Vor kurzem hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft ( DFG ) dem Informatiker eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe genehmigt. Ausgestattet mit rund zwei Millionen Euro kann Seufert damit in den kommenden sechs Jahren sein Ziel verfolgen, ein nutzerzentriertes Netzmanagement zu entwickeln, das dazu beiträgt, dass auch bei Engpässen im Netz möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer zufrieden mit der Leistung sind.
In Deutschland haben mehr als 66 Millionen Menschen im vergangenen Jahr das Internet genutzt. Durchschnittlich haben sie dort 149 Minuten am Tag verbracht - bei Jugendlichen waren es sogar 241 Minuten. Während auf der einen Seite durch den Netzausbau die Download-Geschwindigkeit steigt, wachsen auf der anderen Seite die Anforderungen von Nutzerinnen und Nutzern und den Anwendungen mindestens genauso schnell. Dadurch kommt es trotz Ausbau der Infrastruktur zu Verzögerungen, Engstellen oder gar Überlast - und wird es auch zukünftig kommen. Für Abhilfe sorgen könnte ein Netzmanagement, das die beschränkten Ressourcen in den Netzen besser zuteilt.
Wobei "Netz" in diesem Fall ein weitgefasster Begriff ist. Dazu gehören W-Lan genauso wie Mobilfunk-, DSL-, Kabel- oder Glasfasernetz. "Zunehmende Datenmengen und steigende Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer bleiben eine Herausforderung für Betreiber von Kommunikationsnetzen", beschreibt Seufert den Hintergrund seines Forschungsprojekts. Ein Ausbau der Infrastruktur könnte helfen, ist allerdings teuer und langwierig. Zudem sei auch damit nicht garantiert, dass für alle User und alle Anwendungen wie beispielsweise Videokonferenzen, Musikstreaming , Online-Gaming oder Cloud-Anwendungen, die gewünschte Qualität zur Verfügung steht.
Quality of Experience, oder kurz QoE, lautet der Fachbegriff dieser subjektiven Dienstgüte. QoE-Fairness ist ein weiterer Begriff, der in Seuferts Forschungsprojekt eine zentrale Rolle einnimmt. Dahinter steckt, vereinfacht gesagt, der Gedanke, dass bei Engpässen im Netz der Verkehr so geregelt wird, dass eine möglichst große Zahl von Nutzerinnen und Nutzer trotzdem mit der angebotenen Leistung möglichst zufrieden ist. Erreicht werden soll dies über das Netzmanagement. Dieses kann bei Engpässen Netzressourcen, wie etwa die Bandbreite, so zuteilen, dass QoE und QoE-Fairness maximal mögliche Werte erreichen.
Was Seufert konkret vorhat, ist, mit Hilfe des maschinellen Lernens (ML), Modelle zu entwickeln, die die hohe Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Nutzer, Anwendungen und Netzen besser abbilden als bisherige Modelle. Zusätzlich plant er, die Methoden des maschinellen Lernens für den Einsatz auf verschlüsseltem Netzverkehr anzupassen. Verschlüsselung hat zwar den Vorteil, dass die Privatsphäre der Endnutzer gewahrt bleibt. Netzbetreibern bringt sie aber den Nachteil, dass diese nicht mehr so leicht erkennen können, welche Anforderungen Applikationen an das Netz stellen und wie zufrieden Endnutzer sind.
Hat man Probleme im Netz erkannt oder sind Beeinträchtigungen für die Endnutzer absehbar, muss die Netzkonfiguration - und damit die Behandlung der Datenströme im Netz - verbessert werden. Seufert will dafür maschinelles Lernen in Form eines verstärkenden Lernens einsetzen - in der Fachsprache Reinforcement Learning (RL) genannt. Netze sollen lernen, wie sie sich automatisiert und flexibel selbst den jeweiligen Anforderungen anpassen können.
Hier will die Forschungsgruppe die Grundlagen dafür erarbeiten, dass die eingesetzten RL-Modelle für verschiedene Netzarten und unterschiedliche Netzbedingungen eine jeweils optimale Netzkonfiguration lernen können. Ziel sei es letztendlich, Netze flexibel so auf die jeweiligen Anforderungen zuzuschneiden, dass QoE und QoE-Fairness der Nutzer bei unveränderten Ressourcen steigen. Dies komplementiere den Ausbau der Netzinfrastruktur und ermögliche es Netzbetreibern, die steigenden Anforderungen in den Kommunikationsnetzen zu bewältigen.