
Die Sorgen von Nies Kiefner - sie sind nicht kleiner geworden. Seine Tochter Charlotte und ihr Mann Hendrik betreiben den Pferdepensionsbetrieb Grieshof auf einem Hochplateau nördlich von Zeitlofs. Am Freitagnachmittag war Vater Kiefner in der Turnhalle der dortigen Grundschule. Der Grund: Der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW plant - stand jetzt - zwei neue Stromtrassen mitten durchs Pferdeparadies. Bei einem sogenannten Infomarkt wollte Kiefner - wie etwa 100 Andere - wissen, was das bedeutet.
Insgesamt neun Kabelstränge im Präferenzraum
Für die Betreiber des Grieshofs wäre es eine Katastrophe, wenn DC 41 und DC42 dort wirklich zum Liegen kämen. DC 41 und 42 - das sind zwei unterirdisch verlegte Leitungen, die zur Energiewende beitragen sollen. Die Nordwestlink und Südwestlink genannten Kabelstränge könnten etwa ab 2037 elektrischen Gleichstrom aus dem windreichen Norden Deutschlands in den energiereichen Süden transportieren.
Für diese Großprojekte hat die Bundesnetzagentur am 16. November 2023 fünf bis 15 Kilometer breite "Präferenzräume" quer durchs Land festgelegt. Innerhalb dieser sollen die insgesamt neun Erdkabel in einem 38 breiten Schutzstreifen verlaufen. Eines dieser Kabel ist 15 Zentimeter dick. Nach seit ungefähr drei Wochen bestehenden Entwürfen würden DC 41 und 42 just beim Grieshof von Norden her in den Landkreis Bad Kissingen eintreten - und laut Kiefner auf dem Hochplateau alles durchschneiden: das 70 Hektar große Gelände, die Elektro- und die Glasfaserleitung, die mühsam errichteten Wolfsschutzzäune.
Eigenversorgung mit Trinkwasser durch Erdkabel gefährdet?
Vor allem aber sieht dieser durch die Stromkabel und deren Einbau die Versorgung mit Trinkwasser über einen eigenen Brunnen gefährdet. "Wenn unsere Quelle versiegt: Wo bekommen wir dann unser Wasser her", fragt Nies Kiefner. Auch schrumpfe der Platz für die rund 80 Pferde. Und: auch die müssten ja trinken.
Diese Bedenken brachte er beim messeartigen Infomarkt Julian Ermann nahe. Der TransnetBW-Mitarbeiter war mit Kollegen nach Zeitlofs gekommen, um den Besuchern Nordwest- und Südwestlink anhand detaillierter Karten nahezubringen. Und um Anregungen wie die von Kiefner aufzunehmen.
Denn, und das betont der Mittelfranke Ermann: Die jetzigen Trassenvorschlage seien "absolut erste Verläufe". Sie seien rund 200 Meter breit und nicht - wie letztlich relevant - 38 Meter, wie der künftige Schutzstreifen.
Zeitlofser Brunnen reagieren sehr sensibel
Auch folgten sie laut Ermann ziemlich groben Grundsätzen: möglichst geradlinig, möglichst viel offene Fläche, möglichst wenig Wald, der zu durchschneiden wäre. Deswegen auch der geplante Eintritt der beiden Gleichstromtrassen in den Landkreis am Grieshof - weiß dort wenig Wald ist. Denn diesen zu durchpflügen, zerstört mehr Landschaft und wird teurer.
Allerdings wusste TransnetBW offensichtlich nicht von der komplizierten Versorgungssituation mit Wasser am Grieshof. Und auch nicht von einem akuten - geologischen - Problem. Denn der Markt Zeitlofs hat ein wegen seiner Buntsandsteinstruktur anfälliges Wasserschutzgebiet (WSG). "Gerade Brunnen drei reagiert sehr sensibel", wusste Roland Limpert, Kreisrat und früher stellvertretender Zeitlofser Bürgermeister, am Rande des Infomarktes.
Schon Gasleitung wurde seinerzeit verlegt
DC 41 und 42 sollen durch Zone drei, also nicht das Kerngebiet, des WSG führen. An sich kein Hindernis. Doch in diesem Fall könnte es schwierig werden. Vor Jahren sollte die Gasleitung Sannerz-Rimpar auch am Grieshof vorbei und durchs WSG führen. Damals erreichte der Markt Zeitlofs, dass sie zwischen dem Ort und der ICE-Strecke Fulda-Würzburg zum Liegen kam.
In diese Richtung könnten planerisch auch Nordwest- und Südwestlink wandern. Wobei zwischen ICE-Trasse und hessischer Landesstraße 2304 nach Mottgers das große Flora-Fauna-Habitat der Schmalen Sinn zu berücksichtigen ist. TransnetBW-Mann Julian Ermann gibt zu, dass die genannten Hemmnisse die jetzige Planung in Frage stellen. Unter Umständen entstünde dadurch eine vergleichsweise größere Schneise durch den Wald.
Sinn und Schondra werden unterbohrt
Wobei der Übertragungsnetzbetreiber technische Mittel besitzt, großflächige Rodungen zu vermeiden. Ermann spricht von Spülbohrung oder auch einem Mikrotunnel. Es sei Abwägungssache, ob man einen kränkelnden Fichtenwald entferne oder wertvolle Waldstücke unterbohre.
Mit einem dieser Verfahren werden wohl auch die Sinn zwischen Zeitlofs und der „Schlagmühle“ und weiter südlich das Schondratal unterquert. Wie tief man da in den Boden muss, werde man sehen, so Ermann. Aber warum weichen gerade im Forst Detter-Süd die beiden Stromtrassen so weit von der Gasleitung (und deren Schneise) ab? Im Sinne der Bündelung und des sparsamen Landschaftsverbrauchs sollte das anders sein. Julian Ermann begründet das mit Erfahrungen aus dem Bau des Gasstranges vor rund zehn Jahren. Damals habe man Probleme gehabt, das tief eingeschnittene Schondratal zu unterqueren. Deswegen würde mit den Stromkabeln nach Osten abgerückt, an eine flachere Stelle nahe Heckmühle.
Erdkabeltrassen und Fulda-Main-Freileitung beißen sich nicht
Bleibt zu klären, ob sich Nordwest- und Südwestlink nicht mit der P43 beißen. Am Windbühel bei Roßbach schwenken beide Trassenvorschläge in den Vorzugskorridor der Fulda-Main-Freileitung ein. "Die Grenze des Schutzstreifens von P41 und 42 muss 40 Meter vom Mittelpunkt eines Mastes entfernt sein", sagt Ermann dazu. Auch ein Kreuzen der Freileitung mit den Erdkabeln sei kein Problem. Sie dürften aber nicht unter den Fundamenten der Strommasten zum Liegen kommen.
Zurück zu Nies Kiefner und dem Grieshof. Das sensible Wasserschutzgebiet und die gefährdete Eigenwasserversorgung sprechen durchaus dafür, dass Nordwest- und Südwestlink dort nicht langkommen. Möglich, dass TransnetBW im Mitte des Jahres 2024 beginnenden Planfeststellungsverfahren einen anderen Leitungsverlauf einreicht. Und schließlich haben direkt Betroffene wie der Markt Zeitlofs und die Kiefners dann - anders als jetzt - die Chance zu klagen.