Man mag es kaum glauben, aber es soll Kissinger geben, die jedes Jahr um diese Zeit vor demselben Problem stehen: Der Winterzauber geht los und sie wissen nicht, welches Konzert sie auf keinen Fall versäumen dürfen. Da ist es doch ein großes Glück, dass wir gerade noch rechtzeitig eine Entscheidungshilfe bieten. Persönliche Empfehlungen von Autorinnen und Autoren der Main-Post, bei denen Sie sich auf eines verlassen können: Sie sind streng subjektiv, aber trotzdem gut.
Zugegeben, das ist jetzt ein ganz unfairer Tipp: Viva Voce an diesem Freitagabend beim Eröffnungskonzert mit der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg. „Wir schenken uns nichts“ haben die Sänger, die schon lange keine Chorknaben und längst auch keine Boygroup mehr sind, ihren symphonischen Fremdgang betitelt. Und die Band, die eigentlich gar keine Instrumente braucht, wird dem Publikum im längst ausverkauften Regentensaal nicht nichts schenken. Sondern klassische klassische Weihnachtslieder in ganz neuem und sicher sehr sehr coolem Gewand. Ja, Viva Voce haben sich in der deutschsprachigen Kultur- und Theaterwelt als Ensemble mit unverwechselbarem Stil etabliert.
Und machen Musik, zu 100 Prozent mundgemacht! Gut, an diesem Abend bei feierlich-festlichen Konzert in Bad Kissingen nicht. Da lassen sich die fünf mit den tollen Stimmen von Streichern und Bläsern begleiten. Weil es keine Karten mehr gibt, bleibt als dringende Empfehlung nur: CD von Viva Voce unter den Weihnachtsbaum legen!
Schön, wenn Kultur nicht allzu verbissen daherkommt. Noch schöner, wenn dabei künstlerisches und humoristisches Niveau einen Absturz in den Klamauk verhindert. Die Konzertshow Piano Battle verspricht einen mitreißenden Abend, weil zwei international ausgezeichnete Pianisten zum temperamentvollen Wettstreit an ihren Instrumenten antreten. Dynamik ist garantiert, weil Andreas Kern & Paul Cibis in mehreren Runden um die Gunst des Publikums buhlen. Die Zuhörer werden per Abstimmung gewissermaßen zur Jury. Mal erklingen Stücke von Chopin, Liszt oder Debussy, mal wagen sich die Interpreten an Experimentelles. So weit lässt sich der Konzertabend von den Musikern ja noch einstudieren. Spannung verspricht die angekündigte Improvisationsrunde. Die zwei Männer auf der Bühne wagen sich auf Zuruf aus dem Publikum an vorgeschlagene Titel oder Themen. Schon unter diesem Vorzeichen dürfte der Abend einmalig werden. Mal schauen, welche Herausforderungen die Flügelkämpfer annehmen.
Dem Winter entgehen wir momentan, aber nicht dem musikalischen Zauber. Dass die winterlichen Straßen- und Wetterverhältnisse noch auf sich warten lassen, ist für Kulturfreunde gar nicht schlecht. So steht einem das ganze Programm zur Auswahl offen, ohne dass man Schnee und Glätte fürchten muss. Nicht versäumen sollten Sie das A-cappella-Konzert von Voces8 am 8.Januar. Zwei Damen und sechs Herren, die die BBC als „zwei Teile King's Singers, drei Teile Swingle Singers und ein Schuss Bobby McFerrin“ beschrieb. Ihr Repertoire reicht von Renaissance-Musik bis zu Jazz- und Poparrangements. Man darf gespannt sein auf das Programm dieses englischen Vokalensembles. Edith Piaf kommt auch zum Kissinger Winterzauber. Natürlich nur vertreten durch ihre Chansons. Christa Platzer interpretiert die berühmte französische Sängerin, die am 19.Dezember ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. Wer gern den markanten Liedern der Piaf lauscht, sollte sich dieses Konzert am 20. Dezember nicht entgehen lassen. Die klassische Musik überlässt der Winterzauber zwar weitgehend dem Kissinger Sommer. Ganz ohne Klassik kommt aber auch der kleine Bruder des großen Festivals nicht aus.
Zum Beispiel beim traditionellen Neujahrskonzert am 1. Januar mit den Berliner Symphonikern oder beim Abschlusskonzert mit dem Radiosymphonieorchester Prag unter Gerd Schaller am 9. Januar.
Es gibt viele Möglichkeiten, beim Kissinger Winterzauber einen netten Abend zu erleben. Die witzigste aber bietet sich ganz eindeutig am Montag, 21. Dezember. Da führt The Ukulele Orchestra of Great Britain im Großen Saal vor, was man mit britischem Humor aus einer lächerlichen, kleinen Zigarrenkiste von Instrument herausholen kann. Die acht Briten kennen keine Skrupel, sie lassen sich mit allem ein, was in der jüngeren Musikgeschichte irgendwann einmal Bedeutung hatte. Sie schrammeln die Titelmusik pathetischer Western und pfeifen auf Bach, sie veräppeln den Punk (Anarchy in the Ukulele) und klampfen in der Disco (Le Freak). Anspruchsvolle Musik auf der Bühne und haltloses Kichern im Publikum, mit den Ukes sind das keine Gegensätze. Wenn ich mir für den Abend etwas wünschen dürfte, dann wäre das Should I stay or should I go von The Clash zum offiziellen Ende des Konzerts. Und Wagners Walkürenritt, die Titelmusik zu Shaft sowie Je t'aime als Zugaben.
Für den Fall, dass Sie noch einen Abend übrig haben, sei Ihnen auch noch die Trompetennacht am Sonntag, 27. Dezember ans Herz gelegt. Rüdiger Baldauf, den manche von den Heavytones, Stefan Raabs Studioband, kennen, bringt unter anderem die Jazztrompeten-Legende Ack van Rooyen nach Bad Kissingen. Auch Sänger Edo Zanki ist vielen ein Begriff.