Der 29-jährige Oberleutnant Sebastian Vogt ist als Presseoffizier am Vereinte Nationen
Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg stationiert. Seit Anfang Dezember leistet er seinen Dienst im Rahmen der Europäischen Trainingsmission Mali, kurz EUTM, nahe der malischen Hauptstadt in Westafrika. Der Schwerpunkt der aktuell 150 deutschen Soldaten in Mali liegt in der Pionier-, Logistik- und Infanterieausbildung der malische Soldaten . Neben den deutschen Soldaten leisten weitere 500 Soldaten aus insgesamt 28 Nationen ihren Dienst am Ufer des Niger. Vogt begleitet die Ausbildung vor Ort.
Herr Vogt, die beiden Mali-Missionen der Bundeswehr gelten als ausgesprochen gefährlich. Wie erleben Sie Ihren Einsatz?
Sebastian Vogt: Die Lage bei uns in Koulikoro beurteilen wir aktuell als ausreichend kontrollierbar, ich fühle mich hier sicher! Wir sind aber letztendlich nicht ohne Grund in Mali. Für mich persönlich ist die direkte Gefahr überschaubar. Dennoch sollte man sich jeden Tag bewusst machen, dass es sich hier um einen Einsatz mit einem gewissen Gefahrenpotenzial handelt. Ein gesundes Maß an Vorsicht und Respekt gehört zu meinem täglichen Geschäft.
Was ist Ihre Aufgabe als Presseoffizier in Mali?
Als sogenannter Public Affairs Officer, zu Deutsch Presseoffizier, bin ich in allen Fragen und Themen mit Bezug zur Öffentlichkeit und den Medien der erste Ansprechpartner für meinen Kontingentführer.
Das beinhaltet die Begleitung von Journalisten, Krisenkommunikation bei besonderen Ereignissen, Auswertung der nationalen und internationalen Medien und das klassische Schreiben von Artikeln und Beiträgen, die online auf der Internetseite der Bundeswehr oder über die Social-Media-Kanäle veröffentlicht werden. Unter Kameraden bezeichne ich mich immer als Mittler beziehungsweise Vermittler zwischen dem Journalisten und den Soldaten .
Wie sieht Ihr Tagesablauf normalerweise aus?
Mein regulärer Tag beginnt morgens um halb sieben. Nach dem Aufstehen ziehe ich meine Laufschuhe an und drehe ein paar Runden auf der einen Kilometer langen Laufstrecke quer durch das Camp. Die Temperaturen sind frühs mit 18 Grad noch am angenehmsten. Der Sport ist für mich eine willkommene Abwechslung zum Dienstalltag. Ab halb acht sitze ich dann meistens in meinem Bürocontainer. Je nachdem was anliegt, bin ich entweder an meinem Arbeitsplatz, in regelmäßigen Besprechungen oder außerhalb des Koulikoro Training Centers unterwegs. Ich begleite die Ausbildungen der malischen Soldaten und bekomme so einen Eindruck von Land und Leuten. Mein Arbeitstag endet in der Regel um 18 Uhr.
Haben Sie auch Kontakt zur einheimischen Bevölkerung ? Wenn ja, was beeindruckt Sie am meisten?
Da ich regelmäßig die Ausbildungen begleite, habe ich auch Kontakt zur einheimischen Bevölkerung . Rund um das Koulikoro Training Center sind die Menschen uns gegenüber sehr positiv gestimmt. Kinder stehen am Straßenrand, wenn sie unsere Fahrzeuge sehen. Sie winken uns zu und sind für mein Dafürhalten sehr froh, dass wir Soldaten hier in Mali sind und einen Beitrag zur Stabilisierung des Landes leisten. Nichtsdestotrotz sind die allgemeinen Lebensumstände für uns Europäer unvorstellbar. Familien leben inmitten von Müll, vor allem Plastikmüll. Regelmäßig werden diese Müllberge angezündet. Bis sie sich wenig später wieder meterhoch auftürmen und wieder verbrannt werden. Ein stetiger Kreislauf, der wohl nie enden wird.
Seit sieben Jahren schickt Deutschland Soldaten in das afrikanische Land. Wie effektiv nehmen Sie den Einsatz den Bundeswehr wahr?
Die Europäische Trainingsmission ging am 18. Februar 2020 in ihr siebtes Jahr. Das, was wir hier am Koulikoro Training Center im Rahmen der Mission leisten, ist meiner Meinung nach richtig und vor allem überaus wichtig. Gut ausgebildete Sicherheitskräfte sind die Grundlage einer eigenständigen Sicherheitsvorsorge. Durch EUTM sollen die malischen Streitkräfte dazu befähigt werden, in Zukunft die territoriale Integrität des Landes zu gewährleisten und ein sicheres Umfeld zu garantieren.
Wie schätzen Sie die Stabilisierung des westafrikanischen Landes nach Abzug der Soldaten ein?
Wenn ich die Antwort auf diese Frage wüsste, dann würde ich sie Ihnen sagen. Der Prozess der Stabilisierung ist zeitaufwendig und geschieht nicht von heute auf morgen. Es benötigt einen langen Atem, um Mali wieder zu dem zu machen, was es früher einmal war, nämlich eine "Vorzeigedemokratie" Afrikas.
Was vermissen Sie während Ihres Einsatzes am meisten?
Am meisten vermisse ich hier natürlich meine Frau Ann-Kathrin und meine gesamte Familie. In meinem ersten Auslandseinsatz ist es absolutes Neuland für uns, fast fünf Monate voneinander getrennt zu sein. Dank unserer Betreuungskommunikation kann ich regelmäßig Videoanrufe mit zu Hause führen. Trotz einer Entfernung von 4000 Kilometern sehen wir uns für ein paar Minuten beinahe täglich. Die gängigen Messenger-Dienste, die wir auch in Deutschland kennen, nutzen wir hier natürlich auch. Außerdem haben wir ein Feldpostamt in Koulikoro.
An meine Fußballer von der SG Oberleichtersbach denke ich auch des Öfteren. Ich wünsche den "Keilerschweinen" einen erfolgreichen Start in Rückrunde und hoffe zum Saisonendspurt wieder mit an Bord sein zu können. Sobald ich wieder zu Hause in der Rhön bin, werde ich eine Runde im Grünen von Hütte zu Hütte wandern. In Mali sehe ich jeden Tag nur roten oder gelben Sand, hier gibt es recht wenig Natur.
Auch über den Jahreswechsel waren Sie in Mali im Einsatz. Haben Sie Weihnachten und Silvester gefeiert?
Hier im Einsatz bei durchschnittlich 35 Grad im Schatten hielt sich meine Weihnachtsstimmung in Grenzen, obwohl wir einen geschmückten Christbaum, Plätzchen und sogar Christstollen hatten. Am Heiligenabend hat unser Kontingentführer an jeden Soldaten Geschenke von unserer Verteidigungsministerin und dem Generalinspekteur überreicht. Nachmittags folgte ein großes Antreten mit allen internationalen Soldaten . Anschließend lud unser Militärpfarrer zum Gottesdienst ein. Den Abend haben wir mit einem gemeinsamen Abendessen und einer Bescherung ausklingen lassen. Wir haben uns untereinander mit Kleinigkeiten beschenkt. Man lernt diese kleinen Aufmerksamkeiten zu schätzen. Silvester haben wir natürlich auch zusammen ein bisschen "gefeiert". Um Mitternacht konnten wir sogar mit einem Glas Sekt anstoßen. Nichtsdestotrotz sind diese Tage für uns Dienst. Hier im Einsatz gibt es kein Wochenende und keinen Feiertag. Für uns Soldaten hat die Arbeitswoche sieben Tage, egal ob es Weihnachten , Silvester oder Ostern ist.
Das Gespräch führte Julia Raab
Die Bundeswehr in Mali
Situation Die Bundeswehr ist an zwei Einsätzen in Mali beteiligt. Der Stabilisierungseinsatz der Vereinten Nationen (MINUSMA) ist der zentrale Einsatz. Der Auftrag ist dort, für Sicherheit und Schutz für die Zivilbevölkerungs und die Wahrung der Menschenrechte zu sorgen. Die zivile Bevölkerung benötigt Schutz vor Terror und Kriminalität. In der EU-Ausbildungsmission (EUTM) unterstützt die Bundeswehr personell und strukturell in der Ausbildung malischer Soldaten . Ziel ist es, die Soldaten zu befähigen, selbst Verantwortung für die Sicherheit ihres Landes zu übernehmen.
Risiko Zahlreiche UN-Soldaten sind seit Beginn des internationalen Einsatzes ums Leben gekommen, darunter auch Deutsche. Gruppierungen wie der "Islamische Staat in der Größeren
Sahara" terrorisieren den Norden Malis schon lange. Es kommt aber auch zu Anschlägen im Zentrum und Süden.
Land Mali ist ein westafrikanischer Binnenstaat mit rund 19 Millionen Einwohnern. Die politische Lage ist seit mittlerweile über acht Jahren instabil, nachdem ein bewaffneter Konflikt im Norden Malis eskalierte. In diesem Zusammenhang proklamierten die Tuareg-Rebellen die Abspaltung des Staates Azawad von Mali im Norden des Landes. Der Konflikt wurde durch den Militärputsch im März 2012 und spätere Kämpfe zwischen Islamisten und den Tuareg noch verkompliziert. Mali gilt als eines der ärmsten Länder der Erde. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Oft fehlt der Zugang zu Wasser, Arbeit und Infrastruktur. Das Durchschnittsalter liegt bei 16 Jahren.