Bad Kissingen
Wiederkehr eines Gescholtenen
Der Club der toten Dichter gastierte mit Neuvertonungen von Gedichten von Charles Bukowski.
Es war in den 60er Jahren. Da runzelte man auch in Deutschland kritisch, aber auch mit einem kleinen kennerischen Schauder die Strin, wenn ein Name fiel: der des amerikanischen Dichters Charles Bukowski. Über den wusste man genau, dass er Alkoholiker war und unanständige, derbe Gedichte schrieb, die man besser außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrte - wenn sie überhaupt selbst in die Hand nahm. Das war, wie etwa auch Henry Miller, eine verkrachte Existenz, ein Typ, der nie so recht wusste was er eigentlich wollte, sogar einmal elf Jahre als Briefsortierer bei der amerikanischen Post durchgehalten hatte, der mit seinen Gedichten von Weibern und Drogen erst spät Erfolg hatte, und der von der Jugend seiner Zeit mehr oder weniger offen zum Idol erklärt wurde.
Aber hat jemand damals seine Texte wirklich gelesen, ohne nur die Zoten zu suchen, war jemand wirklich willens, hinter die obszöne Oberfläche zu schauen, die natürlich leicht zu konsumieren war? Die Zeit ist über Charles Bukowski hinweggegangen in dem Augenblick, in dem sich die Welt genug über ihn aufgeregt hatte, in dem sich niemand mehr fand, der sich von Obszönitäten und Grobheiten und von seiner kaputten Welt provozieren lassen wollte. Aber jetzt erlebt er - er ist 1994 im Alter von 74 Jahren in der Nähe von Los Angeles gestorben - eine Art von Renaissance. Jetzt, wo ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel stattgefunden hat, wo Bukowskis Vokabular seine Provokationskraft verloren hat, sich schon lange niemand mehr über Poesie aufgeregt hat, jetzt ist offenbar die Zeit, die Texte noch einmal aus der zeitlichen Distanz zu lesen.
Michael Althens Satz wird da gerne zitiert: "Charles Bukowski hat Schönheit gefunden, wo sie keiner vermutet hat und wo die meisten noch nicht einmal danach gesucht haben." Das trifft die Sache ganz bestimmt, aber nur zum Teil. Denn es ist mehr. Gezeigt hat das jetzt der Sänger, Allroundmusiker, Komponist und Arrangeur Reinhardt Repke mit seinem "Club der toten Dichter", also mit dem Schlagzeuger Tim Lorenz, dem Keyboarder Andreas Sperling und dem Bassisten Markus Runzheimer. Als Sänger eingeladen hatte er für dieses Programm den Schauspieler Peter Lohmeyer. Repke kat eine ganze Reihe von Bukowski-Gedichten - alle mehr oder weniger autobiographisch - neu vertont. Das war keine einfache Sache. Denn die Texte haben weder Reime noch irgendeine Form von Versmaß. Die Musik braucht also eine enorme Flexibilität, wenn sie den Text nicht verlieren will. Repke hat das geschafft mit viel Kreativität Phantasie, die sogar gut ist für ein paar Ohrwürmer, mit stilistischen Sprüngen von Rock über Country bis zu wunderschönem Blues - immer ganz dicht am Text. Und seine perfekt eingespielte Band setzte seine Konzepte wirklich mit reißend um.
Dazu kam, dass Peter Lohmeyer, der durchaus singen kann, sich nicht als Sänger produzierte, sondern als singender Schauspieler, Erzähler, Melancholiker, ein bisschen hermetisch, ganz in sich und seine Frustrationen zurückgezogen, und doch zu Ausbrüchen neigend - also so, wie man sich Bukowski vorstellen könnte, und zwar auch ohne dass Lohmeyer eine versoffene Alkoholstimme nötig hätte.
Nein, der Zuhörer wird durch diese Musik und diese Interpretationen direkt hineingezogen in Bukowskis, sie erleichtern ihm das Begreifen. Und er merkt schnell bei Gedichten wie "Stilles Viertel", "Die Schattenseite von Hollywood", schon mal gelebt", "Immer und ewig", "Der Nazi-Tramp" und vielen anderen, dass Bukowskis Gedichte ungeschönte und auch unschöne Blicke auf die amerikanische Gesellschaft von ihrem Rand aus sind. Aber er hört auch hinter dem Sarkasmus die große Frustration, die Nöte, die sich da ein Mensch geradezu zwanghaft von der Seele schreiben muss (die Deutlichkeit war durchaus ein Verdienst des ungemein konzentriert und fordernd spielenden Tim Lorenz).
Und trotzdem gab es auch Momente zum Schmunzeln (nicht nur bei manchen Spieleinlagen von Peter Lohmeyer). Denn Bukowski neigte nicht zur beschönigenden Selbstüberhöhung. Wenn er etwa in "Ein Genie" von einem achtjährigen Jungen erzählt, der ihm mit dem simplen Satz: "Das is nich schön." klar macht, dass der Blick aus dem fahrenden Zug aufs Meer offenbar überschätzt wird: "Da ging mir das zum ersten Mal auf." Oder das Gedicht "Der Uhu". Da sitzt er mit seiner Frau auf der Terrasse und zieht um ersten Mal einen Uhu. Doch plötzlich klingelt im Haus das Telefon. Es war jemand, der sein Herz ausschütten wollte. Als Bukowski wieder raus kommt, ist der Uhu nicht mehr da: "Zum Kotzen, diese einsamen Herzen. So einen Uhu sehe ich vielleicht nie wieder."
Es sind viele kleine und größere Episoden, die Bukowski in seinen Alltagsgedichten erzählt. Ihren Tiefgang zu zeigen ist dem Club der toten Dichter eindrucksvoll gelungen.
Genügend aufgeregt
Aber hat jemand damals seine Texte wirklich gelesen, ohne nur die Zoten zu suchen, war jemand wirklich willens, hinter die obszöne Oberfläche zu schauen, die natürlich leicht zu konsumieren war? Die Zeit ist über Charles Bukowski hinweggegangen in dem Augenblick, in dem sich die Welt genug über ihn aufgeregt hatte, in dem sich niemand mehr fand, der sich von Obszönitäten und Grobheiten und von seiner kaputten Welt provozieren lassen wollte. Aber jetzt erlebt er - er ist 1994 im Alter von 74 Jahren in der Nähe von Los Angeles gestorben - eine Art von Renaissance. Jetzt, wo ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel stattgefunden hat, wo Bukowskis Vokabular seine Provokationskraft verloren hat, sich schon lange niemand mehr über Poesie aufgeregt hat, jetzt ist offenbar die Zeit, die Texte noch einmal aus der zeitlichen Distanz zu lesen.
"Die Schönheit gefunden"
Michael Althens Satz wird da gerne zitiert: "Charles Bukowski hat Schönheit gefunden, wo sie keiner vermutet hat und wo die meisten noch nicht einmal danach gesucht haben." Das trifft die Sache ganz bestimmt, aber nur zum Teil. Denn es ist mehr. Gezeigt hat das jetzt der Sänger, Allroundmusiker, Komponist und Arrangeur Reinhardt Repke mit seinem "Club der toten Dichter", also mit dem Schlagzeuger Tim Lorenz, dem Keyboarder Andreas Sperling und dem Bassisten Markus Runzheimer. Als Sänger eingeladen hatte er für dieses Programm den Schauspieler Peter Lohmeyer. Repke kat eine ganze Reihe von Bukowski-Gedichten - alle mehr oder weniger autobiographisch - neu vertont. Das war keine einfache Sache. Denn die Texte haben weder Reime noch irgendeine Form von Versmaß. Die Musik braucht also eine enorme Flexibilität, wenn sie den Text nicht verlieren will. Repke hat das geschafft mit viel Kreativität Phantasie, die sogar gut ist für ein paar Ohrwürmer, mit stilistischen Sprüngen von Rock über Country bis zu wunderschönem Blues - immer ganz dicht am Text. Und seine perfekt eingespielte Band setzte seine Konzepte wirklich mit reißend um.
Ganz nah am Original
Dazu kam, dass Peter Lohmeyer, der durchaus singen kann, sich nicht als Sänger produzierte, sondern als singender Schauspieler, Erzähler, Melancholiker, ein bisschen hermetisch, ganz in sich und seine Frustrationen zurückgezogen, und doch zu Ausbrüchen neigend - also so, wie man sich Bukowski vorstellen könnte, und zwar auch ohne dass Lohmeyer eine versoffene Alkoholstimme nötig hätte.Nein, der Zuhörer wird durch diese Musik und diese Interpretationen direkt hineingezogen in Bukowskis, sie erleichtern ihm das Begreifen. Und er merkt schnell bei Gedichten wie "Stilles Viertel", "Die Schattenseite von Hollywood", schon mal gelebt", "Immer und ewig", "Der Nazi-Tramp" und vielen anderen, dass Bukowskis Gedichte ungeschönte und auch unschöne Blicke auf die amerikanische Gesellschaft von ihrem Rand aus sind. Aber er hört auch hinter dem Sarkasmus die große Frustration, die Nöte, die sich da ein Mensch geradezu zwanghaft von der Seele schreiben muss (die Deutlichkeit war durchaus ein Verdienst des ungemein konzentriert und fordernd spielenden Tim Lorenz).
Momente zum Schmunzeln
Und trotzdem gab es auch Momente zum Schmunzeln (nicht nur bei manchen Spieleinlagen von Peter Lohmeyer). Denn Bukowski neigte nicht zur beschönigenden Selbstüberhöhung. Wenn er etwa in "Ein Genie" von einem achtjährigen Jungen erzählt, der ihm mit dem simplen Satz: "Das is nich schön." klar macht, dass der Blick aus dem fahrenden Zug aufs Meer offenbar überschätzt wird: "Da ging mir das zum ersten Mal auf." Oder das Gedicht "Der Uhu". Da sitzt er mit seiner Frau auf der Terrasse und zieht um ersten Mal einen Uhu. Doch plötzlich klingelt im Haus das Telefon. Es war jemand, der sein Herz ausschütten wollte. Als Bukowski wieder raus kommt, ist der Uhu nicht mehr da: "Zum Kotzen, diese einsamen Herzen. So einen Uhu sehe ich vielleicht nie wieder."Es sind viele kleine und größere Episoden, die Bukowski in seinen Alltagsgedichten erzählt. Ihren Tiefgang zu zeigen ist dem Club der toten Dichter eindrucksvoll gelungen.
Themen & Autoren / Autorinnen