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Bad Kissingen
Wenn der Weihnachtsmann aus dem großen Buch der kleinen Sünden liest
Günter Falkenberg war drei Jahrzehnte lang Nikolaus mit Herz und Seele und hat so manche Anekdote parat. Warum der Petrus auch mal bei ihm am Handy klingelte.
Günter Falkenberg war lange Jahre für Groß und Klein der Nikolaus.
Foto: Isolde Krapf | Günter Falkenberg war lange Jahre für Groß und Klein der Nikolaus.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 01.01.2022 02:18 Uhr

32 Jahre lang hat Günter Falkenberg aus Aschach bei seinen Auftritten als Nikolaus die Herzen von Mädchen und Buben höher schlagen lassen, ob in seinem Heimatort selbst oder in Bad Bocklet und Hohn, aber auch in Bad Kissingen und Hammelburg. Wobei dem ein oder anderen Bengel das Herz wohl gelegentlich in die Hosentasche rutschte, wenn der Mann im roten Gewand mit der Rute zur Tür hereinkam und ausgerechnet ihm als erstem aus seinem großen Weihnachtsbuch gehörig die Leviten las. Aber natürlich ahnten die Kinder da bereits: Wenn sie versprächen sich zu bessern, würde der rotgekleidete Mann mit dem weißen Rauschebart tolle Sachen aus seinem großen Geschenke-Sack hervorzaubern.

Günter Falkenberg ist eigentlich gelernter Maschinenschlosser, hat lange Jahre im pharmazeutischen Dienst der Bad Kissinger Boxberger Apotheke gestanden und war danach fast ein Jahrzehnt technischer Leiter in der Bad Kissinger Luitpoldklinik. Dann wechselte er zu einem Medizinunternehmen und ging dort in Rente. Der 75-Jährige war sein Leben lang beruflich vielseitig, sozusagen ein "Mann für alle Fälle".

Die Qualifikationen eines Nikolauses

Kein Wunder, dass er auch in seinem "Zweitberuf" als Nikolaus gut ankam. Lernen kann man so etwas nämlich nicht, davon ist der alteingesessene Aschacher überzeugt. Man sollte auf jeden Fall gewisse Fähigkeiten für diesen schönen Nebenjob mitbringen, erklärt er augenzwinkernd und zählt auf: Der Nikolaus muss auf jeden Fall Kinder mögen, respektvoll durchgreifen können, aber auch einfühlsam sein und er darf keine Angst verbreiten. "Und er muss vor allem schlau sein und sich was Gescheites für die Kinder ausdenken", benennt Falkenberg die letzte Schlüssel-Qualifikation für diesen heiligen Dienst.

Günter Falkenberg bei einem Besuch in Bad Kissingen.
Foto: Archiv Julia Träger | Günter Falkenberg bei einem Besuch in Bad Kissingen.

Denn früher sei es durchaus üblich gewesen, dass verschiedene Eltern im Ort ihm vor dem Nikolaus-Rundgang im Dorf ihre Zettel in den Briefkasten warfen, auf denen die Schwächen ihrer Sprösslinge vermerkt waren und oft auch Vorschläge zur Besserung gleich mitgeliefert wurden, erzählt Falkenberg schmunzelnd. Seine Aufgabe sei es dann gewesen, die Anliegen der Eltern unauffällig zu verarbeiten und hernach bei seinen Auftritten vor den Kindern diesbezüglich wirksame Maßnahmen herbeizuführen.

Zettel der Eltern im Briefkasten

Um dabei alles richtig zu machen, notierte sich Falkenberg in seinem großen Nikolausbuch die Eigenschaften der Knirpse und dachte sich Verbesserungsvorschläge aus, die er dann alsbald vor den Kindern mit tiefster Stimme rezitierte.

"Hat sein zweites Seepferdchen bestanden und hilft beim Plätzchenbacken (Lob!). Sagt nicht immer die Wahrheit, will nicht mit Oma lesen, motzt und glotzt, wenn es nicht nach seinem Kopf geht (Tadel!)", das hatte er sich beispielsweise für einen siebenjährigen Bengel namens Andreas notiert.

Oder: "Braucht keinen Schnuller mehr und geht gern in den Kindergarten (Lob!). Will aber nicht aufs Klo, hat noch eine Windel. Hört schlecht, man muss alles hundert Mal sagen (Tadel!)", so lautete die Beschreibung für den zweieinhalbjährigen Thomas im Buch des Heiligen Mannes.

Klingeling! Die einstige Türglocke aus einem alten Gebäude in Aschach diente dem Nikolaus Günter Falkenberg als wichtiges Utensil.
Foto: Isolde Krapf | Klingeling! Die einstige Türglocke aus einem alten Gebäude in Aschach diente dem Nikolaus Günter Falkenberg als wichtiges Utensil.

Ein Nikolaus muss schlau sein

"Du kannst doch schon aufs Klo gehen, deshalb nehme ich die Windeln jetzt mit", sagte der Nikolaus später bei seinem Besuch hoheitsvoll zu dem kleinen Thomas und steckte mehrere Pampers demonstrativ in seinen großen Sack. Falkenberg muss heute noch über diese Begebenheit schmunzeln, denn offenbar hatte er den Piefke derart beeindruckt, dass der fortan auf keinen Fall mehr was von Windeln wissen wollte, wie seine Mutter später berichtete.

Der Nikolaus darf auch um keine Antwort verlegen sein, sagt der 75-Jährige und erinnert sich lebhaft daran, wie er einmal plötzlich von so einem Steppke danach gefragt wurde, wo er denn den Schlitten mit den beiden Rentiere gelassen hätte. "Die habe ich wegen des hohen Schnees nicht dabei. Sie stehen drüben in Neusetz beim Norbert Götz in der Scheune und werden gefüttert", sagte er damals.

Von Willi zu Günter zu Jochen?

Den Nikolaus zu mimen, liegt Falkenberg offensichtlich im Blut. Denn schon Günters Vater Willi war Jahrzehnte lang im Dezember gern gesehener Gast bei Kindern aus nah und fern. "Er war bekannt im ganzen Landkreis, weil er das so würdevoll gemacht hat", sagt Günter Falkenberg anerkennend.

Von seinem Vater habe er auch den 8,8 Kilogramm schweren und inzwischen 150 Jahre alten Jägermantel aus russischer Ziegenhaut geerbt, den seine Mutter zu einem eindrucksvollen Nikolausmantel umfunktionierte, erzählt Günter Falkenberg. Heuer habe er nun schweren Herzens sein Ehrenamt niedergelegt. Doch er verrät auch gleich, dass sein Sohn Jochen überlege, diese würdige Position fortan zu besetzen.

Respekt und Freude über den Besuch des Nikolauses sind bei diesen Kindern zu spüren.
Foto: Archiv Stefanie Etzkorn | Respekt und Freude über den Besuch des Nikolauses sind bei diesen Kindern zu spüren.

Auch Nikoläuse gehen mit der Zeit

Der Aschacher ist sicher, dass er die Auftritte als Nikolaus vermissen wird. "Früher waren das für Kinder Riesenereignisse." Das Schönste war für ihn stets, dass die Kinder ihn meist schon aufgeregt erwarteten und die Augen weit aufrissen, wenn er mit feierlicher Stimme zu erzählen begann, so Falkenberg. Und diese Begebenheit freute ihn besonders: Als sich mal ein Mädchen besonders vor ihm erschreckt hatte und davongelaufen war, versuchte er ruhig mit ihr zu verhandeln. Da kam sie dann wieder aus ihrem Versteck heraus und wollte sich plötzlich unbedingt bei dem Heiligen Mann auf den Schoß setzen.

Muss ein Nikolaus in 32 Jahren Amtszeit eigentlich auch mit der Zeit gehen und sich gewissermaßen an Gegebenheiten anpassen? Falkenberg nickt und grinst. Erstens müsse man Namenskunde betreiben, "denn heute heißen die Kinder ja Kim, Flim oder so ähnlich. Und wenn man das nicht richtig ausspricht, kriegt man Ärger." Dass der gute alte Nikolaus im einstigen Bischofsgewand heute zur Kunstfigur mutiert ist und schlicht Weihnachtsmann heißt, stört ihn nicht. "Deswegen bleibt er der Selbe." 

Mit Petrus am Telefon

Gelegentlich habe er auch bei seinen Auftritten vor den Kindern mal ein Handy eingebaut, das dann plötzlich klingelte. Wie sich dann zum Erstaunen aller anwesenden Kinder stets herauszustellen pflegte, war der heilige Petrus am Apparat, der dem Nikolaus zu dem ein oder anderen Kind, das gerade vor ihm stand, noch etwas Positives ins Ohr flüsterte.

Die Frage, ob der Nikolaus in der Moderne überleben wird, beantwortet Falkenberg eindeutig mit Ja. Es gebe ja sowieso den Trend, alte Traditionen wieder hochleben zu lassen. Der Brauch lebe auch deshalb weiter, weil ihn heute noch jeder kennt. "Und außerdem ist der Nikolaus unübersehbar, weil er ja schon im August im Supermarktregal steht."

 
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Kommentare
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  • bernd@czelustek.de
    Wann wird man endlich mal aufhören den Nikolaus mit dem Weihnachtsmann (-kasper) zu verwechseln. Das Zipfelmützengetue hat der Heilige nun wirklich nicht verdient!
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  • jofue123
    Volle Zustimmung. Ich selbst war viele Jahre lang Nikolaus. Aber mit Mitra und Hirtenstab. Und hatte meinen Knecht Ruprecht dabei. Der (Coca-Cola) Weihnachtsmann regt mich auf.
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