
Schon viele Jahre hegt Wolfgang Fläschner aus Bad Brückenau einen Traum: Einmal mit dem Motorrad an den Pazifik. 2019 sollte diese Reise losgehen – noch vor Pandemie und Krieg in Europa. Doch am Baikalsee musste er seinen Traum vorerst auf Eis legen. Sein Arbeitgeber brauchte ihn in der Heimat.
Dann kam es Schlag auf Schlag, die bekannten Einschnitte in das öffentliche Leben brachten seine Pläne zum Erliegen. Aufgeben wollte er den Traum allerdings nicht. „Ich bin 61 Jahre alt. Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte sich Fläschner schließlich. Genau wie sein 65-jähriger Motorradfreund und Reisepartner Henning Willig aus Karlsruhe traf er die Entscheidung: „Jetzt oder nie.“
Neun Wochen insgesamt auf Russlandtour
Im Mai dieses Jahr ging es los. Ein Halbjahresvisum über eine russische Visazentrale stellte in der Beschaffung erstaunlicherweise kein Problem dar. Auch ein russisches Bankkonto sollten sie bei ihrer Reise begleiten, damit sie nicht so viel Bargeld mitführen mussten. Neun Wochen planten sie insgesamt ein.

Einreise über die Ukraine unmöglich
Als Einreiseland wählten die beiden die weite Route über Lettland. Eine Einreise über die Ukraine, wie Fläschner es bereits vor Jahren machte, war natürlich nicht möglich. An der Grenze kamen ihnen bereits ukrainische Flüchtlinge entgegen. Die Einreise dauerte Stunden, manche Autos standen sogar eine Woche. „Alle Papiere wurden mehrfach untersucht und durchgeblättert“, erinnert sich Fläschner.
Über Peterburg nach Wladiwostok
Dann ging die Fahrt in Russland weiter. In St. Petersburg wurden die exotischen Biker das erste Mal direkt angesprochen. „Die Leute waren begeistert, dass es noch Menschen gibt, die Russland besuchen“, sagt Fläschner. Überall wurden sie freundlich behandelt. Vom Embargo gegenüber Russland haben sie selbst nichts mitbekommen. „Es gibt alles zu kaufen, auch europäische oder amerikanische Marken“.
Gesehen hat er das unter anderem an der russisch-chinesischen Grenze. Dort fuhren riesige und neue Lkw über die Grenze und brachten unter anderem westliche Ware nach Russland. Bekanntlich fließt der Handel zwischen China und Russland seit dem Handelsstopp zwischen dem Westen und Russland umso besser. Ob das der richtige Weg ist, den Europa einschlägt, bezweifelt Fläschner nach seinen Erlebnissen in Russland.
Heißes Russland und Dauerregen
Nach St. Petersburg führte sie die Route über den Ural nach Jekaterinburg. In Westsibirien fuhren sie bei 40 Grad Celsius durch heißes Land und Schwelbrände. Im Osten regnete es hingegen häufig. Bei Wind und Wetter saßen sie zwischen acht und zehn Stunden täglich auf den Maschinen.
Manchmal gab es nicht mal ein Dorf zwischen Abfahrt und Ankunft. „Und die Straßen waren durch die extremen Wetterverhältnisse sehr beschädigt.“ Besonders östlich des Baikalsees war die Straße durch den Wechsel zwischen Hitze und Kälte dauernd kaputt. „Das war schon anstrengend.“
Krieg ist präsent
Und was, wenn die Motorräder im Nirgendwo kaputt gegangen wären? „Ich bin Metallbaumeister und technisch hätten wir da eine Lösung gefunden.“ Aber ganz ohne Risiko, gibt Fläschner zu, war die Reise natürlich nicht.
Begleitet hat die beiden Männer auf der ganzen Fahrt die Gastfreundschaft der Russen. Auch der Krieg war präsent. So sahen sie viele Werbeplakate für das Militär und in Moskau auf dem Heimweg kamen sie an einer Gedenkstätte für russische Gefallene vorbei. Seine Erfahrung: „Der Krieg ist in Russland präsenter, als uns hier drüben vermittelt wird.“
Einen Groll gegen sie hat Fläschner zum Glück nicht erlebt. Aber der gegen Amerika sei nach wie vor groß. „Wir Europäer werden dort eher als Opfer der amerikanischen Außenpolitik gesehen“, so seine Erfahrung.
Unterm Strich nahm er eine Sehnsucht der Menschen nach Frieden wahr. „Die Leute wollen reisen und frei sein.“ In Wladiwostok kamen sie schließlich am japanischen Meer an. Dort verluden sie die Motorräder auf die Eisenbahn und fuhren nach Irkutsk, von dort flogen sie nach Moskau, um den Rest der Reise wieder mit dem Motorrad nach Deutschland zu fahren.
Unvergessliche rund 20.000 Kilometer
Für Fläschner und seinen Freund aus Karlsruhe waren das unvergessliche rund 20.000 Kilometer quer über die Kontinente. Bemerkenswert ist auch diese Erkenntnis: „Während der gesamten acht Wochen in Russland trafen wir nur einen einzigen Touristen aus Frankreich.“ Und falls es ihn nochmal nach Russland ziehen sollte: „Dann wäre mir die Route über die Ukraine in Friedenszeiten am liebsten.“
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Ich wünsche mir, dass Herr Fläschner mindestens so viel Geld wie er für diese Reise ausgegeben hat an eine Hilfsorganisation für Flüchtlinge spendet.