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Münnerstadt
Energie in Form von Wasserstoff speichern? Jetzt läuft für die Rhön-Landkreise eine Machbarkeitsstudie an
Die Grüne-Energie-Firma R3 aus Münnerstadt und Siemens gehen neue Wege.
Wasserstoff könnte für die Region von größter Bedeutung werden.       -  Wasserstoff könnte für die Region von größter Bedeutung werden.
Foto: Alexander Limbach – stock adobe | Wasserstoff könnte für die Region von größter Bedeutung werden.
Thomas Malz
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:10 Uhr

Es wäre aus energetischer und ökologischer Sicht für viele ein Traum: Windräder und Photovoltaikanlagen in bürgerlicher Hand erzeugen in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld Strom, der vor Ort verbraucht wird. Nicht benötigte Energie wird in Form von grünem Wasserstoff gespeichert, den die heimische Industrie aufkauft, um das fossile Erdgas zu ersetzen. Der Betrieb von Lkw und Zügen mit Wasserstoff oder die Rückverstromung sowie die Einspeisung ins Gasnetz wären weitere Optionen. Dieser Traum könnte Wirklichkeit werden.

Ein Leuchtturmprojekt

Jetzt hat die „R3 RegionalEnergie GmbH“ mit Sitz in Münnerstadt den Technologiekonzern Siemens beauftragt, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit einer großtechnischen Wasserstoffproduktion in den beiden Landkreisen zu untersuchen. Mit diesem Leuchtturmprojekt könnte die Region Vorreiter in puncto Energiewende und Klimaschutz werden. Gunter Häckner und Norbert Schmäling , Geschäftsführer der R3 RegionalEnergie GmbH, sowie Rainer Saliger von der „Projektentwicklung dezentrale Versorgungsprojekte“ bei Siemens AG haben mit ihrer Unterschrift das Projekt auf den Weg gebracht.

Nach dem Willen des Wirtschaftsministeriums soll Bayern in den Anwendungsfeldern von Wasserstoff weltweit eine technologische Vorreiterrolle einnehmen. Bei einem positiven Ergebnis der Machbarkeitsstudie könnten die Projekte gefördert werden.

Energieversorgung in eigener Hand

„Wenn man interkommunal zusammenarbeitet und regionale Energieversorger einbindet, könnten Kommunen und Landkreise die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen, von der Wertschöpfung profitieren und langfristig für stabile Energiepreise sorgen“, davon sind die Geschäftsführer der R3 GmbH überzeugt. Sie haben Konzepte entwickelt, wie eine bürgerschaftlich getragene Energiewende umgesetzt werden kann. Projektentwicklung durch die R3 erfolgt ausschließlich für Bürger, Unternehmen und Kommunen in der Region. Durch den Bau weiterer Windräder und Photovoltaikanlagen wird sich die Leistung erneuerbarer Energien in den beiden Landkreisen deutlich erhöhen.

Die R3 propagiert deshalb zur Netzentlastung sogenannte Energieknotenpunkte, in denen kurzzeitige Erzeugerschwankungen über über Batteriespeicher geglättet werden. Für eine langfristige Speicherung wird aus dem erneuerbaren Strom grüner Wasserstoff erzeugt.

Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff fällt auch Wärme an, die normalerweise als Verlust anfällt, von R3 allerdings aufbereitet und beispielsweise für ein Nahwärmenetz genutzt werden soll. Rainer Saliger von Siemens hat bereits so eine Machbarkeitsstudie für Wunsiedel erstellt. Er freue sich, dass er nun die Region um Münnerstadt auf dem Weg zu einer nachhaltigen, grünen Energieversorgung begleiten dürfe.

Interesse ist da

Bei einem Pressegespräch bei der Firma Nipro in Münnerstadt unterstrich er, dass für das Gelingen Absichtserklärungen von Firmen wichtig sind, die den erzeugten Wasserstoff verbrauchen. Erste Pilotabnehmer in der Region haben bereits Interesse signalisiert, grün produzierten Wasserstoff in ihren Prozessen einzusetzen.

„Es freut uns, dass die unserseits vorgestellten Konzepte Zuspruch gefunden haben und diese somit in eine Machbarkeitsstudie fließen können“, sagte Frank Chwojka, Projekt- und Programmmanager bei Nipro in Münnerstadt . „Wir werden weiterhin dieses Vorhaben mit höchstem Interesse weiterverfolgen und unterstützen. Was die Umsetzung betrifft, sehen wir zuversichtlich in die Zukunft.“

Im Rahmen der Carbon Neutral Strategie des Unternehmens sei es essenziell, bis 2030 alle Energieverbräuche auf CO2 freie Versorgung umzustellen, sagte Eugen Edelmann, Fertigungsleiter bei Siemens in Bad Neustadt in Vertretung des Werksleiters Peter Deml.

Die Firma GKN Hydrogen in Bad Brückenau zeigt sich erfreut über diese Entwicklung. Matthias Zeier, Buisiness Development GNK Hydrogen, begrüßt die Planung und mögliche Umsetzung des Leuchtturmprojektes speziell hier in der Region ausdrücklich.

Mit der Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeit einer Wasserstoffproduktion im großen Stil in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld (Seite 1) könnte die Region Vorreiter beim Klimaschutz und der Energiewende werden. Es ist kein Zufall, dass der Auftrag der R3 RegionalEnergie GmbH an Rainer Saliger von Siemens in Münnerstadt unterzeichnet wurde.

Denn in dem Lauerstädtchen hat die die Firma R3 ihren Sitz und mit Nipro gibt es einen potenziellen Großabnehmer für Wasserstoff . Vor allem aber hat Münnerstadts Klimamanager Stefan Richter den Anstoß für das Projekt gegeben, das nun weit größer werden könnte, als dies ursprünglich geplant war.

„Pionierarbeit geleistet“

Vor über zwei Jahren hat sich die Stadt Münnerstadt als erste im Landkreis dazu entschieden, einen Klimaschutzmanager einzustellen, sagte Bürgermeister Michael Kastl bei einem Pressegespräch zur Vertragsunterzeichnung bei Nipro. Stefan Richter, auf den die Wahl gefallen war, habe Pionierarbeit geleistet.

„Wir wollten zusammen mit unseren Unternehmen und Bürgern die Energiewende so gestalten, dass sie akzeptiert wird, um sie reibungslos umsetzen zu können“, so der Bürgermeister. „Gegen den Widerstand der Bürger ist das sehr schwierig.“ Für die Energiesicherheit der Unternehmen sollte grüner Wasserstoff zur Verfügung gestellt werden. Alle Stadträte hatten das akzeptiert, alle Beschlüsse diesbezüglich seien einstimmig gewesen.

Netzwerk gegründet

Es gebe da aber einige Herausforderungen. Alle Bürgermeister schauen zunächst einmal auf ihre eigenen Kommunen, und das sei ja auch richtig so, meinte Michael Kastl. Umso mehr freue es sich, dass kürzlich das Klimanetzwerk mit 44 Kommunen gegründet werden konnte – eine des Münnerstädter Klimamanagers Stefan Richter.

Wenn es um die Energiewende gehe müssten die Kommunen zusammenarbeiten und auch einmal über den Tellerrand schauen. Für ihn gelte es, möglichst viel in Münnerstadt zu verwirklichen, aber auch für die Region. Denn wenn es der Region gut gehe, dann sei das auch gut für Münnerstadt . Michael Kastl sieht es also durchaus positiv, dass das Projekt nicht – wie ursprünglich geplant – für Münnerstadt , sondern für die Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld geplant und möglichst auch umgesetzt wird, an deren Schnittstelle ja Münnerstadt liegt.

Energieversorgung gehört nicht in die Hand von Konzernen, sondern in bürgerschaftliche, kommunale Hände, ist Gunter Häckner, zusammen mit Norbert Schmäling Geschäftsführer von R3, überzeugt. Aber die Energiegewinnung aus Wind, Solar und Bioanlagen sei unzureichend. „Wir brauchen Speicher“, betonte er. Und hier kommt der Wasserstoff ins Spiel, der unter anderem den Unternehmen der Region zur Verfügung gestellt werden soll. „Wir freuen uns über jeden, der mitmachen möchte“, betonte Gunter Häckner.

Riesige Herausforderung

Rainer Saliger ist bereits seit 16 Jahren bei Siemens, hat die „fossile Zeit“ noch erlebt, wie er selbst sagt. Siemens habe sich vorgenommen, nicht erst –  wie im Klimaschutzgesetz festgeschrieben –  2045 CO2-neutral zu arbeiten, sondern bereits 2030. „Das ist eine riesige Herausforderung.“

Vergleichbare RegionenRainer Saliger hat bereits im Jahr 2019 ein Wasserstoffprojekt im Landkreis Wunsiedel geplant und 2022 übergeben. „So etwas schwebt uns hier vor, die Region ist sehr gut vergleichbar“, sagt er. Immer, wenn zu viel Strom da ist, läuft die Wasserstoffanlage. So könne die Energiewende gelingen. „Wir haben alle Technologien schon, wie müssen sie nur noch zusammenführen.“

Siemens Bad Neustadt habe es zwischenzeitlich mit LPG-Gas versucht,  sagt Fertigungsleiter Eugen Edelmann. Nun setzt die Firma auf Wasserstoff. Der Auftrag zur Machbarkeitsstudie freue ihn ganz persönlich. 

Auch bei Nipro Münnerstadt ist man vorbereitet. Alle Produktionslinien des energieintensiven Glasherstellers lassen sich leicht auf Wasserstoff umstellen, sagt Projekt- und Programmmananager Frank Chwojka. 

Die Metall Hybrid Speichertechnologie der Firma GKN Hydrogen aus Bad Brückenau biete die optimale Lösung, um die überschüssige Energie aus Strom in Wasserstoff zu speichern, so Matthias Zeier von GKN Hydrogen in einer Pressemitteilung.  Die Speicherung sei ein chemischer Prozess und biete eine sehr langlebige Lösung ohne Kompressor und möglichen Verlusten. 

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Norbert Schmäling, Dr. Rainer Saliger und Gunter Häckner (von links) unterzeichnen die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie für großtechnische Wasserstoffproduktion in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld.       -  Norbert Schmäling, Dr. Rainer Saliger und Gunter Häckner (von links) unterzeichnen die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie für großtechnische Wasserstoffproduktion in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld.
Foto: Thomas Malz | Norbert Schmäling, Dr. Rainer Saliger und Gunter Häckner (von links) unterzeichnen die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie für großtechnische Wasserstoffproduktion in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld.
Die Akteure bei der Unterzeichnung (von links): Norbert Schmäling, Eugen Edelmann, Rainer Saliger, Michael Kastl, Frank Chwojka und Gunter Häckner.       -  Die Akteure bei der Unterzeichnung (von links): Norbert Schmäling, Eugen Edelmann, Rainer Saliger, Michael Kastl, Frank Chwojka und Gunter Häckner.
Foto: Thomas Malz | Die Akteure bei der Unterzeichnung (von links): Norbert Schmäling, Eugen Edelmann, Rainer Saliger, Michael Kastl, Frank Chwojka und Gunter Häckner.
 
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  • H. H.
    Man kann natürlich Energie in Form von Wasserstoff speichern - mit hohem Energieaufwand zur Verdichtung und Explosionsrisiko. Man kann ihn aber auch - wie bei dem Wasserstoff, der aus Neufundlandkommen soll, bereits vorgesehen ist - mit neuen Technologien in grünen Ammoniak umwandeln und so wesentlich problemloser speichern und transportieren.
    Ein Erdgas-Blockheizkraftwerk z.B. ließe sich damit ohne größere Umstellungen betreiben.
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