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Bad Kissingen
Tätowierer in Bad Kissingen: Wie gefährlich sind Tattoofarben?
Derzeit stehen zwei Tattoofarben in der Kritik: Grün und Blau. Die darin enthaltenen Pigmente seien angeblich krebserregend. Was sagen Tätowierer und Hautärzte dazu?
Der Bad Kissinger Tätowierer Jörg Sauer mit grüner und blauer Farbe. Foto: Johannes Schlereth       -  Der Bad Kissinger Tätowierer Jörg Sauer mit grüner und blauer Farbe. Foto: Johannes Schlereth
| Der Bad Kissinger Tätowierer Jörg Sauer mit grüner und blauer Farbe. Foto: Johannes Schlereth
Johannes Schlereth
 |  aktualisiert: 14.12.2021 14:48 Uhr

Jörg Sauer mag es bunt. Seine Hände, seine Arme und sein Hals sind mit Tattoos bedeckt. Seine Leidenschaft für Farbe unter der Haut hat er zum Beruf gemacht: Der 50-jährige ist Tätowierer. Allerdings droht eine neue EU-Richtlinie ihm seinen Job zu erschweren. Zwei Farbpigmente, Blue 15 und Green 7, will die europäische Chemikalienagentur verbieten. Beide könnten krebserregend sein. In Kosmetika sind die Farbstoffe wegen Gesundheitsbedenken bereits verboten. Brauchbare Ersatzpigmente haben Tätowierer nicht zur Auswahl.

Zwei verschiedene Dinge

Für den Bad Kissinger Tattoo-Künstler ist klar: "Es wird hier alles in einen Topf mit Kosmetikartikeln wie Haarfarbe geworfen." Und das, obwohl es laut ihm einen großen Unterschied gibt. Beim Haarefärben kommen die Farbstoffe direkt mit der Haut in Berührung. Dort blieben sie lange und ließen sich nicht leicht abwaschen. Die Folge war das Verbot. "Beim Tätowieren verkapselt sich die Farbe in der Zelle." Sauer sagt: "Es gibt keinen Beweis, dass Grün und Blau krebserregend sind."

"Darüber, ob sie Krebs auslösen, haben wir wenig Erfahrung", sagt Dr. med. Manuel Krieter. Der 33-jährige Garitzer Arzt arbeitet derzeit in der Dermatologie des Klinikums Nürnberg. Ein anderes Risiko sei, dass sich die Pigmente teilweise im Körper verbreiten und in den Lymphknoten einlagern. Mehr Erfahrung hat er mit einem anderem Problem: "Was wir häufiger haben, sind Hautinfektionen oder allergische Reaktionen auf Teile der Farben", sagt er. Letztere würden häufig bei roten Farbtönen auftreten. Sauer bestätigt das durch seine langjährige Erfahrung: "Ich tätowiere seit 24 Jahren - das Grün und das Blau, das verboten werden soll, sind die Farben, die keine Probleme verursachen. Anders sind da in seltenen Fällen Rot- und Gelbtöne."

Wie machen die Tätowierer weiter?

Fraglich ist derzeit, wie Tätowierer weiterarbeiten sollen, wenn die EU die beiden Pigmente verbietet. Ab Verkündung der Richtlinie soll es eine zweijährige Übergangsfrist geben. In dieser sollen Ersatzpigmente gefunden werden. Maik Frey, zuständig für Pressearbeit beim Verein der Deutschen Organisierten Tätowierer, sagt: "Es gibt zwar eine Vielzahl an Pigmenten, die blau und grün sind - aber tattootauglich sind die nicht." Ausweichfarbstoffe lösen unter anderem Allergien aus und sind weniger farbbrillant. "Wir sehen das mögliche Verbot als Verein der Deutschen Organisierten Tätowierer nicht positiv", sagt er. "Vor allem in Hinblick darauf, dass es bislang in der Geschichte der Tattoos keine Auffälligkeiten bei den Pigmenten gab."

Das geplante Verbot ist auch für Sauer unverständlich. "Das Krebsrisiko ist nicht erwiesen. Bei Zigaretten weiß man dagegen, dass sie Krebs verursachen - und trotzdem gibt es sie im Regal zu kaufen." Den Vorstoß der EU erklärt er sich dadurch, dass Tattoos mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Aus der einstigen Nische für Gefängnisinsassen, Rocker und Seefahrer wurde Mainstream. Früher habe sich die Szene selbst reguliert, keine Behörde habe sich um Regularien gekümmert. "Wenn ein Tätowierer schlechte Erfahrungen mit einer Farbe gemacht hat, hat sich das schnell rumgesprochen. Schlechte Produkte waren dann schnell vom Markt." Heute orientieren sich laut Frey viele Tätowierer und Farblieferanten am Schnellwarnsystem der EU für gefährliche Non-Food-Produkte namens "Safety Gate".

Außerdem gibt es in Deutschland eine Tätowierverordnung die regelt, welche Farben nicht unter die Haut dürfen. Dadurch ist es gelungen, nicht zugelassene Farben aus dem Verkehr zu ziehen. Sauer meint: "Das ist gut - ich will ja niemanden verletzen." Ob sich alle Tätowierer daran halten ist laut Frey unklar. "Es herrscht eine Geiz-ist-geil Mentalität", sagt er. Grund dafür sei der hohe Konkurrenzdruck. Die Folge daraus könne der Griff zu schlechten Farben sein. Scheinbare Farb-Schnäppchen hätten sich oftmals als Etikettenschwindel oder Plagiat erwiesen.

Den Tätowierten scheint jedenfalls etwas an ihren roten Rosen oder dem blauen Wasser auf der Haut zu liegen. Unter dem Hashtag "tattoofarbenretten" unterzeichneten deutschlandweit 151 679 Menschen eine Petition gegen das Verbot der Pigmente. Nun hoffen die Initiatoren darauf, vom Bundestag angehört zu werden. Dieser soll sich dann gegen die geplante Richtlinie in Brüssel positionieren. Sauer wagt einen Blick in die nahe Zukunft: "Ich glaube nicht, dass ein Verbot kommt. Da steht einiges dahinter."

 
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