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BAD KISSINGEN
Wie der Resonanzraum der Geige
100 Jahre Regentenbau: Der Große Saal gehört akustisch zu Europas besten Konzertsälen. In seinen Messwerten ist er vergleichbar mit der Usher Hall in Edinburgh oder der Symphony Hall in Boston.
Wie der Resonanzraum der Geige
Von unserem Redaktionsmitglied Ursula Lippold
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:56 Uhr

Sänger, Musiker und Dirigenten sind gleichermaßen begeistert vom Großen Saal. Erste Anlaufstelle für solche Komplimente ist Kari Kahl-Wolfsjäger. „Die Künstler schwärmen von der Akustik“, gibt die künstlerische Leiterin des Kissinger Sommers die Begeisterung weiter an Veranstalter, Journalisten und Besucher. Sie selbst weiß aus Erfahrung, dass man in der letzten Reihe im Parkett genauso gut hört wie in der Loge auf der Empore. Das wissen inzwischen auch viele Konzertbesucher.

„Der Große Saal gehört anerkannt zu den 20 besten Konzertsälen Europas“, heißt es in der Festschrift, die das Staatliche Bauamt zur Vollendung der Sanierung im Juli 2005 herausgegeben hat. Sogleich stellt sich die Frage: Woher kommt diese gute Akustik?

Die Wände und Pfeiler hat Architekt Max Littmann mit rotbraunem Kirschbaumholz täfeln lassen. Sie wurden mit Schellack aufpoliert – ein Lack, der aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen wird. Für die Oberflächenbehandlung wird Alkohol beigemischt, erläutert Baudirektor Erwin Full vom Staatlichen Bauamt Schweinfurt. 3000 Quadratmeter beträgt die Wandfläche im Großen Saal, der eine Gesamtlänge von 36,5 Meter, eine Breite von 18 Meter und eine lichte Höhe von 16 Meter hat. Die Täfelung wurde in München gefertigt, sagte Alt-OB Georg Straus.

Die Kassettendecke ist aus Nadelholz, optisch kaum zu unterscheiden vom Kirschbaumholz. Auch sie war bei der Fertigstellung des Regentenbaus 1913 lackiert worden. Doch das habe die Akustik enorm beeinträchtigt, so dass die Decke umgehend sandgestrahlt wurde, weiß Straus aus den Erzählungen seines Vaters. Und in diesem Zustand fanden die Sanierer die Decke vor, als die Restaurierung im Großen Saal im September 2001 begann, erzählt Full. Dabei wurden von der 700 Quadratmeter großen Decke 100 Kilogramm Staub entfernt.

Doch die Holztäfelung allein macht noch keine gute Akustik. Es ist der Resonanzraum hinter der Täfelung, sagt Full. Zwischen Wand und Holzverkleidung sei ein Zwischenraum von fünf bis zehn Zentimeter. Das wirke wie ein riesiger Resonanzkörper, der schwingen kann – ähnlich einer Geige.

Dieser Hohlraum sei ganz wichtig für die Akustik, so Full. Deshalb sei die Holzvertäfelung bei der Sanierung auch nicht abgenommen worden. Lediglich partiell wurden einige geschädigte Flächen ausgebessert.

Dass sich die Akustik durch die Sanierung nicht verschlechtert hat, wurde durch Messungen der Nachhallzeiten belegt, erklärt Full. Die Wölfel Firmengruppe Würzburg habe diese Untersuchungen vor und nach der Sanierung vorgenommen.

Die Messung erfolgte am 26. April 2005 zwischen 9 und 11 Uhr, geht aus den Unterlagen hervor. Einmal war der Saal vollständig bestuhlt und das Orchesterpodium leer. Sämtliche Türen waren geschlossen und die Stoffvorhänge an den Fenstern im Obergeschoss zurückgezogen. Bei einer zweiten Messung wurden die Stoffvorhänge zugezogen. Es gab Messungen an vier Mikrofonpositionen, und zwar in den Frequenzen zwischen 80 und 8000 Hertz.

Die Nachhallzeiten haben sich nach der Sanierung kaum verändert. Sie liegen bei 80 Hertz vor der Sanierung bei 1,2 Sekunden, nach der Sanierung ohne Vorhänge bei 1,1. Bei 1000 Hertz ergibt sich eine Nachhallzeit von 1,82 Sekunden, vor der Sanierung lag sie bei 1,85. Im höheren Frequenzbereich ist die Nachhallzeit um 0,1 bis 0,3 Sekunden höher, bei 4000 Hertz wurde eine Nachhallzeit von 1,54 Sekunden gemessen, vor der Sanierung lag sie bei 1,25 Sekunden. Der Einfluss der Vorhänge auf die Akustik ist laut Messunterlagen minimal, die Veränderung der Nachhallzeit reicht von 0,0 bis 0,1 Sekunden.

Mit diesen Werten ist der Große Saal des Regentenbaus vergleichbar mit der Usher Hall in Edinburgh oder der Symphony Hall in Boston. Deren Nachhallzeiten liegen laut Festschrift zwischen 1,3 und 1,8 Sekunden.

Auch nach 100 Jahren bestätigt sich die Feststellung in der Reihe Denkmäler in Bayern: „Der Regentenbau, ein Hauptwerk Max Littmanns, auswärtiges Glanzstück Münchner Architektur und Dekorationskunst der endenden Prinzregentenzeit, besitzt in seinem Festsaal einen der schönsten Konzertsäle des späten Jugendstils.“

Fotos: Siegfried Farkas/Ursula Lippold

Regentenbau bei Nacht.
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Lang Lang beim Kissinger Sommer.
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