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Bad Kissingen
Wenn das Rauschen der Moldau im Regentenbau zu hören ist
Warum der Ersatz für das BBC-Symphony Orchestra aus London viel besser war als Malzkaffee.
Frank Peter Zimmermann (Violine) und am Dirigentenpult Jakub Hruša mit den Bamberger Symphonikern im Regentenbau       -  Frank Peter Zimmermann (Violine) und am Dirigentenpult Jakub Hruša mit den Bamberger Symphonikern im Regentenbau
Foto: Gerhild Ahnert | Frank Peter Zimmermann (Violine) und am Dirigentenpult Jakub Hruša mit den Bamberger Symphonikern im Regentenbau
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 17.08.2022 06:50 Uhr

Ersatz klingt immer ein bisschen abwertend, wie Malzkaffee. Aber er ließ sich nun mal nicht vermeiden. Auch für das zweite Konzert des BBC-Symphony Orchestra, das coronabedingt nicht zum Festival kommen konnte, musste ein Ersatz gefunden werden. Intendant Dr. Tilman Schlömp wurde in der Nähe fündig.

Malzkaffee war das allerdings nicht: die Bamberger Symphoniker - Bayerische Staatsphilharmonie. Und da die Zeit glücklicherweise auch wiederum zu knapp war, um vielleicht einen Gastdirigenten zu suchen, stand der Chef, Jakub Hruša, selbst am Pult. Besser hätte die Chose nicht laufen können.

Denn das verkürzte, da doppelt gespielte Konzert ohne Pause war bestens geeignet, das Publikum in gute Laune zu versetzen, wenn auch nicht mit dem geplanten "Hauch von Proms".

Obwohl: Lustig was das Programm eigentlich nicht. Denn es begann mit Sergej Prokofiev, der im öffentlichen Bewusstsein vor allem als unnachgiebiger Motoriker bekannt ist, und seinem 3. Klavierkonzert. Solist war der 26-jährige Sergey Tanin, Gewinner des Kissinger Klavier Olymps 2020. Für ihn war es bereits der zweite Auftritt in diesem Sommer.

Nach seinem Beitrag zu dem Klaviernachmittag "KlavierOlymp 1" mit Yoel Levanon war das jetzt die Einlösung seines Wettbewerbsgewinns. Bei seinem Rezital hatte er den Eindruck hinterlassen, dass ihm Schumann und die deutsche Romantik (noch) nicht wirklich gut liegen. Deshalb hegte man einige Erwartungen mit Blick auf das Prokofiew-Konzert.

Lyrische Ecken entdeckt

Sergey Tanin hat die Erwartungen erfüllt, aber vollkommen anders als vermutet. Denn er rückte nicht den Rhythmiker Prokofiev in den Vordergrund, wobei er ihn allerdings nicht ignorierte, sondern den Melodiker. Da entdeckte er lyrische Ecken, die er wunderbar ausformulierte, da gestaltete er auch die unvermeidlichen Kraftakte noch differenziert. Da entwickelte er Facetten von Prokofiev, die man nicht nur in diesem Konzert noch nie so plastisch gehört hatte.

Zudem war er sich einig mit Jakub Hruša und dem Orchester . Denn auch das Zusammenspiel war ausgezeichnet organisiert und dosiert. Da gab es keine Auseinandersetzungen, wer am lautesten spielen kann. Da ließ sich Sergey Tanin immer wieder ins Orchester fallen, operierte er als Klangfarbe, ließ sich aber auch von ihm tragen und nutzte die Phasen der Zurückhaltung, die ihm das Orchester bot, zu einer differenzierten Gestaltung. Schade, dass das Konzert nicht aufgenommen wurde. Es hätte zur Referenz werden können.

Bunt und kurzweilig

Neben dem Orchester war auch der zweite Einspringer alles andere als Malzkaffee: Wohl coronbedingt und jenseits längerfristiger Planungsmöglichkeiten hatte auch Frank Peter Zimmermann ein Zeitfenster gefunden, um in den Regentenbau zu kommen. Und ein Werk aufzuführen, von dem man den Eindruck hatte, dass er es gerne spielt, aber nur selten aufführen darf, weil es den spektakulären Vermarktungsansprüchen nicht genügt: die Suite Concertante für Violine und Orchester H 276A von Bohuslav Martin.

Es hatte sich ganz einfach mit einem schlechten Ruf herumzuschlagen. Aber Zimmermann und die Bamberger zeigten ein anderes Bild: eine Musik, ein bisschen an barocken Strukturen orientiert, absolut bunt und kurzweilig, die nicht ein einziges Mal virtuose Kraftakte in den Vordergrund rückt - auf die man bei dem Geiger ohnehin lange warten muss, sondern die ganz auf geistreiche, vergnügliche Unterhaltung zielt in einem lockeren Zusammenspiel von Solist und Orchester - oder so gesagt: nie banal wird.

Um jeden Ton gekümmert

Bei Bedrich Smetanas "Vltava" oder auch "Die Moldau" läuft man immer Gefahr, wenn der tschechische Nationalfluss auf den Programmen erscheint. Zur "Moldau" wird gerne gegriffen, wenn ein Werk gesucht wird, das nicht lang, aber angenehm und gefällig ist. Das kennt man so gut, dass man schon von den Fischen per Handschlag begrüßt wird. Auch hier kam alles ganz anders. "Vltava" war schon sehr lange nicht mehr so gut zu hören wie an diesem Abend. Das lag zum einen an der etwas ausgedünnten Besetzung, die nicht nur einen sehr klaren, schlanken Klang, sondern auch ein kammermusikalisches Musizieren erlaubte, dem das Orchester sich mit ansteckendem Vergnügen widmete.

Aber natürlich lag es am Dirigenten , dem Profi-Tschechen Jakub Hruša. Das ist seine Musik, da kümmert er sich um jeden einzelnen Ton um jeden Akzent, um jede Klangfarbe. Da entstehen wunderbare erzählende Klangbilder, von denen er sich manchmal so mitreißen lässt, dass er ein bisschen zu tanzen beginnt.

Man konnte viele neue Entdeckungen machen, die bei seinen Kollegen im Desinteresse untergehen. Auffallendstes Beispiel war das Ende der Passage durch die St.-Johann-Stromschnellen, an dem die Gefahr zwar vorüber ist, aber in einem absichtsvollen pianissimo in den Streichern die gefährlichen Strudel aus der Ferne noch ganz leise zu hören sind - ein wunderbarer Bilderbogen, der bedauern ließ, dass die Moldau so früh in der Elbe verschwindet - mit lautem Krachen.

 
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