässigen seien auch die Emotionen, die mit einem Riss einhergehen. "Die Menschen lieben ihre Tiere." Deshalb müsse man beständig im Dialog bleiben. "Wir vom Bund Naturschutz gehen sehr oft zu den Betroffenen, wir reden. Zu 99 Prozent sind das gute Gespräche, in denen auch mal Dampf abgelassen wird." Er hat festgestellt: "Es ist einfacher, mit den Tierhaltern zu sprechen, wenn die Politik nicht ins Spiel kommt und Versprechungen macht, die sie eventuell nicht einhalten kann – oder das Thema gar im Wahlkampf nutzt."
Friedel: "Subjektive Angst ist völlig nachvollziehbar"
Und eins ist Uwe Friedel noch wichtig, auch wenn "subjektiv die Angst völlig nachvollziehbar" sei: "Der Mensch braucht sich nicht sorgen, dass er vom Wolf angegriffen wird. Das wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vorkommen." Seit vielen Jahrzehnten lebe der Wolf in Europa und es gebe keine ernsthaften Angriffe. "Der Mensch gehört nicht ins Beutespektrum der Wölfe."
Jedoch ist es unzulässig, dies allein auf den Herdenschutz zurück zu führen.
Auch ist der Jagddruck in Schweden mit den kompromisslosen Entnahmen auffälliger Tiere sowie den darüber hinaus gehenden jährlichen Quotenjagden eben einfach höher.
Der schlaue Wolf lernt so, sich vom Menschen und dessen Siedlungen sowie Weiden etc fern zu halten.
Außerdem wird - was den Herdenschutz betrifft - Deutschland in Teilen (Bundesländer mit extremer Wolfsdichte) schon weiter sein, als Schweden.
Was soll man sich dort also noch abschauen?
Genau:
Dass die Bejagung der Wölfe das Problem der Risse wirksam mindert.
Also worauf warten?