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Bad Kissingen
Wie das Olli-Bott-Trio Genre-Grenzen sprengt
Das Olli-Bott-Trio spielt im Rahmen des Kissinger Sommers im Garten des Hotels Kaiserhof Victoria. Ein musikalisches Abenteuer von Klassik bis Jazz. Wie verschiedenste Genres vermischt werden.
Das Olli-Bott-Trio im Garten des Hotels Kaiserhof Victoria.
Foto: Gerhild Ahnert | Das Olli-Bott-Trio im Garten des Hotels Kaiserhof Victoria.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 26.07.2024 02:45 Uhr

Wenn die Erinnerung nicht trügt, hat die traditionelle Jazzmatinee im Garten des Hotels Kaiserhof Victoria bisher fast immer Glück mit dem Wetter gehabt. Natürlich war es manchmal auch ziemlich kalt, und der Wind pfiff über die Wiese. Im Vordergrund der Erinnerung stehen auf jeden Fall Konzerte, in denen die Schattenplätze zur Mangelware wurden.

Namensgeber des Olli-Bott-Trios

Dieses Mal konnte das Wetter gar nicht schlecht sein, denn das Olli-Bott-Trio hatte sich angekündigt. Das sind der Namensgeber am Vibraphon, Arnulf Ballhorn am Kontrabass und Kay Lübke am Schlagzeug, fast die klassische Kammerjazz-Besetzung – nicht unbedingt etwas fürs Freie, aber es funktionierte ausgezeichnet.

Sie hatten ein Programm angekündigt unter dem Titel „Chronicles of Jazz  – Eine Abenteuertour durch die Musikgeschichte“. Was hatte man sich darunter vorzustellen? Fantasiegeschichten, „in denen Kompositions-Giganten aus Klassik, Jazz und mehr aufeinandertreffen und eine Jamsession miteinander spielen."

Das Programm

Das Trio sprengt die Grenzen unterschiedlicher Genres, indem es Maurice Ravels „Bolero“ mit Duke Ellingtons „Caravan“, Johann Sebastian Bachs „Allemande“ aus der der d-Moll-Sonate für Violine Solo mit Metallicas „Nothing Else Matters“ oder Erik Saties „Première Gnossienne“ mit Milt Jacksons „Bags Groove“ vermischt. Die Kompositionen gehen ineinander über und werden in einer Jazzjam vom Trio mit viel spontaner Spielfreude jeweils zu einem einzigen Stück vereint.“

Und es gab auch zwei Eigenkompositionen von Olli Bott: „Content Nr. 5“ (als einziges Stück unvermischt) und „Inges Lied“. Inge ist Olli Botts Frau. Aber musste er diese Liebeserklärung an sie ausgerechnet mit dem Einschlaflied „Guten Abend, Gute Nacht“ von Johannes Brahms kombinieren? Hätte es nicht Carmen oder „Bei mir bist du schön“ sein können? Die hatte er auch im Angebot.

Das Sprengen von Genre-Grenzen

Die Kombination von verschiedenen Stücken ist an sich nichts Neues. Sie begann mit der Erfindung des Potpourri. Und spätestens seit Jacques Loussier wissen wir, dass man mit Bach so gut wie alles machen kann – also auch ihn verbinden mit Metallica.

Abenteuerlich ist das schon lange nicht mehr. Geheimnisvoll ist bei Olli Bott die Frage, wer wen wann ablöst und sich wieder zurückzieht. Insofern ist das Bild von dem Trio, das die Grenzen unterschiedlicher Genres sprengt, durchaus irreführend. Denn bei Sprengungen gibt es immer ziemlichen Krach. Die Staubentwicklung wollen wir mal vergessen.

Und diesen Krach gab es bei Olli Bott nicht. Er kann sich glücklich schätzen, dass er mit Arnulf Ballhorn und Kay Lübke zwei derart starke Begleiter hat, die viel Phantasie haben und auch ganz spontan reagieren können, die in ihren Soli jede Menge melodische Einfälle und Klangfarben zeigten.

Olli Bott spielt nur für sich

Das waren immer kleine Weckrufe. Denn mit Olli Bott konnte man ein Problem bekommen (musste man natürlich nicht). Er ist sicher ein fabelhafter Virtuose – was er in dieser Matinee nicht wirklich zeigen musste. Und man glaubte ihm, dass er die Stücke ausgewählt hatte, die er gerne spielt.

Aber er wirkte, als spielte er sie wirklich nur für sich selbst, nach innen gewandt und immer in einem friedlichen Mezzopiano bis Mezzoforte – nein, stimmt nicht: Manchmal, vor allem an den Schlüssen, wurde er ganz leise. Aber dieser schmale dynamische Korridor sorgte dafür, dass alle Stücke gleich klangen, in den Effekten nivelliert waren – auch wenn man die Melodien erkannte.

Ich hätte mir gewünscht, dass Olli Bott wirklich mal draufhauen würde, dass er die Einförmigkeit sprengen würde, dass er die Klangfarbenpalette wenigstens ein bisschen erweitern würde, dass er zeigen würde, dass die Vibraphonplatten aus einer harten Metalllegierung bestehen, die auch schneidende und sogar aggressive Töne möglich machen. Seine beiden Begleiter hätten ihm die Gefolgschaft mit Sicherheit nicht verwehrt. Und man hätte als Zuhörer nicht irgendwann einmal das Gefühl bekommen, alles schon einmal gehört zu haben.

Überraschende Unterbrechungen

Und zum Schluss noch eine Zahl für die Statistiker unter den Besuchern: Während des Konzerts sind sieben motorisierte Kleinflugzeuge bei ihrem Start über das Hotel und durch die Musik geflogen. Ein Fluggerät setzte zur Landung an. Man muss offenbar in ein Freiluftkonzert gehen, um zu bemerken, welch wichtiger Flugverkehrsknotenpunkt der Airport in der Au ist.

Dass in das allererste, geradezu delikate Intro von Olli Bott die Glocken der Herz-Jesu-Stadtpfarrkirche hineinläuteten, war eher amüsant. Dafür, dass das Duett ungeprobt war, war es gar nicht mal schlecht. Und es zeigte, dass die katholische Kirche in mancher Hinsicht doch Weltoffenheit besitzt. Aber es zeigte auch, dass mindestens acht Piloten nicht im Sonntagsgottesdienst waren.

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