
Der Mann zieht einen Obstkarton aus dem Kofferraum seines Kombis. Wo sich einmal Tomaten gestapelt haben, reihen sich jetzt ein halbes Dutzend Dosen und Einmachgläser aneinander. Eingepackt in eine alte Lidl-Tüte. Was in den Gefäßen schlummert? Genau weiß sie das nicht, meint die Dame mit den langen Ohrringen und den kurzen, blondierten Haaren. "Der Vater war ein Sammler", sagt sie. Fragen können sie ihn nicht mehr.
Das Ehepaar kümmert sich gerade um die Haushaltsauflösung. Weil sie nicht wissen, auf was sie in der alten Scheune gestoßen sind, kommen sie zu Helmut Wischang. Der arbeitet bei der Mülldeponie in Wirmsthal und ist Fachmann für gefährlichen Abfall.
Alte Thermometer, Rattengift, Pflanzenschutzmittel, Farbreste, Motorenöl, Lösemittel, Lacke - auf dem Wertstoffhof kommt so manches an.
Oft wissen die Leute nicht, was in den vergessenen Büchsen und Bechern lagert, erzählt Helmut Wischang. Dann geht er auf Spurensuche.
Nachforschung nicht einfach
Die Stoffe erkennen durch Riechen oder Schmecken? Besser nicht. "Was hat der Opa beruflich gemacht?", fragt er die Angehörigen meist.
Ist auf dem Etikett noch etwas zu entziffern? Manchmal kann er das "Apotheker-Latein" in sein "Chemiker-Latein" übersetzen, sagt der Umweltingenieur und lacht. Für gewöhnlich ist es nicht so einfach.
Wasserflaschen, Waschmittelbehälter - Menschen kippen Chemikalien-Reste oft in Gefäße, die gerade zur Hand sind. Nicht ungefährlich und eigentlich bereits der zweite Fehler, sagt Christophorus Schlereth vom Kommunalunternehmen des Landkreises.
Er berät Bürger bei Fragen rund um ihren Abfall. Sein Tipp: "Kleinere Gebinde wählen: Nur so viel kaufen, wie man braucht." Auch wenn der größere Eimer billiger scheint. Und vor allem: "Aufbrauchen!"
Helmut Wischang ist nie alleine auf dem Wertstoffhof. Zu gefährlich. Passiert sei noch nichts, aber brenzlige Situationen gebe es immer wieder. Insbesondere wegen des teils waghalsigen Transports der Stoffe.
Säuren und Laugen kommen schon mal zusammen in einem Waschkorb bei ihm an. Er empfiehlt, solchen gefährlichen Müll nur über kurze Wege zu transportieren und ansonsten auf das "Giftmobil" (siehe Infokasten) zu warten.
Vergessene Chemikalien im Keller
Seit 30 Jahren sammelt der Landkreis Sondermüll. "Die Rhöner sind sparsam und Sammler", sagt Christophorus Schlereth und lacht.
Einen Sammel-Vergleich mit anderen Kreisen anzustellen ist nicht ganz einfach: Große Mengen lassen einerseits vermuten, dass viele vergessene Chemikalien und Problemstoffe in Kellern und Werkstätten aufgestöbert und abgegeben werden; andererseits, dass viel Müll produziert wurde. Und überhaupt: "Manchmal spielt nicht die Menge die größte Rolle", sagt Helmut Wischang.
Auf seinem PC-Bildschirm öffnet der Chemiker einen Katalog aus Zahlen.
Jeder Sondermüll hat seine eigene Nummer. Steht hinter der sechsstelligen Zahlen-Kombination ein Sternchen, heißt es aufgepasst: "gefährlich". Je nachdem wie gefährlich ein Stoff ist, fällt seine weitere Behandlung aus. Sicher verpackt in speziellen 30- bis 120-Liter-Fässer wird der Sondermüll nach Schweinfurt zur "gsb" gebracht. Dort kümmert sich die "Gesellschaft für Sonderabfall-Entsorgung Bayern GmbH" um den gefährlichen Abfall.
Alle zwei Monate liefert ein Spezial-Lkw das, was in Wirmsthal abgegeben wurde, dorthin. Hin und wieder, wenn die Wissenschaft neue Untersuchungsergebnisse veröffentlicht, dauert es nicht ganz so lange.
Verbotene Substanzen
Ein Holzschutzmittel, das als krebserregend eingestuft wird, ein Schneckenkorn, das von heute auf morgen aus den Baumarkt-Regalen verschwindet - all das kommt in Wirmsthal an.
"Bei uns tauchen immer noch die Hämmer auf, wie 'DDT'", sagt Helmut Wischang. Dieses Insektizid ist in der Landwirtschaft längst verboten. Inzwischen seien die Produkte auf dem Markt vorsichtiger dosiert, meint er.
"Der durchschnittliche Anwender beschäftigt sich nur mit der Wirkung, aber nicht mit dem, was drin steckt", sagt Christophorus Schlereth. Umso wichtiger sein Hinweis: "Reste nie zusammenschütten! Das kann tödlich sein. Selbst bei zwei harmlosen Stoffen.
Wenn man alles anwendet wie vorgeschrieben, dann passiert auch nichts." Aber was ist überhaupt vorgeschrieben?
Konkrete Vorgaben wie für das Gewerbe gelten für Privatleute nicht. "Für Kleinstmengen gibt es keine Regelungen", sagt Werner Nöth vom Landratsamt Bad Kissingen. Kein Hobbygärtner braucht für seinen Rosendünger einen abschließbaren Giftschrank. Anders in der Landwirtschaft.
Freilich, meint Tim Eichenberg, Abteilungsleiter in Sachen Sicherheit und Ordnung beim Landratsamt. "Es will ja beim Kauf auch niemand gelistet werden. Wichtig ist die Beratung im Geschäft und dass man die Hinweise für die Verwendung befolgt." Außerdem: "So lagern, dass Kinder nicht ran kommen und die Behältnisse immer wieder richtig verschließen", rät Werner Nöth.
Zusammen mit einem Kollegen vom Amt kontrolliert er, ob sogenannte wassergefährdende Flüssigkeiten ordentlich gelagert werden. Hauptsächlich geht es um den Umgang mit Diesel und Heizöl.
Wasser bleibt Wasser
Eine hohe Wasserqualität ist ihm heilig. Einfach mal den Pinsel nach dem Streichen unter dem Wasserhahn sauber machen? Nix da! Egal ob gefährlich oder nicht: "Selbst kleinste Mengen dürfen nicht ins
Wasser gelangen." Der Fachmann rät: "Wer sich nicht sicher ist, einfach bei der Gemeinde oder bei der Kläranlage direkt fragen. Wasser ist Wasser - und zwar nur Wasser. Keiner will irgendeine Brühe haben."
Lacke, Schmierfett, Farben: Was das Ehepaar in der Werkstatt des verstorbenen Bastlers hervorgekramt hat, ist harmlos. Und bei Chemiker Helmut Wischang an der richtigen Adresse.
Wo und wie entsorgen?
Wertstoffhof Montag- und
Mittwochnachmittag kann man Sondermüll beim Wertstoffhof in Wirmsthal abgeben. Infos gibt es außerdem bei Helmut Wischang unter Tel.: 09704/ 91 23 27.
Giftmobil Die Gemeinden des Landkreises werden regelmäßig vom Giftmobil angefahren. Wann genau, steht im Abfuhrkalender oder im Internet auf der Website www.abfall-scout.de .
Mengen Jeder Haushalt kann kostenfrei pro Jahr "einen Waschkorb voll" gefährlichen Abfall abgeben. Aber: am besten jeden Stoff einzeln in einem Eimer transportieren. bcs