
Pünktlich um 9 Uhr könnte die Verhandlung im Sitzungssaal 030 des Amtsgerichts Bad Kissingen eigentlich beginnen. Fast alle sind da: Richterin , Staatsanwalt , Gerichtsschreiberin und fünf Zeugen. Nur der Angeklagte fehlt.
Mit Streifenwagen abgeholt
Eine Polizeistreife wird losgeschickt, um den 21-Jährigen zu holen. Nach etwa 30 Minuten führen die Beamten den Beschuldigten herein. „Brauchen Sie einen Extra-Service?“, fragt ihn die Richterin . Er entschuldigt sein Fehlen mit einer Spätschicht auf seiner Arbeitsstelle.
Der Staatsanwalt schildert in seiner Anklageschrift, was sich Ende August vergangenen Jahres vor einer Diskothek in Bad Kissingen abgespielt hat. Gegen 2 Uhr morgens hatte eine Anwohnerin die Polizei verständigt, weil ein Betrunkener vor dem Lokal randalierte.
Flüche und Beleidigungen
Die Besatzung eines Streifenwagens der Polizeiinspektion Bad Kissingen wurde von dem Mann mit derben Flüchen und wüsten Beleidigungen empfangen. Mehrmals sprechen die Ordnungshüter einen Platzverweis aus. Er geht ein Stück weg, kommt dann aber immer wieder und beschimpft die Polizei erneut.
In der Zwischenzeit trifft eine zweite Streife ein. Auch diese Beamten müssen Beleidigungen über sich ergehen lassen. Schließlich legen sie dem Krakeeler Handschellen an und wollen ihn ins Polizeiauto setzen.
Heftig gewehrt
Doch der Beschuldigte wehrt sich heftig und stemmt sich mit den Beinen gegen die Fahrzeugtür. Mit vereinten Kräften kann er schließlich auf der Rückbank platziert werden.
Im Lauf des Gerangels soll der Betrunkene auch versucht haben, einen Beamten zu beißen. Während der gesamten Fahrt zur Polizeiinspektion setzt er seine Beleidigungen fort.
2,2 Promille Alkohol im Blut
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff und Beleidigung wirft der Staatsanwalt dem Angeklagten vor. Die Blutprobe auf der Polizeiwache ergibt einen Wert von 2,2 Promille.
Die Vorsitzende gibt dem 21-Jährigen Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. „Ich kann mich an nichts erinnern. Wir haben gefeiert und dann bin ich Zuhause aufgewacht.“
Keine Erinnerung an Polizeiwache?
Von dem Polizeieinsatz und der kurzfristigen Unterbringung in einer Zelle weiß er angeblich nichts. Auch dort, so berichtet ein Beamter, habe er fast durchgehend geschrien und getobt.
Die Richterin hält dem jungen Mann vor, dass er im November 2024 ebenfalls stark betrunken war und deshalb mit der Polizei zu tun hatte. Er habe seit November nicht mehr getrunken, versichert er.
Doch wieder betrunken
Ein Polizist schildert aber einen weiteren Fall. An Silvester musste eine Streife kommen, weil der Angeklagte wieder einmal betrunken und auffällig war. „Sie haben doch eben gesagt, dass Sie seit November nicht mehr betrunken waren“, wirft ihm die Richterin vor. Darauf hat er keine Antwort.
Ein Bodycam-Video wird abgespielt, das den Angeklagten auf der Polizeiinspektion zeigt. „Erstaunlich, wie deutlich Sie mit 2,2 Promille noch sprechen können“, meint die Vorsitzende.
Fünf Einträge im Strafregister
Im Strafregister gibt es fünf Einträge: Diebstahl, vorsätzliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung. Eine Geldstrafe des Amtsgerichts Bad Kissingen in Höhe von rund 4500 Euro ist noch nicht bezahlt.
Der Staatsanwalt sieht alle Anklagepunkte bestätigt und fordert eine Gesamtstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Zudem soll ein einjähriges Alkoholverbot verhängt werden, das durch unangekündigte Tests kontrolliert wird.
„Mein Verhalten war nicht in Ordnung“, sagt der Angeklagte vor der Urteilsverkündung. Und: „Mein Alkoholkonsum in dem Zeitraum war viel zu hoch.“
Das Urteil
Das Gericht verurteilt den Mann zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Er darf für zwölf Monate keinen Alkohol trinken und muss 1000 Euro zahlen.
Die nicht beglichene Geldstrafe von 4500 Euro hat das Gericht in das Urteil einbezogen. Sie ist damit erledigt.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft haben auf Rechtsmittel verzichtet. Damit ist das Urteil rechtskräftig.