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Bad Kissingen
Wege zur Integration im Kreis Bad Kissingen
Mehr als 150 Teilnehmer beraten am Freitag über "Bildungswege für Neuzugewanderte". Den Abschluss bildet eine Experten-Diskussion.
Georg Panzer (rechts) trifft sich jede Woche mit Flüchtlingen und Helfern zum Sprach-Café, gestern saßen unter anderem (von links) Karim Ghafuri und Golahmad Bayat mit am Tisch, um etwas über die deutsche Geschichte zu erfahren. Foto: Ralf Ruppert       -  Georg Panzer (rechts) trifft sich jede Woche mit Flüchtlingen und Helfern zum Sprach-Café, gestern saßen unter anderem (von links) Karim Ghafuri und Golahmad Bayat mit am Tisch, um etwas über die deutsche Geschichte zu erfahren. Foto: Ralf Ruppert
| Georg Panzer (rechts) trifft sich jede Woche mit Flüchtlingen und Helfern zum Sprach-Café, gestern saßen unter anderem (von links) Karim Ghafuri und Golahmad Bayat mit am Tisch, um etwas über die deutsche Geschichte ...
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 07:00 Uhr
Vor einem Jahr und sieben Monaten kam Karim Ghafuri mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland. Der 49-Jährige weiß, dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist. "Ich habe wochenlang jeden Tag Buchstabe für Buchstabe geschrieben", berichtet er und zeigt auf eine wunde Stelle am Finger. Wie schwer das Lernen für Karim Ghafuri ist, weiß Georg Panzer: "Karim konnte vorher nicht Lesen und Schreiben, er lernt es jetzt also in Deutsch zum ersten Mal", berichtet der ausgebildete Erzieher, der sich jeden Donnerstag zum Sprach-Café mit Neubürgern trifft. Karim Ghafuri ist dabei Stammgast.
Bis zu 20 Teilnehmer treffen sich jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr im Mehrgenerationenhaus. Gestern waren es weniger, aber Karim Ghafuri hat einen Bekannten mitgebracht: Golahmad Bayat sitzt mit am Tisch, hört aufmerksam zu, aber hält sich bei seinem ersten Besuch zurück. Dagegen nutzt Karim Ghafuri jede Möglichkeit zum Lernen: Früher sei er von seiner Unterkunft zu den Deutsch-Kursen ehrenamtlicher Helfer in andere Heime gelaufen, mittlerweile hat er einen festen Platz in einem Sprach-Kurs: Vier Tage die Woche lernt er jeweils drei Stunden die deutsche Sprache, 18 Monate lang.


Kinder-Betreuung gewährleistet

"Karim bemüht sich", lobt Georg Panzer die Neugierde des 49-Jährigen aus Afghanistan. Auch Edelgard Crämer vom Trägerverein des Mehrgenerationenhauses freut sich über so viel Eigen-Initiative. Besonders freue sie, dass Karim Ghafuri auch regelmäßig seine Frau mitbringt, denn: "Oft besuchen nur die Männer Sprach-Kurse, Frauen bleiben daheim und sind für die Kinder zuständig."
Um Frauen das Kommen zu den Treffen zu erleichtern, gibt es sogar eine Kinderbetreuung: Das übernimmt Kinderpflegerin Franziska Schmid ehrenamtlich. "Ich habe selbst einen kleinen Sohn und bin gerade in Elternzeit", berichtet die 22-Jährige. Deshalb könne sie sich die Treffen am Vormittag gut einrichten. Warum sie das macht? Die Unterstützung bei der Integration sei ein Geben und Nehmen, sie helfe nicht nur, dass Kinder spielerisch Deutsch lernen, sondern erfahre auch viel über die Menschen. Das Wichtigste beim Sprach-Café: Wie auch die beiden interkulturellen Krabbelgruppen jeden Mittwoch und Freitag zwischen 10 und 12 Uhr ist es für alle offen.


In ungezwungener Atmosphäre

"Uns ist der Austausch zwischen den Kulturen und der lockere Rahmen wichtig", nennt Iris Hönig, Leiterin des Bad Kissinger Mehrgenerationenhauses, als Grundsatz. Bildungsträger für Sprachkurse gebe es mittlerweile auch im Landkreis Bad Kissingen jede Menge. Das vom bayerischen Sozialministerium geförderte Projekt solle aber im Gegensatz dazu freiwillig und niederschwellig sein. Dazu gehöre auch eine Fahrrad-Werkstatt, die jeden zweiten Mittwoch im Jugend- und Kulturzentrum angeboten wird: Von 16.30 bis 18.30 Uhr können sich Interessierte Tipps holen, wie man die Gangschaltung einstellt oder ein Loch im Schlauch flickt. "Aber die Teilnehmer können auch mal eine Fahrrad-Tour zusammen machen."
Über diese und weitere Bildungsangebote vom ehrenamtlich angebotenen Kurs bis zur Berufsausbildung geht es bei der ersten Bildungskonferenz des Landkreises Bad Kissingen heute in der Hammelburger Musikakademie. "Das Angebot ist da, und alle, die es nutzen, sind auf einem guten Weg", fasst Georg Panzer die Bildungsmöglichkeiten für Neubürger zusammen. Er habe bisher nur Flüchtlinge kennen gelernt, die sich sehr bemühen, die deutsche Sprache zu lernen und sich weiterzubilden. "Man kann ja seine Religion und Kultur behalten", sage er den Neubürgern immer wieder, aber sie müssten die Regeln des gesellschaftlichen Lebens hier kennen lernen.
Wie schwierig das oft ist und wie groß die Gegensätze sind, weiß Georg Panzer aus seinem früheren Leben: Als Berufssoldat war der Oberthulbaer unter anderem zu zwei Einsätzen als Militär-Beobachter im Süd-Sudan. "Ich kann jeden Vater verstehen, der aus Afrika weg geht, um seiner Familie eine Perspektive zu bieten." Umso wichtiger seien klare Regeln für die Einwanderung und gute Integrationsangebote. "Da hat sich viel getan", lobt der 57-Jährige, der eine Ausbildung zum Erzieher gemacht hat. In der Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen habe er aber immer wieder festgestellt, dass gerade Asylbewerber mit unklarer Bleibe-Perspektive trotz guter Fortschritte keine Ausbildung beginnen oder arbeiten dürfen: "Die Gesetzeslage ist da oft schwierig", berichtet Panzer und hofft auf klarere Regeln.

Die Bildungskonferenz unter dem Motto "Integration - Bildungswege für Neuzugewanderte" beginnt am Freitag, 29. September, um 14 Uhr in der Musikakademie Hammelburg. 151 Teilnehmer haben sich bereits angemeldet, wenige Plätze sind laut Landratsamt noch frei.

Vorträge zu unterschiedlichen Themen sind um 14.50 und 17 Uhr geplant, ab 15.30 Uhr arbeiten die Teilnehmer in Fach-Foren.

Diskussion Zum Abschluss der Konferenz findet eine Diskussion mit Landrat Thomas Bold, Vertretern des Sozialministeriums und der Regierung von Unterfranken, der Leiterin der Bad Kissinger Berufsschule, einer Mitarbeiterin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und einem Mitglied des Helferkreises Hammelburg statt.
 
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