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Bad Kissingen
Wohin fällt der Preis für die Milch?
Ein Jahr ohne Milchquote: Die Laune der Landwirte sinkt mit dem Preis. Der ist ohne die geregelte Obergrenze bedroht Existenzen.
Foto: Peter Steffen/dpa       -  Foto: Peter Steffen/dpa
| Foto: Peter Steffen/dpa
Carmen Schmitt
 |  aktualisiert: 20.08.2022 02:41 Uhr
Seit einem Jahr ist der Milchmarkt wieder frei. Die Milchquote war Garantie und Grenze zugleich. Nachdem sie vor einem Jahr abgeschafft wurde, gibt es keine staatliche Einflussnahme mehr. Jeder Milchbauer kann so viel anbieten und liefern wie er will. Frei gleich besser? Wie geht es den Landwirten im Landkreis?

Vor sechs Jahren hat Alfred Greubel seinen Betrieb umgestellt. Seitdem produziert und vermarktet er Bio-Qualität. "Ich bin froh, dass ich umgestellt habe", sagt er. Er kämpft im Moment nicht um seine Existenz. Sein Preis hat sich gehalten. Im Gegensatz zu dem seiner Kollegen im konventionellen Geschäft.


Preis fällt schnell

Milchbauer Volker Roth aus Roßbach hat viel Geld ausgegeben. Eine Roboter-Anlage spart ihm seit einem Jahr Zeit beim Melken seiner 95 Milchkühe. Die Entscheidung für die Investition fiel in einer Zeit, als noch nicht absehbar war, dass der Literpreis einmal langfristig auf unter 30 Cent fallen würde. Jetzt sieht es genau danach aus. Im Moment liegt er um die 28 Cent. Einen Cent weniger als im Vormonat. Prognosen kalkulieren mit noch einmal einem Cent weniger für die kommende Abrechnung.

"Das Risiko war klar", sagt der 44-Jährige von der Milcherzeugergemeinschaft. Trotzdem hatten er und seine Milchbauer-Kollegen die Hoffnung, dass ihr Geschäft auch ohne Quote läuft. "Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht." Schon als die Quote auslief, hatte sich der Preisverfall abgezeichnet, meint Volker Roth. Wer profitiert vom Wegfall der Quote?

"Im Moment hat keiner etwas davon", sagt Peter Will vom Landwirtschaftsamt in Bad Neustadt. Selbst Großbetriebe, die sich mit der Streichung der Quote einen Vorteil erhofft hatten, seien heute mindestens genauso belastet. "Ein Familienbetrieb kann diese kritische Phase eher wegstecken, als ein großer Produzent mit Angestellten", meint er. Lohnkosten als Genickbruch. Kleine Betriebe haben ein anderes Problem. Derjenige, der seinen Stall abbezahlt hat, meint Peter Will, kann früher aufhören. "Manch anderer, der investitert hat, kann gar nicht aufhören. Er muss weiterproduzieren, um die Verluste gering zu halten." Außerdem verpflichten ausbezahlte Förderungen. "Wer jetzt ausscheidet, scheidet aus, weil er keine Hoffnung mehr hat oder weil ihm die Bank den Hahn zudreht", sagt Alfred Greubel.


Rücklagen - Fehlanzeige

Den Maschinenpark regelmäßig erneuern? Undenkbar mit dem Milchpreis, den die Molkereien gerade zahlen. Alfred Greubel rechnet damit, dass er noch weiter sinkt. "Die Befürchtungen wurden übertroffen", sagt der Bio-Milchbauer. Er schätzt, dass sich konventionelle Betriebe im nächsten Monat schon auf Preise unter 20 Cent pro Liter einstellen müssen. Dann könnten die Kollegen nicht mal mehr die laufenden Kosten tragen, meint er. Die Laune der Milchbauern sinkt mit dem Preis.

Volker Roth rechnet frühestens in einem halben Jahr mit besseren Preisen, aber "es ist schwer eine Prognose abzugeben". Wie geht es weiter für ihn und seine Kollegen?


Keine klare Prognose

"Wer behauptet, das zu wissen, überschätzt sich", sagt Peter Will vom Landwirtschaftsamt. Zu viele Faktoren spielen in diese Rechnung hinein. Der Deutsche Bauernverband macht das russische Embargo für bis zu vier Cent des Preissturzes verantwortlich. "Ich befürchte, das Tief hält an", sagt Peter Will.

"Wir müssen es aussitzen", sagt Volker Roth. Fast eine halbe Million steckten innerhalb seines Betrieb in Milchquoten. Die Quote ist weg, das Geld auch, aber die Kühe stehen im Stall. Übermorgen dicht machen und wieder einsteigen, wenn sich der Preis erholt hat, ist nicht drin. Seine Konsequenzen: Produktionskosten minimieren, schwächere Kühe aussortieren.

Ob er sich die Quote zurückwünscht? Gerade jetzt wäre sie gut, meint er. Importe aus Nachbarländern, in denen billiger produziert wird, drücken den Preis; gestrichene Exporte nach Russland und China belasten den Markt obendrein. Doch auch mit Quote habe man sich um den Preis gesorgt, sagt der 44-Jährige.

Die Marktbeobachtungsstelle müsste erweitert werden, meint Alfred Greubel. Er fordert eine Kontrollinstanz, die die produzierte Menge in Kriesenzeiten wie jetzt kurzfristig deckelt - europaweit. Der Milcherzeugerring Unterfranken wollte sich nicht äußern und zog seine Aussagen nachträglich zurück. Zu heikel sei das Thema.
Was den Bauern bleibt: Abwarten und Milch trinken.







 
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