
Leicht hatten es Maria-Antonette Graber und Lothar Menzel von der Regierung von Unterfranken sicher nicht: Im Haus des Gastes in Oberbach saßen sie einer breiten ablehnenden Front von Gemeinderäten (und dahinter Zuschauern) gegenüber. Unsachlich oder gar feindselig wurde es zwar nie. Aber stetig prasselten Argumente auf die beiden Behördenvertreter ein. Nicht nur von vorn, sondern auch von der Seite, wo Bürgermeister Gerd Kleinhenz (FWW) saß.
Was war der Anlass für diese Szene im Wildfleckener Gemeinderat ? Die Regierung sucht händeringend Orte, wo sie "Flüchtlinge beziehungsweise Menschen mit anerkanntem Schutzstatus außerhalb eines Asylverfahrens" unterbringt. Zu diesen Menschen mit besonderem Status, die arbeiten dürfen und gegebenenfalls Sozialleistungen erhalten, gehören auch afghanische Ortskräfte. In Wildflecken sollen acht Familien dort unterkommen, je nachdem, wieviele Mitglieder sie haben, bis zu 50 Menschen.
Laut Graber, bei der Regierung Sachgebietsleiterin Flüchtlingsbetreuung und Integration, ist "die Suche nach Unterkünften nicht einfach. Wir sind auf jeden Ort, den wir bekommen können, angewiesen."
Da traf es sich gut, dass ein Investor auf die Regierung zukam. "Ursprünglich hat er uns vier Häuser angeboten", sagte Grabers Mitarbeiter Lothar Menzel. Diese hat der Investor erst im Oktober bei einer Zwangsversteigerung erworben, dem Vernehmen nach für 480 000 Euro. Bei dem Käufer handelt es sich laut Menzel um den Vermieter der Flüchtlingsunterkunft in Volkers, "ein zuverlässiger und integrer Mann".
Man habe intensive Verhandlungen über zwei der Gebäude mit ihm geführt. Einen Vorvertrag gebe es nicht; man feile an einem Entwurf für einen Mietvertrag. Der soll auf zehn Jahre geschlossen werden, gab Graber bekannt. Die beiden maroden Blöcke in der Rothenrainer Straße und in der Dörrenbergstraße sollen "menschengerecht" saniert und zeitnah bezogen werden, möglichst vier Monate nach der Unterschrift unter den Mietvertrag.
Die Liste der Bedenken zu dem Vorhaben war lang. Den Anfang machte Bürgermeister Kleinhenz, der an die großen Belastungen der Marktgemeinde in der Vergangenheit erinnerte (wir berichteten). "In vielen Fällen war der soziale Frieden oft in Gefahr." Es sei viel unternommen worden, um Normalität herzustellen.
Kleinhenz wies auch auf die überfüllten Kindergärten und -krippen in Wildflecken und Oberbach hin. Im Hauptort gebe es zwei Einrichtungen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, was sich im Ortsbild widerspiegelt. Auch fürchtete er um einen Wertverlust umliegender Immobilien.
Wolfgang Illek ( CSU /PWG/OWII) kritisierte die Vorgehensweise der Regierung . Man hätte vorher mit der Gemeinde reden können, meinte er.
Gemeinderatskollege Christoph Schmitt (PWW) bezweifelte, dass es mit der Betreuung der Ortskräfte durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband und die Caritas in Bad Kissingen klappt. "Warum sucht man sich einen Ort aus, der am Rande der Zivilisation liegt?", fragte er. Die Ortskräfte bräuchten bestmögliche Chancen. Es gebe kaum Busse , die zu den Behörden nach Bad Kissingen fahren. Und wenn, dann sei die Fahrtzeit enorm.
Vanessa Dorn (PWW) argumentierte ähnlich. 50 Ortskräfte seien zu viel. Sie fürchtete, dass sich die Familien nach außen abschotten. Eventuelle Arbeitsstellen sein nicht fußläufig zu erreichen.
Zu großer Schießlärm vom Übungsplatz?
Herbert Nowak ( CSU /PWG/OWII) kritisierte, dass die Regierung nur dem Zwang folge, die Menschen unterbringen zu müssen. Da werde bei der "Eignungsprüfung" nur auf das Angebot eines Objektes geschaut, nicht auf das Umfeld. Nowak verwies auf den Widerspruch zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Afghanen, die aus Kriegsgebieten kämen, und den fast wöchentlichen Schießübungen auf dem Truppenübungsplatz.
Klaus Rest (PWW) verwies auf die seiner Meinung nach unzureichende Versorgungsstruktur im Markt Wildflecken . Zwei Jahre habe man für Oberbach nach einem Allgemeinarzt gesucht; eine Apotheke gebe es nicht. Kleidung könne man in Wildflecken keine kaufen. Rest fragte, wie realistisch es sei, dass die Ortskräfte den Führerschein machen, um nicht mehr auf den ÖPNV angewiesen zu sein. Auch könne Wildflecken nicht einfach neue Infrastruktur schaffen, zum Beispiel einen Kindergarten bauen. Es bestünden finanzielle Zwänge, so durch die aufwendige Sanierung der Grundschule und den angestrebten Bau einer neuen Kläranlage.
Graber und Wenzel versuchten, die Bedenken zu zerstreuen. Probleme mit den Ortskräften gebe es in den schon bestehenden Übergangswohnheimen nicht. Die Leute kämen in geschützte Wohnbereiche. Die soziale Betreuung funktioniere gut. Um diese zu gewährleisten, müsse man Kapazitäten bündeln. Fußläufig erreichbar seien Einkaufsmarkt, Schule und Kindergarten. Der Bedarf, nach Bad Kissingen zu fahren, sei nicht so groß. Viele Menschen mit besonderem Schutzstatus kämen aber auch schneller zum Auto als zum Beispiel Asylbewerber .
Zum vermeintlichen Konflikt mit den Schießübungen sagte Lothar Wenzel: "Die Ortskräfte sind keine Kriegsflüchtlinge in dem Sinne, sondern sie halfen der Bundeswehr . Deswegen ist nicht davon auszugehen, dass sie sich dadurch beeinträchtigt fühlen."
Bemerkenswert war der Auftritt von Landrat Thomas Bold ( CSU ). Ungeplant war er zur Sitzung erschienen - und wirkte eher pro Bedenkenträger. Der Kreischef sprach die Pflicht zu helfen an, aber auch die besondere Situation in Wildflecken mit seiner "hohen Migrationsquote". Mit Blick auf das Wohnprojekt sagte er: "Wenn es vermeidbar ist, soll man es vermeiden. Wenn nicht, muss man es begleiten."
Am Schluss gab Bürgermeister Kleinhenz Graber und Menzel mit, "das heute Gesagte zu bedenken". Wenn die Unterbringung wirklich sein müsse, solle die Regierung sich fragen, ob ein Wohngebäude nicht ausreiche. "Ich würde mich freuen, wenn wir keine Herausforderung bekommen, die wir nicht stemmen können."
Diese Objekte wurden zuvor in diversen Immobilienforen als Renditeobjekte beworben.
Dieser abgelegene Ort erfüllt weder für die Geflüchteten noch die Einwohnerschaft gute Voraussetzungen.