
Von Berlin nach Bad Kissingen : "Ich schätze die kurzen Wege hier", erzählt Prof. Dr. Thomas Keil vom Leben in der Kurstadt. Im Oktober wurde er zum ersten Leiter des neu gegründeten Instituts für Kurortmedizin (IKOM) ernannt. Die Stelle am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist gekoppelt an eine Professur in Würzburg. "Ich muss diese Brückenprofessur nun mit Leben erfüllen", nennt der 55-Jährige als eine seiner Aufgaben. Deshalb ist er im Schnitt zwei Tage pro Woche in Würzburg, Hauptsitz sei aber Bad Kissingen .
Das IKOM ist laut Keil etwas vollständig Neues: "So etwas gibt es bisher weder in Deutschland, noch in anderen Ländern." Die Deutung seiner neuen Stelle fängt für Keil schon mit dem Namen an: "Eigentlich müsste es Institut für Kurort-Wissenschaften heißen", denkt er laut nach, anderseits finde er die Bezeichnung Kurortmedizin spannend, "weil wir nicht eines der vielen Institute für Prävention und Gesundheitsförderung sind". Das IKOM soll vor allem wissenschaftliche belegte Argumente für die - vor allem bayerischen - Kurorte sammeln, weshalb Kuren und Reha-Maßnahmen so wichtig sind. Dazu werden Keil und sein Team viele Fragen stellen, etwa: Wie lange hält die Wirkung einer Kur an? Ändern Menschen nachhaltig ihren Lebensstil? Wer kommt überhaupt in die Kurorte und wie muss man sie ansprechen? Oder auch: Was bewirken ortsgebundene Heilmittel wie das Heilwasser? "Wir werden selbst keine medizinischen Verfahren anbieten, sondern das Vorhandene evaluieren", stellt Keil klar. Er selbst wechselte bereits in den 1990er Jahren in die wissenschaftliche Forschung: "Ich bin seit 20 Jahren kein Arzt mehr, sondern Mediziner."
Institut "mitten im Aufbau"
"Kliniken und Ärzte sind oft Einzelkämpfer", kommentiert Keil die aktuelle Präventionsforschung. Es fehlen die Vernetzung und die Methoden: "Die medizinische Expertise ist in Kurorten wie Bad Kissingen absolut vorhanden, aber die wissenschaftliche nicht." Auch die Arbeit im Heilbäderverband stoße oft an Grenzen: " Kurorte suchen gerne Alleinstellungsmerkmale, aber sie sollten gemeinsam forschen."
"Wir sind mitten im Aufbau", fasst Keil die Situation seines Instituts zusammen: 3,5 von geplanten sieben Stellen seien besetzt. Aktuell sind zwei wissenschaftliche Stellen ausgeschrieben. "Die Bewerberlage ist nicht ganz so wie an einem Uni-Standort, aber ich bin zufrieden", fasst er die Nachfrage zusammen. Vervollständigen sollen das Team am Ende zwei medizinische Dokumentare oder Informatiker mit Schwerpunkt medizinische Forschung. "Das sind Schlüssel-Positionen, weil wir ja viele Daten auswerten müssen."
Prof. Keil hofft, dass er für diese interessante Aufgabe gute Leute in die fränkische Provinz locken kann. Für ihn selbst war es zumindest eine Rückkehr zu familiären Wurzeln: "Ich habe entfernte Verwandte in Würzburg, allerdings ist Franken für mich Neuland, Bad Kissingen kannte ich nur dem Namen nach." Über seine Professur am Würzburger Lehrstuhl für Klinische Epidemiologie und Biometrie will er zudem Studenten und Doktoranden nach Bad Kissingen holen.
Nach Bestellung gleich entlassen
Seine eigene Anstellung an der Uni Würzburg dauerte nur wenige Minuten: "Der Kanzler hat mir den Titel Professor verliehen und mich dann gleich wieder entlassen", erzählt Keil lachend. Denn angestellt ist er beim Landesinstitut für Gesundheit, das wiederum dem LGL unterstellt ist. "Ein Ziel ist, dass ich die methodische Expertise der Uni nutzen kann, die so am LGL noch nicht vorhanden ist." Bad Kissingen sei ein guter Ort für die "anwendungsorientierte Forschung". Denn so kurz wie der Weg von seiner Wohnung im Kurviertel zum aktuellen Sitz des IKOM in der Münchner Straße seien auch die Wege in die Reha-Kliniken.
Und besonders freut er sich auf ein Projekt, das für den künftigen Sitz im Kurhausbad fest eingeplant ist: In einer eigens konzipierten Untersuchungsstraße sollen standardisiert medizinische Daten erhoben werden, um Risiko-Faktoren zu ermitteln. Im Rahmen von Studien soll dieses Screening nicht nur Kurgästen und Reha-Patienten offenstehen, sondern auch der Bevölkerung vor Ort.
Zur Person:
Privat Thomas Keil wuchs in Bremen und Bad Salzuflen (Nordrhein-Westfalen) auf. Seine Frau stammt aus den USA, die drei erwachsenen Kinder studieren gerade. Keils großes Hobby ist Tischtennis.
Beruf Nach dem Zivildienst im Pflegeheim studierte Thomas Keil Medizin in Marburg und Berlin. Zunächst arbeitete er als Chirurg in England, zurück in Deutschland wechselte er in die Forschung, ein Schwerpunkt war die Prävention von Asthma und Allergien im Kindes- und Jugendalter.