zurück
Unterleichtersbach
Wie die "Hanse" in Unterleichtersbach groß wurde
Vor 60 Jahren entschied sich Hanse-Haus-Gründer Hermann Wandke für ein Zweigwerk in Unterleichtersbach. Leo Büchner und Erwin haben die Zeit danach mitgeprägt. Und den beeindruckenden Aufstieg des Unternehmens erlebt.
Erwin Beck (links) und Leo Büchner vor Werk I der 'Hanse' in Unterleichtersbach. Dort begann die Karriere der beiden Schondraer bei der Firma, die vor 60 Jahren in die Rhön zog.       -  Erwin Beck (links) und Leo Büchner vor Werk I der 'Hanse' in Unterleichtersbach. Dort begann die Karriere der beiden Schondraer bei der Firma, die vor 60 Jahren in die Rhön zog.
Foto: Steffen Standke | Erwin Beck (links) und Leo Büchner vor Werk I der "Hanse" in Unterleichtersbach. Dort begann die Karriere der beiden Schondraer bei der Firma, die vor 60 Jahren in die Rhön zog.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 19.11.2022 18:00 Uhr

Vier Jahrzehnte. Solange prangt der Schriftzug "Hanse-Haus" schon über dem Eingang zum Kopfbau von Werk I, nahe dem Einraffshofer Wasser. Die Produktionsstätte selbst zählt freilich fast 20 Jahre mehr.

Doch außer dem Schriftzug, das weiß keiner besser als Leo Büchner und Erwin Beck, ist kaum noch etwas "original" im Werk I, der Keimzelle der "Hanse" in der Rhön. Hallen wurden modernisiert, einige abgetragen und neu gebaut. Beide haben dort den größten Teil ihres Berufslebens verbracht, Büchner sein gesamtes.

Am 1. Juni 1974 trat der Schondraer in das noch recht kleine Unternehmen ein, lernte in Werk I Holzmechaniker. Später stieg er im 1993 neugebauten Werk II am Buchrasen zum Werksleiter auf, verantwortete in den vergangenen elf Jahren den Einkauf des Fertighaus-Herstellers . Zum 1. Juni geht Leo Büchner nach 45 Jahren Hanse in Rente, genießt jetzt schon einige restliche Urlaubstage.

Nur ein Fertighaus pro Woche

Erwin Beck, ebenfalls aus Schondra, hat zwar nicht in Unterleichtersbach gelernt. Dafür stieß der heute 78-Jährige schon 1967 - sieben Jahre früher als Büchner - als Schreiner-Geselle zum Unternehmen. Bei Hanse-Haus war er vor allem im Fenster-, Giebel- und im Plattenbau, auch in leitender Position, tätig, 2008 schied er aus dem aktiven Dienst aus.

In den Anfangsjahren, erinnert sich Beck, war an die heutige Großproduktion von Fertighäusern nicht zu denken. Ein Haus schaffte die Belegschaft von Werk I in der Woche. Was am viel höheren Anteil an Handarbeit und geringerem Einsatz von Maschinen lag. An eine computergestützte Fertigung war auch nicht zu denken.

Überhaupt darf man sich nicht vorstellen, dass 1962, als Hermann Wandke nach Unterleichtersbach kam, gleich losgefertigt wurde. Erst mussten die Hallen für die Produktion errichtet werden. Sie waren als Zweigwerk des Hauptsitzes in Travemünde gedacht, das künftig den süddeutschen Markt bedienen sollte.

Wann die ersten in der Rhön vorgefertigten Teile für ein Hanse-Haus auf einen LKW verladen und an ihren Bestimmungsort gebracht wurden, wissen weder Beck noch Büchner. Die Firmenarchive können das leider auch nicht klären. Doch das Bauprinzip aus der Anfangszeit - es hat sich nicht verändert (auch wenn sich einzelne Materialien und Techniken sowie die Dämmung und Durchlüftung der Wände natürlich verfeinert und effektiver entwickelt haben).

Immer noch wird eine sogenannte Platte aus witterungsbeständigem Baustoff mit einer äußeren Platte mittels im rechten Winkel aufgebrachter Stiele verbunden. Für eine bessere Stabilität erhielten diese Stiele noch Querstreben.

In die Hohlräume zwischen den Platten wurde in der Anfangszeit als Dämmung Mineralwolle gestopft. Die Handwerker brachten auf die äußere Platte, die spätere Außenwand, ein Drahtgeflecht auf, in das sie Putz gossen , den sie dann glattstrichen. Ein solches Bauelement ließ sich in drei verschiedenen Wandgrößen fertigen, dazu als Element mit horizontalem oder mit vertikalem Fenster. In weitere solcher Baumuster ließen sich schließlich die Eingangs- oder die Terrassentür einbauen.

Wer sich vor 50 Jahren für ein Hanse-Fertighaus entschied, konnte nur zwischen diesen sieben Elementen wählen. Mitarbeiter des Werks I hoben die Bauteile auf bereitstehende Laster - in der Reihenfolge, wie sie später vor Ort zusammengefügt wurden. Das funktionierte händisch; ein Element wog 100 Kilo.

"Damals gab es noch in jedem Ort eine Baufirma ; es wurde noch viel massiv gebaut. Die Fertighäuser waren noch nicht so ausgereift", erinnert sich Erwin Beck. Leo Büchner ergänzt, dass Hanse-Häuser schon immer Systemhäuser mit Vollausstattung gewesen seien. "Aber das Haus musste eben in einer bestimmten Größe gekauft werden." Heute können Kunden aus jeweils 25 Elementen für die Außen- und für die Innenwand wählen.

Mit der Effektivität und der Nachfrage stiegen der Ausstoß in der Produktion und die Zahl der Mitarbeiter. Mehr als 1000 von ihnen produzieren seit 2021 in drei Schichten rund 800 Fertighäuser, also zwei bis drei pro Tag (Stand 2021).

Serienproduktion nach Kundenwunsch

Die Wandelemente werden zwar immer noch in Werk I hergestellt, aber längst per Kran auf LKW verladen und zu Werk II am Buchrasen gefahren. Dort werden sie mit Hilfe von Computern zu Wandsystemen gefügt, die genau den Vorstellungen der Kunden entsprechen. Serienproduktion nach Wunsch sozusagen.

Büchner und Beck beobachten die aktuell gute Entwicklung ihrer Hanse mit Stolz. Sie haben tolle Zeiten durchlebt, als die Grenze nach Osten aufging und sich dort ein neuer Markt für Fertighäuser erschloss. Aber auch schlechte, als 2006 die Eigenheimzulage wegbrach. "Vor 47 Jahren war die Hanse eines von vielen Unternehmen. Heute ist sie eines der erfolgreichsten im Landkreis", sagt Büchner. Großen Anteil daran besäßen der seit 2006 tätige Geschäftsführer Marco Hammer und Albert Wiesner als einer seiner Vorgänger.

Hammer selbst glaubt an die Zukunft des Fertighausbaus . Zwar würden vielleicht künftig in Deutschland weniger Eigenheime gebaut: Aber der Anteil an Fertigsystemen daran steige.

60 Jahre Hanse-Haus in der Rhön: inzwischen viertes Werk im Bau

Die Geschichte von "Hanse-Haus" beginnt in Norddeutschland. In Travemünde, einem Stadtteil von Lübeck an der Ostsee, gründet Hermann Wandke 1929 einen Zimmereibetrieb namens "Hanse-Fertighaus-Bau". 1962 - so steht es in der Unternehmenschronik - entdeckt er auf einer Reise in den Süden Unterleichtersbach (anderen Quellen zufolge sollen sich Wandke und der damalige Bürgermeister Ludwig Weber aus der Kriegsgefangenschaft gekannt haben).

In den Folgejahren entsteht das Rhöner Zweigwerk und auf der Ebene darüber insgesamt sechs "Musterhäuser". Sie dienen aber nicht der Besichtigung, sondern als Versuchsbauten und Wohnstätte für Mitarbeiter des Stammwerkes in Travemünde, die beim Aufbau der Unterleichtersbacher Filiale helfen sollen. Bereits 1979 steigt diese nach einer Modernisierung zur Hauptproduktionsstätte auf, während die Fertigung im Norden Mitte der 1980er-Jahre aufgegeben wird.

Nächste Schritte in der Unternehmensentwicklung sind Bau und Inbetriebnahme von Werk II am Oberleichtersbacher Buchrasen 1993. Zwei Jahre später entsteht an selber stelle das Bemusterungszentrum samt Park aus fünf Ausstellungshäusern. Zur Jahrtausendwende wird das Zentrum auf 1800 Quadratmeter erweitert; ins Untergeschoss ziehen Teile der Verwaltung ein.

Andere Bereiche bleiben bis heute in Unterleichtersbach . 2020 kauft die Hanse eine Halle im Bad Brückenauer Teil des Buchrasens dazu - das Werk III als Nachlieferlager, wo Material für den Innenausbau wie Bodenbeläge, Fliesen und Sanitäranlagen gelagert werden. Am 22. April 2022 erfolgt der Spatenstich für Werk IV, in dessen Bau 37 Millionen Euro fließen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Unterleichtersbach
Bauunternehmen
Fertighausbau
Fertighaushersteller
Ludwig Weber
Maschinen- und Geräteteile
Werk
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top