Broschüren über Bad Kissingen gibt es viele. Aber die neue muss man haben, wenn man sich kurz und knackig über den Welterbe-Titel informieren will, den Bad Kissingen nach schier endlos lang scheinender Vorbereitungszeit dann im Juli 2021 endlich von der Unesco zugesprochen bekam – freilich im Verbund mit zehn anderen europäischen Kurorten.
Zugegeben, der Welterbe-Titel "The Great Spa Towns of Europe", der auch auf der neuen Broschüre prangt, ist sperrig. Aber er wird es bleiben, weil er überall mit hin muss, wo es darum geht zu erklären, warum elf Städte aus sieben Ländern jetzt ein gemeinsames Erbe angetreten haben. Er muss auch genannt werden, wenn man darstellen will, was das Kulturerbe Bad Kissingens ausmacht und welche geopolitische, medizinische und gesellschaftspolitische Relevanz die Kur zwischen 1700 und 1930 auch im Fränkischen hatte.
Gelegentlich wird auch die Phantasie beflügelt
Warum entwickelten sich eigentlich all diese Kurstädte damals zu Hotspots der meist höheren Gesellschaftsschichten? Was zeichnete eine solche Kurstadt aus und was verbanden die Kurgäste mit ihrem Aufenthalt? Fragen, die in dem Heft schnell auf den Punkt gebracht werden. Die Erklärungen sind kurz, aber die Phantasie beflügelt ja bekanntermaßen.
Man fuhr zur Kur, um Krankheiten vorzubeugen, heißt es da beispielsweise. Aber manche seien auch gekommen, um Heiratskandidaten für ihre Söhne und Töchter zu suchen. Da sieht man plötzlich im Geiste junge Damen in langen Roben artig neben dem Vater im Kurgarten promenieren. Sie drehen mit ihren behandschuhten Händen kokett ihre filigranen, weißen Sonnenschirmchen und lugen dabei verstohlen einem adrett gekleideten und natürlich gutsituierten jungen Mann hinterher.
Ein Bad Kissinger Alleinstellungsmerkmal
Wer noch nicht wusste, wie die anderen zehn "Gewinner"-Kurorte heißen, kann sich diese Informationen jetzt schnell in der Broschüre erlesen. Und dann geht‘s freilich auch speziell um den Kurort Bad Kissingen und dessen Vorzüge, die für den Unesco-Titel relevant waren und sind. Die Bäderstadt hat übrigens mindestens ein Alleinstellungsmerkmal unter den elf europäischen Kurorten: Es ist die einzige Stadt mit Einrichtungen zur Gewinnung und Nutzung von Sole.
Für Bad Kissinger mögen die Erklärungen der sieben natürlichen Heilquellen der Stadt plus eines Bitterwassers Binsenweisheiten sein. Für Ausflügler und Kurgäste ist das aber ein spannendes Kapitel. Ebenso interessant ist es zu lesen, dass die kurierende und Krankheiten vorbeugende Wirkung der Heilwässer schon seit rund 500 Jahren bekannt ist. Aber erst ab der Aufklärung im 18. Jahrhundert begann man in den Kurorten allmählich damit, die Heilwasser-Behandlungen auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen.
Auch diese Information ist verblüffend neu: In Bad Kissingen entstand 1738 weltweit der erste Kurgarten, der explizit zu Kurzwecken geplant und angelegt wurde. Es geht in dem Heft aber auch um kurstadtspezifische Architektur und Infrastruktur sowie um die speziell für die Kurbedürfnisse gestaltete Landschaft.
Bad Kissingen bleibt königlich
Was man vermisst: Für Kurgäste und Touristen wäre es vielleicht auch interessant gewesen zu erfahren, wem die Stadt all diese Prachtbauten, die da zu besichtigen sind, zu verdanken hat. Freilich kann man nicht die ganze Bad Kissinger Historie auf den 38 Seiten der Broschüre abbilden. Das ein oder andere wäre aber eventuell erwähnenswert gewesen.
So zum Beispiel, dass schon Anfang des 18. Jahrhunderts einer der Fürstbischöfe von Würzburg Kissingen zu einem Kurort machen wollte, der an Karlsbad heranreichen sollte. Deswegen wurde unter anderem die Saale damals ein Stück nach Südwesten verlegt.
Und was die Architektur der Kurbauten angeht, hat Bad Kissingen ganz besonders vom Einfallsreichtum (und natürlich vom Geld) der bayerischen Könige profitiert. Und heute profitiert die Stadt in dieser Hinsicht vom Freistaat.
Am informativen Inhalt der Broschüre ändert dies aber nichts: Das Heft ist ein rundum gelungener Beitrag, um die elf Welterbe-Städte, allen voran Bad Kissingen, spannend und frisch zu erhellen.
Gestaltung und Text des Hefts wurden von der Welterbe-Koordinatorin Anna Maria Boll und der Historikerin Birgit Schmalz, in Zusammenarbeit mit dem Atelier Stefan Issig vorgenommen.
Erhältlich ist das Heft ab sofort kostenfrei im Rathaus, im Stadtarchiv (Promenadestraße), im Museum Obere Saline und in der Tourist-Information (Arkadenbau) sowie online unter www.welterbe.badkissingen.de