Die Sicht von den Höhen der Rhön reicht weit. Beim Rundumblick fällt ein Unterschied sofort ins Auge: Während sich die nähere Landschaft auf bayerischer Seite „unverspargelt“ zeigt, zeichnen sich im hessischen „Bergwinkel“ Windräder ab. Es wird noch enger. Mit einem Windkraftprojekt bei Schwarzenfels rückt ein „Stängel“ bald sehr nah an die Landesgrenze heran. Weitere sind in Planung.
Das Windrad im Vorranggebiet 2-48 zwischen Schwarzenfels und Züntersbach wurde Ende 2020 beantragt. Es soll am „Neuenroth“, nahe der Landesstraße 3180 entstehen. Schon damals lehnte Willi Merx die Windkraftanlage ab. Als Stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Ritter Schwarzenfels “ fürchtet der Sterbfritzer um das historische Erbe der Burganlage überm Sinntaler Ortsteil.
Der Selbsttest zeigt zwar, dass der Standort am Neuenroth von der Burg aus nicht zu sehen ist – und umgekehrt. Aber wie es mit einer 250 Meter hohen Anlage aussieht, lässt sich nur spekulieren.
Merx sprach Anfang 2021 gegenüber der Fuldaer Zeitung vom „Ausverkauf der Landschaft“. Eine so große Anlage überlagere in ihren Dimensionen die Burg, den Hopfen- und den Escheberg. Das beeinträchtige den Tourismus.
Der Sterbfritzer ist auch Vize-Vorsitzender der „Interessengemeinschaft (IG) Windkraft in Sinntal so nicht – zum Schutz von Mensch und Natur“. Diese fordert einen Mindestabstand von 2500 Metern zu besiedeltem Gebiet statt bisher angedacht 1100 Metern.
Genehmigung weit fortgeschritten
Fakt ist: Mit dem Schwarzenfelser Windrad wird es genehmigungstechnisch konkreter. Laut Matthias Schaider vom Regierungspräsidium in Darmstadt ist das Verfahren für den „Windpark Sinntal-Schwarzenfels“ weit fortgeschritten. „Aktuell laufen noch letzte Abstimmungen mit den Antragstellenden.“
Es ist nicht die einzige Windstromanlage, die in der Großgemeinde Sinntal im Werden ist. Laut Bürgermeister Thomas Henfling sind im Vorranggebiet 2-65f bei Weiperz drei Windenergieanlagen geplant, zwei auf Sinntaler, eine auf Schlüchterner Gemarkung. Die Sinntaler Gemeindevertretung habe im September dazu ihr Einvernehmen erteilt; es gebe „keine gesetzlichen Gründe dagegen“.
In Buchonia drehen sich schon neun Windräder
„Dieses Verfahren befindet sich noch in einer relativ frühen Phase“, schreibt das Darmstädter Regierungspräsidium dazu. „Die Antragsunterlagen sind bislang noch nicht vollständig, so dass das eigentliche Genehmigungsverfahren mit den zugehörigen gesetzlichen Fristen noch nicht angestoßen werden konnte.“
Die Windräder bei Schwarzenfels und Weiperz wären nicht die ersten nahe der hessisch-bayerischen Landesgrenze. Am Schlinges-Steinbruch – zwischen Oberzell, Weichersbach, Ramholz und Gundhelm – drehen sich seit 2016 neun Räder des Windparks Buchonia. Sie sind von verschiedenen Positionen bei Schwarzenfels gut einsehbar. Wer wissen will, wie sich ein Windradrotor anhört, muss im nördlichen Teil des Ramholzer Schlossparks mit der Steckelsburg laufen gehen.
Tesar will im Staatsbad ungestörte Blickachse
Titus Tesar, Stellvertretender Kurdirektor im Staatsbad Brückenau, kennt das Erlebnis. Er möchte es nicht in seinem königlich-historischen Bauensemble haben.
Tesar geht es vor allem um eine freie Blickachse und ausreichend Abstand. Ein Windrad , das vom Schlosspark aus gesehen den Fürstenhof überragt, wäre für die Kurverwaltung ein Horror. Es gebe Gäste, die keinen Lärm, Schattenwurf oder ähnliche Störungen wünschten.
Wirtschaftsbetrieb und Gesundheitsstandort Staatsbad schützen
Deswegen spricht sich Titus Tesar ausdrücklich gegen Windräder zwischen Züntersbach und Staatsbad sowie weiter südwestlich im Krechenbachtal aus. „Sie würden den Wirtschaftsbetrieb im Staatsbad beeinträchtigen. Wir müssen den Gesundheitsstandort schützen.“ Diese Position habe man zusammen mit der Stadt Bad Brückenau und dem Planungsverband Main-Rhön gegenüber der hessischen Seite deutlich gemacht.
Heißt im Umkehrschluss: Das eine Windrad bei Schwarzenfels dürfte die Kurverwaltung nicht stören, stünde es doch circa sechs Kilometer entfernt, von einem Bergrücken verdeckt.
Flut an Anträgen für Windenergieanlagen im Bergwinkel
Fest steht aber auch: Die Windräder werden allgemein eher mehr. Allein im Bereich der Bergwinkelkommunen Schlüchtern, Steinau, Bad Soden-Salmünster und der Großgemeinde Sinntal mit Hauptort Sterbfritz sind laut Regierungspräsidium elf Windräder in Planung, vier im Genehmigungsverfahren. 15 wurden im Main-Kinzig-Kreis in diesem Jahr bis September beantragt; 2022 war es gar keine Anlage.
Im bayerischen Teil der Rhön ist man nicht so weit. Dort behinderte bisher Natur- und Landschaftsschutz , die 10-H-Regel und fehlende Vorranggebiete für Windkraft eine Ausbreitung. Doch die strengen Regelungen sind aufgeweicht.
Willi Merx: Ausgewogener Abwägungsprozess muss sein
Willi Merx sieht inzwischen einen gewissen Drang bei den Menschen, Windkraft zuzulassen, sie gar zu priorisieren. Der Sterbfritzer sorgt sich, dass Politik und Gemeindevorstände rein aus der Notwendigkeit heraus, etwas tun zu müssen, entscheiden.
Er wünscht sich einen „differenzierten, ausgewogenen Abwägungsprozess“ und umfassende Informationen für die Bürger. Zum Schutz von Mensch und Natur.