Der Schlossherr und städtische Kulturmanager Nicolas Zenzen blickte in die Runde und kommentierte höchst zufrieden "das ist vielleicht der Beginn einer schönen Tradition". In der Tat, das "musikalische Weinschloss" mit der Liedertafel 1881 Münnerstadt und dem Sängerkranz 1926 Reichenbach im Innenhof des Deutschordensschlosses kam sehr gut an. Auch einige Auswärtige, die eigentlich nur ins Museum wollten, blieben dann doch draußen, hörten den Sängern zu und schlürften fränkischen Wein . Wulf Dünisch, der zweite Vorsitzende der Liedertafel, konnte im Schloss-Innenhof eine große Anzahl von "Freunden der Musik und des guten Weines" willkommen heißen.
"Die Stadt, die Liedertafel und der Sängerkranz wollten diese Kombination mal ausprobieren", meinte er und kündigte sogar an "für die Autofahrer gibt es alkoholfreien Sekt". Lothar Hillenbrand, der Vorsitzende des Sängerkranz Reichenbach, ergänzte "ich freue mich, dass wir eingeladen wurden und dass so etwas auf die Beine gestellt wird". Die meisten Lieder waren natürlich auf Wein und Gesang abgestimmt. Den Anfang machten die Liedertafel-Frauen mit dem passenden Titel "Hereinspaziert" aus der Operette "der Schätzmeister" von Carl Michael Ziehrer. Aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "die Zauberflöte" sangen sie sehr einfühlsam "unsere kleine Nachtmusik". Später erklang dann das Lied "überall auf der Welt singt man Lieder" aus Guiseppe Verdis Oper "Nabucco".
Viele der meist nicht mehr ganz jungen Besucher fühlten sich an ihre Jugendzeit erinnert, als die Liedertafel-Frauen die alten Gassenhauer "Schuld war nur der Bossa-Nova" und "ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett" vortrugen. Ein Loblied auf den Champagner sangen die durch zwei Frauen verstärkten Liedertafel-Männer in ihrem ersten Beitrag "im Feuerstrom der Reben" aus der Johann-Strauß-Operette "die Fledermaus" und bekamen schon dafür viel Beifall. Der "Jägerchor" aus der Oper "der Freischütz" von Carl Maria von Weber, der "Chor der Zecher" aus der Oper "Undine" von Albert Lortzing, der "Chor der Schmiedegesellen" aus der Oper "der Waffenschmied", ebenfalls von Lortzing und schließlich das bei Sängern besonders beliebte Lied "aus der Traube in die Tonne" von Kurt Lißmann begeisterten die Gäste in Schlosshof. Dirigiert wurden beide Liedertafel-Chöre wie gewohnt von Annemarie Kreuzer. Die junge Miriam Leskien aus Würzburg, eine frühere Schülerin von ihr, begleitete die Chöre am Klavier und bekam verdienten Extra-Applaus. Der Sängerkranz Reichenbach mit Chorleiter Thomas Betzer, der für seine verhinderte Tochter Mirjam eingesprungen war, besang zunächst den Frankenwein und das Frankenland in den Liedern "die Gläser erhebet", "Frankenland ist unsere Heimat" und "meine Heimat, Land der Rhön", beide von Erhard Nowak sowie "so schön wie's heute ist" von Pasquale Thibault. Gerade zu ideal passte der Titel "wir feiern gerne Feste" von Adolf Frey-Völlen. Nicht zu vergessen zwei Medleys mit Wanderliedern und bekannten Titeln aus Wien.
Die Reichenbacher Sängerinnen und Sänger in ihren schmucken Trachtengewändern entführten die Zuhörer aber auch nach Südafrika. Als sie das Bergarbeiter-Lied "Shosholoza" (übersetzt "wir haben Mut. Wir greifen an") aus der Zeit der Apartheit sangen, stampften sie so heftig auf den Boden, dass ein Zuhörer fürchtete "die machen den Boden der Bühne kaputt".
Liedertafel-Frauen und -Männer sorgten nicht nur zusammen mit den Freunden aus Reichenbach für die angenehme musikalische Unterhaltung an diesem Nachmittag, sondern auch für die Bewirtung. Weine aus gleich drei fränkischen Weingütern konnten die Besucher genießen, und hungern mussten sie natürlich auch nicht. Aufgelockert wurde der unterhaltsame Nachmittag durch einige Gedichte und Anekdoten. Liedertafel-Sänger Franz Gock hatte den Text "vom Münnerstädter Wein und Bier" von Josef Metzner mitgebracht. In diesem Gedicht wird erzählt, dass einst der Herr Jesus mit den Jüngern an einem furchtbar heißen Tag in die Stadt kam. In der Bauerngasse wollte sich sein Petrus etwas zu trinken geben lassen. Er bekam einen Krug mit Wein , den er in einem Zuge leerte. Das Zeug war aber so sauer, dass Jesus anordnete "die Winzerei in Münnerstadt verboten sei". Dafür bekamen nun die Augustiner-Patres den Auftrag, ein gutes Bier zu brauen. Der Dichter Josef Metzner (1870-1949) war von 1924 bis 1928 Direktor des hiesigen humanistischen Gymnasiums. Karl Beudert, seit Jahrzehnten eine wichtige Stütze im Liedertafel-Männerchor, kommentierte das "Musikalische Weinschloss" sehr positiv: "Das ist eine tolle Idee, sowas zu machen. Ich bin sehr zufrieden, denn es wurden sehr schöne Lieder ausgewählt. Der Schlosshof ist für so etwas sehr gut geeignet. Das sollte man unbedingt wiederholen". Lothar Wiedemann aus Würzburg, der eigentlich samt Ehefrau und Schwiegermutter am Sonntagnachmittag zu einer Besichtigungstour nach Münnerstadt gekommen war und auch ins Museum wollte, wird in den nächsten Wochen noch mal kommen. Das "Musikalische Weinschloss" gefiel den dreien so gut, dass sie über zwei Stunden auf harten Bierbänken ausharrten, den drei Chören zuhörten und den Wein-Umsatz förderten. Fürs Museum blieb dann "leider" keine Zeit mehr. "Aber das holen wir bald mal nach", versprach der Gast aus Würzburg und verabschiedete sich in Richtung Bahnhof.