Dass der Österreicher und international anerkannte Beethoven-Spezialist Rudolf Buchbinder mit den Bamberger Symphonikern - Bayerische Staatsphilharmonie in den Regentenbau kommt, ist für die Besucher des Kissinger Sommers nicht neu - auch wenn das erste Mal mindestens 15 Jahre zurückliegt. Da leitete er vom Flügel aus das Orchester und spielte mit ihm an zwei aufeinanderfolgenden Abenden alle fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven - ein Projekt, zu dem sogar neidische Stimmen aus München kamen. Jetzt war er wieder da, leitete wieder vom Flügel aus das Orchester, wenn auch bei einem knapperen Programm. Dennoch war es in zwei Aspekten außerordentlich interessant.
Im Grunde waren es auch dieses Mal drei Klavierkonzerte . Wenn man einen Rudolf Buchbinder schon einmal da hat, will man ihn auch hören. Und er scheint auch das Leiten vom Flügel aus zu mögen.
Zwei Klavierkonzerte von Komponisten, die oft in einem Atemzug genannt werden, aber mit ihren Klavierkonzerten eigentlich nie zusammenkommen, standen im ersten Teil des Konzerts auf dem Programm: das Klavierkonzert D-dur Hob. XVIII:11 von Joseph Haydn und das Klavierkonzert Nr. 20 d-moll KV 466 von Wolfgang Amadeus Mozart . Deutlicher kann man musikalische Entwicklung eigentlich nicht zeigen. Haydns Musik war noch deutlich am Unterhaltungsauftrag orientiert, ein bisschen floskelhaft und berechenbar. Der Orchestersatz ist verhältnismäßig unaufwendig gehalten - so etwas spielen die Bamberger mit ihrer großen Haydn-Erfahrung mit links. Die Klavierstimme ist effektvoll virtuos gesetzt - für Rudolf Buchbinder mit seiner enormen, unaufgeregten manuellen Geläufigkeit auch kein Aufreger. Man hätte sich von ihm nur immer mal ein paar Zäsuren gewünscht, dass die Musik atmen kann.
Und dann das Mozart-Konzert im direkten Vergleich! Es ist nur fünf Jahre später entstanden, aber spielt in einer völlig anderen Sphäre: in der der Subjektivität und Emotionalität. Das zeigt schon die unvermittelt losbrechende dramatische Einleitung des Orchesters in d-moll, der Tonart der Düsternis. Und Solist und Orchester zeigten im weiteren Verlauf, dass Mozart hier die Gefilde der Harmlosigkeit verlassen hat. Wobei es vor allem das Orchester war, das diese Dramatik in differenzierter Dynamik, Agogik und in den Klangfarben artikulierte.
Rudolf Buchbinder hielt mit seinem von ihm gewohnten klaren Anschlag dagegen, begegnete dem Druck mit klarem, aber auch distanziertem Anschlag. Denn wovon man sich bei ihm - im Gegensatz zum Orchester - doch etwas mehr gewünscht hätte, was das, was Nikolaus Harnoncourt gerne "Klangrede" nannte: eine stärker gestaltete, erzählende Spielweise.
Der zweite Teil brachte ein leider nur sehr selten aufgeführtes, aber wunderschönes Werk: Die Fantasie c-moll für Klavier, Chor und Orchester op. 80 (auch "Chorfantasie genannt) - ein verkapptes Klavierkonzert . Denn in dem stufenweise aufgebauten Werk ist das Klavier die ersten 26 Takte vollkommen alleine, darf sich in die Musik hineinfantasieren. Dann wird es 26 weitere Takte vom Orchester begleitet. Der Hauptteil beginnt mit farbigen Orchestervariationen, aus denen das Klavier gelegentlich auftaucht, erst im Takt 398 setzen erst die Chorsolisten, dann der gesamte Chor ein.
Das Werk ist bei Musikern beliebt, weil sie sich alle erkennbar und hörbar zeigen können, und das Klavier kann den Charakter der ganzen Aufführung ungehindert festlegen. Das Orchester kann sich über die Celli und Kontrabässe leise in das Klavierspiel einschleichen und mit geradezu tänzerisch-volkstümlichen Melodien gute Laune verbreiten. Und der Chor krönt das Ganze und bringt es zu einem triumphalen Abschluss.
Es war eine Aufführung, die Spaß machte, die aus einem Guss war und trotzdem in allen Einzelteilen gut erkennbar war. Es war ein animiertes Musizieren, schwungvoll und farbenreich. Und einmal mehr überzeugte der Symphonische Chor Bamberg mit seiner guten Vorbereitung und Präsenz und höchst engagierten Chorsolisten. Die Zugabe konnte den Genuss verlängern: Es war die Wiederholung des Finales ab dem Choreinsatz. So kamen alle noch einmal vor.