Drei Hobbys hat Robert Reuscher aus dem Stadtteil Burghausen: Imkerei, Schnitzen mit der Motorsäge und Wandern . Auf Einladung von Baldur Kolb kam er ins Erzählcafé im Seniorenzentrum St. Elisabeth, um über seine Erlebnisse auf dem Jakobsweg und sein Hobby als Schnitzer zu berichten.
Schon im Jahr 2005 sah er einen Diavortrag über den Jakobsweg - "und ich habe Gänsehaut bekommen". Seine Frau hatte die Idee, den Weg in Etappen zu gehen. Im Herbst 2015 begannen sie damit und kamen 2017 bis nach Konstanz an der Schweizer Grenze. Weiter wollte Reuschers Frau nicht. Im Jahr darauf machte er sich deshalb allein auf den Weg und startete am Sonntag, 29. Juli 2018, in Burghausen, denn "der Jakobsweg beginnt vor der Haustüre". Er nahm seinen ganzen Jahresurlaub und feierte Überstunden ab. Verwandte und Freunde verabschiedeten ihn, Pater Markus Reis gab einen Pilgersegen mit auf den langen Weg.
Ständiger Begleiter war ein über zwei Meter langer Pilgerstab aus Lindenholz, der im Lauf der Zeit durch Abnutzung um 17 Zentimeter kürzer wurde. Sein zehn Kilo schwerer Rucksack enthielt nur das nötigste. Um Gewicht zu sparen, hatte er sogar die Zahnbürste abgesägt. Sein zusammengeklebter Pilgerausweis ist über drei Meter lang und enthält Stempel aller Kirchen, die er besuchte und aller Herbergen, in denen er übernachtete.
Fußboden oder Parkbank
Der Pilger aus Burghausen durchquerte zuerst Deutschland, dann absolvierte er 400 Kilometer durch die Schweiz, 1200 durch Frankreich und schließlich 900 durch Spanien, bis er schließlich nach 82 Tagen in Santiago de Compostela in Nordwesten von Spanien ankam. Insgesamt kamen 3100 km zusammen. Er war um einiges schneller, als vorgesehen, denn eingeplant hatte er 110 Tage. Er hatte seine Nachtquartiere im Gegensatz zu anderen Pilgern nicht vorher gebucht, deshalb musste er gelegentlich mit einem Fußboden oder einer Parkbank vorliebnehmen. Wegen möglicher Bettwanzen übernachtete er sowieso immer im eigenen Schlafsack. Die Herbergen waren meist einfach. Als er einmal eine mit einem eigenen Schwimmbad hatte, war das für ihn ein richtiger Luxus.
Eigentlich wollte er ein einen Tag Pause in Pamplona einlegen, um dort einmal auszuschlafen, zum Friseur zu gehen und natürlich die Kathedrale zu besuchen. "Doch ich bin schnell wieder geflüchtet", berichtet Reuscher, denn er hatte sich bei der Wanderung auf den einsamen Wegen an die Stille gewöhnt. Deshalb hat er nie einen Tag Pause gemacht. Im Schnitt war er 31 Kilometer pro Tag unterwegs, die längste Etappe betrug 48 Kilometer, da die ursprünglich anvisierte Herberge belegt war. Trotz dieses hohen Laufpensums hatte er auf dem ganzen Weg keine einzige Blase an den Füßen.
Echte Freunde
Was erlebt ein Pilger auf dieser Strecke? "Die Gastfreundschaft gegenüber den Pilgern ist ziemlich hoch" freut er sich. Vor allem: Unterwegs ist er anderen Pilgern begegnet, die zu echten Freunden wurden, und mit denen er noch heute mehr oder weniger intensiven Kontakt hat.
Passiert ist nichts, "sicherheitshalber hatte ich Pfefferspray dabei, aber ich brauchte es zum Glück nicht". Der Sommer 2018 war sehr heiß mit Temperaturen von 38 bis 45 Grad. Doch ausgerechnet als er in Santiago de Compostela ankam, regnete es den ganzen Tag über in Strömen. Natürlich besuchte er die Kathedrale und ließ sich in seinen extra langen Pilgerausweis, der viel bestaunt wurde, einen Stempel geben. Da er, wie schon erwähnt, viel früher als eigentlich geplant am Endpunkt einer Pilgerreise angekommen war, marschierte er noch 100 Kilometer weiter bis Kap Finisterre. Dort holte ihn eine Frau ab, die nach Santiago geflogen war. Gemeinsam ging es dann zurück nach Deutschland.
Ein ganzes Dutzend Motorsägen
Robert Reuscher stellte sich natürlich auch vor. Der 61-jährige hat zwei Kinder und vier Enkel. Sein Vater trieb im Sommer eine Landwirtschaft um, im Winter arbeitete er bei der Stadt. Er brachte oft Wurzeln mit nach Hause, die der Sohn zum Schnitzen benutzte. Eines Tages kam er auf die Idee, "nimm mal die Motorsäge, das geht vielleicht schneller". Gesagt, getan, und Robert Reuscher entdeckte, dass man damit sehr fein arbeiten kann. Nicht umsonst besitzt er heute ein ganzes Dutzend Motorsägen aller Größen. Ein besonders beliebtes Motiv sind Tierköpfe aller Art. Etwas ganz Besonderes aber sind seine Bänke, zum Beispiel eine mit dem Kuh-Kopf am linken und dem Hinterteil am rechten Seitenteil. "Meine Figuren sind in halb Europa verstreut" erklärt er.
Zum Beispiel kam er bei einer Wanderung in Südtirol auf eine Hütte, sah dort ein passendes Holzstück und eine Motorsäge und legte los. Der begeisterte Wirt wollte ihn gleich dabehalten, damit er weitermacht. In Deutschland gibt es nur wenige Künstler mit der Motorsäge. "In Kanada gibt‘s das ganz viel. Dort habe ich auch sägen dürfen. Die wollten mich auch gleich da behalten", erzählt Reuscher. Doch er wollte lieber zurück in die unterfränkische Heimat. Insbesondere, wer eine Bank von ihm haben will, sollte sich beeilen, denn "das Schnitzen geht arg ins Kreuz, weil man sich bücken muss. Ich mach‘ das nicht mehr ewig".
Pferde- oder Adlerköpfe
Noch einmal zurück: Nach der Schule machte der junge Robert eine Lehre bei Vorndran in Kleinwenkheim , und nach der Bundeswehr musste er die väterliche Landwirtschaft übernehmen. Um dafür Zeit zu haben, arbeitete er 15 Jahre in Schichtarbeit als Schweißer bei Remog. Er sattelte um, machte die Straßenwärterprüfung und betreut heute im Landkreis Rhön-Grabfeld je 800 Kilometer Wander- und Radwege. Aus vielen Baumstümpfen entlang dieser Wege wurden in diesen Jahren Pferde- oder Adlerköpfe. Doch auch in den Wäldern rund um Münnerstadt oder beim berühmten Kreisel in seinem Heimatdorf hat Reuscher Spuren hinterlassen.