
Immer wieder gab es in den letzten Jahren Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten und Arzneimitteln. Doch wurden 2024 beim Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) weniger Lieferengpässe gemeldet als noch 2023. Wie sieht die Lage zurzeit bei Apotheken im Landkreis Bad Kissingen aus?
„Es ist ein alltägliches und lästiges Thema für uns“, beschreibt Tilman Bayer, Inhaber der Ludwig-Apotheke in Bad Kissingen die Situation der Lieferengpässe. „Wir haben einen sehr hohen personellen und finanziellen Aufwand und bekommen den berechtigten Unmut der Patienten zu spüren.“
Es sei frustrierend, für die Verfehlungen der Politik aufkommen zu müssen, „weil uns der Gesundheitsminister mit Verbesserungen hinhält“.
Auch das seit 2023 bestehende Lieferengpassgesetz hilft seiner Meinung nach nicht: „Herrn Lauterbachs Gesetz verpufft in der Versorgung der Patienten weitestgehend wirkungsfrei. Und das war klar, denn das Gesetz umfasst nur etwa zwei Prozent der Arzneimittelversorgung, 98 Prozent also gar nicht.“
Personal wird gebunden
Als nicht sehr kritisch bezeichnet Susanne Sterzinger die derzeitigen Lieferengpässe bei Medikamenten: „Es gibt immer wieder Schwierigkeiten aus unterschiedlichen Gründen", erklärt die Inhaberin der Löwen-Apotheke in Münnerstadt.
"Wir versuchen, auf andere Firmen auszuweichen, empfehlen Patienten, sich rechtzeitig um ein neues Rezept zu bemühen und stellen uns mit vier Großhändlern breit auf. Wir versuchen also, viele Optionen offenzuhalten, was aber sehr zeitaufwändig ist und Energie kostet."
Beispielsweise sei die Inhalationslösung von Salbutamol, einem Arzneimittel zur Behandlung von Atemwegserkrankungen, derzeit nicht lieferbar, das Spray dazu aber schon. „Dann wird die Arzneiform in Absprache mit dem Arzt geändert und dem Kunden die Handhabung erklärt. Da klappt die Zusammenarbeit mit den Arztpraxen hier auf dem Land super“, so Susanne Sterzinger. Das sei ein Vorteil der Apotheke vor Ort gegenüber dem Onlinehandel.
Neue Spielräume für Apotheken
Durch das Lieferengpassgesetz gibt es nun mehr Spielraum, findet die Apothekerin. „Es sind jetzt kleine Änderungen am Rezept möglich, zum Beispiel statt einer 100er-Packung zwei 50er-Packungen herauszugeben oder etwas aus einer Großpackung zu entnehmen, ohne dass man als Apotheke finanziell drauflegt.“
Nichtsdestotrotz binden die Lieferengpässe Personal, das in der Löwenapotheke zurzeit sowieso schon knapp ist. „Wir suchen Personal, habe viel Aufklärungsarbeit, müssen viel mit Arztpraxen Rücksprache halten, die auch oft unterbesetzt sind, telefonieren mit Firmen, versuchen über unterschiedliche Portale zu bestellen – es könnte schon flüssiger laufen“, resümiert die Apothekerin.
Kollegen vor Ort helfen sich gegenseitig
„Die Lage ist immer noch angespannt, in einigen Bereichen drastisch, in anderen hat es sich gebessert“, ist die Einschätzung von Sebastian Hose von der Einhorn-Apotheke in Hammelburg. „Einzelne Antibiotika fehlen kontinuierlich, Kochsalzlösung ist nicht lieferbar und wir haben zurzeit einen eklatanten Mangel an Azithromycin in flüssiger Darreichungsform, was in der Kinderheilkunde wichtig ist“, zählt er auf.
Die Folgen seien ein "horrender" Zusatzaufwand: viel Rücksprache mit den Arztpraxen , viel Aufklärungsbedarf bei den Patienten, zusätzliche Gebrauchsinformationen, wenn das Präparat aus dem Ausland bezogen wurde. Teilweise muss Sebastian Hose seine Kunden in die Arztpraxis zurückschicken und manchmal muss dieser die bestehende Therapie sogar umstellen.
Arztpraxen werden vorab informiert
„Wir informieren die Praxen vorab, wenn es abzusehen ist, dass ein Medikament zur Neige geht, damit es erst gar nicht verschrieben wird.“ Erleichterungen durch das Lieferengpassgesetz hat der 63-Jährige, der seit zwanzig Jahren die Apotheke am Hammelburger Marktplatz führt, noch nicht gespürt.
„Mir tut es vor allem für Eltern leid, die schon genug mit ihrem kranken Kind zu tun haben und dann zur nächsten Apotheke geschickt werden müssen. Aber die Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort funktioniert sehr gut.“
Forderung nach einfachem System
Als ein Schritt in die richtige Richtung bezeichnet Ulrike Holzgrabe, Professorin am Institut für Pharmazie der Universität Würzburg , das Lieferengpassgesetz: „Aber man muss an dieser Front auch von politischer Seite weiterarbeiten. Insgesamt muss das hochkomplexe Rabattsystem vereinfacht werden.“
2024 wurden dem Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) weniger Engpässe (892) gemeldet als im Jahr zuvor (1017), informiert deren Pressesprecher Maik Pommer. „Insgesamt sind in Deutschland rund 100.000 Arzneimittel zugelassen, davon bestehen aktuell bei rund 460 Arzneimitteln Lieferengpässe.“ Das entspreche 0,46 Prozent.
