27 Jahre lang hat Emil Müller den Caritas Kreisverband ehrenamtlich geführt. Das ist fast ein ganzes Berufsleben. Offiziell steht der Lokalpolitiker aus Burkardroth noch ein paar Wochen an der Spitze des Wohlfahrtsverbandes, inoffiziell hat er sich im Juli aus der aktiven Arbeit zurückgezogen. " Es war eine spannende, eine bereichernde, aber auch eine fordernde Zeit", sagt der stellvertretende Landrat . Die Arbeit für die Caritas habe seine persönliche Sicht geprägt. Aber: "Ich habe es fast ein bisschen lange gemacht." Der Wechsel ist aus seiner Sicht überfällig. Dass er nicht schon eher erfolgt ist, hing mit Personalsorgen zusammen.
Müller hatte schon bei der Vorstandswahl vor vier Jahren signalisiert, aufhören zu wollen. Weil es keinen passenden Nachfolger gab und Anne Hilpert-Böse damals gerade neu die hauptamtliche Geschäftsführung übernommen hatte, entschied er sich jedoch, noch eine Amtszeit weiterzumachen.
Die ist nun zu Ende gegangen, jedoch ohne dass ein ehrenamtlicher Nachfolger gefunden wurde. "Die jüngere Generation hat ein anderes Verständnis von Ehrenamt. Es gibt immer noch viele Leute, die sich engagieren, aber eher temporär", kommentiert Müller die schwierige Suche. Heute wollen sich viele nicht mehr auf Jahre ein ein Amt binden. Gleichzeitig schrecke es ab, für einen großen Verband mit 230 Beschäftigten und einem Haushaltsvolumen von sechs bis sieben Millionen Euro die Verantwortung zu tragen. Der Caritas Kreisverband Bad Kissingen sei zu groß, als dass mögliche Nachfolger es sich zutrauen, Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut zu kriegen. "Die Maßstäbe haben sich geändert. Darauf müssen wir nun eingehen"", sagt Müller.
Der Kreisverband wechselt somit von einem ehrenamtlichen auf einen hauptamtlichen Vorstand, der ab sofort auch von Geschäftsführerin Anne Hilpert-Böse geführt wird. Ihr wird ein Aufsichtsrat zur Seite gestellt. Der Wechsel ist formell noch nicht vollzogen, die neue Vereinssatzung liegt aktuell beim Vereinsgericht zur Eintragung.
Das letzte Rettungstuch Caritas
Müller kam unverhofft zur Caritas . 1994 war die Stelle des Caritasvorsitzenden wegen Krankheit vakant. "Das war in einer Phase, als meine Mutter pflegebedürftig war und von der Caritas gepflegt wurde. Vorher hatte ich mit der Caritas nicht viel am Hut", erzählt der CSU-Politiker. Er wurde gefragt, ob er den Vorsitz übernehmen wolle. "Ich konnte mir nicht vorstellen, was es heißt, einen Wohlfahrtsverband zu führen", sagt er. Müller war damals Bürgermeister von Burkardroth. Weil die eigene Familie auf die Pflege angewiesen war und weil er als Bürgermeister nicht nur Engagement predigen, sondern vorleben wollte, sagte er zu.
Insgesamt war das die richtige Entscheidung. "Man weiß, man engagiert sich für Leute, die keine große Lobby haben. Wir haben uns immer mit den Menschen beschäftigt, die durch alle Raster fallen." Das können Menschen sein, die so weit abseits wohnen, dass sie Probleme haben, einen Pflegedienst zu finden, der sie betreut. Das können Eltern sein, die Rat bei der Erziehung ihrer Kinder suchen, Menschen mit Suchtproblemen, Menschen, denen das Geld zum Leben fehlt, Menschen, die vor Krieg geflohen sind und nun Hilfe brauchen, sich zu integrieren.
Die Caritas bearbeitet ein wichtiges, aber kein leichtes Feld - gleichwohl hatte der Verband in den 27 Jahren auch selbst immer wieder mit großen Herausforderungen zu kämpfen, sei es durch personelle Wechsel oder Geldsorgen. "Es gab Phasen, da habe ich mich gefragt, warum tust du dir das eigentlich an?"
Immerwährender Kampf ums Geld
In fast drei Jahrzehnten hat Müller einiges an Wandel erlebt. Die größte Konstante war das Ringen um solide Finanzen. "Die Finanzierbarkeit ist ein immerwährender Kampf", sagt Müller. Die sozialen Beratungsstellen hält der Kreisverband aus seinem christlichen Selbstverständnis vor. Geld verdiene er damit allerdings nicht, sondern muss vielmehr darauf achten, keine Verluste zu machen. "Da muss man schauen, dass es über den Staat oder die Kommunen refinanziert wird."
Das wirtschaftliche Rückgrat des Kreisverbandes ist die ambulante Pflege. Etwa 50 Prozent der ambulanten Pflegeleistungen im Landkreis übernimmt laut Müller die Caritas . Gerade in der Altenpflege hat sich der wirtschaftliche Druck im Vergleich zu früher verschärft. Dafür gibt es viele Gründe. Müller ist vor allem aufgefallen, dass "die gesellschaftliche Solidarität mit dem Klientel und denen, die sich darum kümmern, abgenommen hat."
Aktuell ist es der Sparzwang der Diözese Würzburg, der der Kissinger Caritas zu schaffen macht. Dass zudem die neuen Tagespflege-Einrichtungen in Elfershausen und Garitz mitten in oder kurz vor Corona starteten und wegen der Pandemie eine Durststrecke zu durchleiden haben und dass die Caritas dieses Jahr ihr Kramlädchen in Bad Kissingen schließen musste, belastet die Finanzen zusätzlich.
Der Verband fühle sich als katholische Einrichtung verpflichtet, christliche Werte hochzuhalten. Das werde zunehmen schwieriger, berichtet Müller. Auch die Caritas muss inzwischen Pflegepatienten aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen. Das war in seiner Anfangszeit noch nicht so. "Wir werden immer stärker gedrängt, uns betriebswirtschaftlich behaupten zu müssen, obwohl man das von einem Wohlfahrtsverband anders erwartet", erklärt der scheidende Vorsitzende. Im Gesundheitswesen und der Pflege ist politisch "ein freier Markt geschaffen worden mit allen Konsequenzen. Der wirtschaftliche Rahmen gibt uns vor, wie wir agieren müssen." Anne Hilpert-Böse ist froh, dass Emil Müller sie in den ersten Jahren unterstützt hat. "Es war unwahrscheinlich gut, dass er als stabiler Ansprechpartner da war", sagt sie. Er habe die Vorstandsmitglieder inhaltlich und sachlich zusammengehalten und habe eine Zeit überbrückt, in der es viele Wechsel und auch längere Vakanzen in der Geschäftsführung gegeben hatte. Als stellvertretender Landrat und Kreisrat werde er ein wichtiger Ansprechpartner für die Caritas bleiben.
Müller tritt 2026 nicht mehr an
Für den 64-Jährigen ist der Rückzug aus der Caritas der erste aus öffentlichen Ämtern . Stellvertretender Landrat und als Kreisrat wolle er bis zur Kommunalwahl 2026 bleiben, sich dann aber nicht mehr zur Wahl stellen.
Als große Herausforderungen während seiner Amtszeit nennt Müller die Sanierung des Caritashauses in der Hartmannstraße und den zwischenzeitlichen Umzug in die Röntgenstraße. Auch die intensive Flüchtlingsbetreuung nach 2015 habe den Verband voll gefordert.