
Wie ein Krimi liest sich das, was gerade in den Wäldern im Süden des Landkreises Bad Kissingen vor sich geht. In unbegifteten Waldabteilungen, wie etwa im Wald bei Arnshausen , der auf Beschluss des Stadtrates wie auch im letzten Jahr nicht beflogen wurde, kann man das sehen. Aber dazu muss man ganz genau hinschauen.
Für den Stadtförster Axel Maunz war es deshalb sehr aufschlussreich, als er mit dem Fachmann Oskar Jungklaus vom Bund Naturschutz (BN) in Arnshausen unterwegs war. Sie wollten genau wissen, wie es dem Schwammspinner geht oder besser, ergeht. Nach den Vorerhebungen im Winter war klar, dass die Gelegedichte recht hoch ist, weswegen dann ja auch eine Begiftung empfohlen wurde. Deshalb war es so spannend, den Zustand der Raupenpopulation zu erfassen. Nach einer ersten Untersuchung war der Befund so erstaunlich, dass Axel Maunz noch einen neuen Test mit größerem Umfang machte. Auf einer Linie von 225 Metern wählte er 15 Bäume aus und kontrollierte dann 114 zufällig ausgewählte Raupen. Die ersten Ergebnisse wurden tatsächlich bestätigt: Von 114 Raupen waren 67 mit Eiern parasitiert, das sind knapp 60 Prozent. Aber, und deshalb ist diese Zahl so bemerkenswert, das ist nur der sichtbare Teil der Parasitierung.
Die zur Zeit etwa zwei bis vier Zentimeter großen Raupen sind kurz nach dem Laubaustrieb geschlüpft und laufen nun auf den Baumstämmen umher. Dabei sind sie einer Armada von "Feinden" ausgesetzt, die mit unterschiedlichen Waffen angreifen. Die sichtbarsten Waffen sind die Eier der Igelfliegen. Sie werden im Volksmund so genannt, weil sie am Hinterleib dicke, stachelartige Borsten haben. Diese heften ihre relativ großen Eier meist kurz hinter den Kopf der Raupen, oft mehrere Eier an einer Raupe. Aus diesen Eiern der Raupenfliegen schlüpfen dann nach einigen Tagen die Larven , die die Schwammspinnerraupen langsam aber sicher von innen auffressen.
Die Raupe hat nur die Möglichkeit sich zu häuten, um diese Eier loszuwerden. Aber auch dafür hat sich die Natur etwas ausgedacht, denn es gibt auch Raupenfliegenarten, die die unterschiedlichen Stadien der Raupen parasitieren. Aber selbst dann, wenn keine Eier zu sehen sind, bedeutet es noch lange nicht, dass diese Raupe überlebt. Es gibt bei den Raupenfliegen Arten, die ihre Eier nah an bereits von Schwammspinnerraupen befallenen Blätter ablegen. Die ausgeschlüpfte Larve steigt dann auf eine fressende Raupe um, so wie ein Reiter auf ein Pferd steigt.
Fast unbemerkt
Noch weniger sichtbar ist im Anfangsstadium die Parasitierung durch Schlupfwespen. Diese stechen die Raupen direkt an, man sieht also keinen Befall. Die Larve der Schlupfwespe frisst dann im Innern des Wirtes erst im Fettgewebe, später dann die lebenswichtige Organe und verpuppt sich anschließend. Spätestens nach der Verpuppung stirbt die Raupe ab. Meist schlüpft der Parasit nach einigen Tagen, paart sich und macht sich gleich wieder an die Arbeit: Schwammspinner anbohren. Die Parasitierungsrate kann deshalb fast 100 Prozent betragen, selbst wenn mit bloßem Auge nicht viel zu erkennen ist. Bei einer Mehrfachparasitierung - also mehrere Parasiten in einer Raupe -, was bei bis zu 70 Prozent der Raupen sein kann, setzt sich meist nur ein Individuum durch.
Räuber stehen bereit
Aber das Waffenarsenal der Natur ist damit nicht erschöpft: Es gibt sehr viele Prädatoren, also Räuber , die zwar einer Massenvermehrung meist etwas "hinterherlaufen", aber durchaus ihren Teil zur Reduzierung der Schwammspinner beitragen. Viele Käfer und ihre Larven vertilgen einiges an Raupen, sie nehmen mit deren Vermehrung auch merklich zu. Wanzen etwa machen sich über die Raupen her und saugen sie aus. Zusätzlich gibt es auch Pilz-, Bakterien- oder Virenbefall, also alles natürliche Regulatoren die ihren Teil zum Zusammenbruch der Population beitragen.
"Auch wenn diese Untersuchung wissenschaftlich nicht belastbar ist zeigt sie, wie vielfältig die Natur reagieren kann. Allerdings nur, wenn die Feinde der Schwammspinner mit der Begiftung nicht auch ausgeschaltet werden", so Franz Zang, der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Bad Kissingen. Diese ersten Ergebnisse haben Oskar Jungklaus dann dazu bewogen, auch andere unbehandelte Wälder im Südosten des Landkreises zu kontrollieren; er hat überall das gleiche Bild vorgefunden, dass natürliche Feinde gegen das Überhandnehmen der Schwammspinnerraupen vorgehen.
Untersuchung läuft
"Wir sind gespannt auf die gerade laufende Untersuchung des Landesamtes für Umwelt, die auf Vergleichsflächen testet, welche Auswirkung unterschiedliche Maßnahmen haben," erläutert Zang. Allerdings meint Oskar Jungklaus dazu kritisch an: "Leider werden dabei nicht die Wirkungen auf Bodenlebewesen untersucht. Das zur Begiftung eingesetzte Mittel 'Mimic' schädigt nach neueren Erkenntnissen alle Tiere mit Außenskelett - also nicht nur Insekten wie Käfer, Wanzen, Fliegen oder auch für die Aufarbeitung des Waldbodens so wichtigen Springschwänze. Es schädigt auch Tiere anderer Stämme wie Spinnen, Asseln, Tausendfüsser usw." Übrigens: die Schlupfwespe auf dem Bild ist schon vor Tagen aus Ihrem Kokon geschlüpft und weiter geht es im Kreislauf der Natur.
Franz Zang, Oskar Jungklaus