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LKR Bad Kissingen
Mehrwertsteuer in der Gastronomie Bad Kissingen: Wird Essen gehen zum Luxus?
Alles Kämpfen war umsonst – die Mehrwertsteuer auf Speisen wird wieder auf 19 Prozent erhöht. Was sagen die Wirte im Landkreis Bad Kissingen dazu und wie geht es ihnen damit?
Christian Dösch (Bayerischer Hof Bad Kissingen) hofft trotz erhöhter Mehrwertsteuer auf ein weiteres gutes Jahr.       -  Christian Dösch (Bayerischer Hof Bad Kissingen) hofft trotz erhöhter Mehrwertsteuer auf ein weiteres gutes Jahr.
Foto: Angelika Despang | Christian Dösch (Bayerischer Hof Bad Kissingen) hofft trotz erhöhter Mehrwertsteuer auf ein weiteres gutes Jahr.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 21.01.2025 16:06 Uhr

„Für die Gastronomie ist das eine Katastrophe“, kommentiert Heinz Stempfle, Vorsitzender der Kreisstelle Bad Kissingen im Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband ( DEHOGA ), die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen ab 1. Januar 2024.

„Für viele Betriebe wird das der Untergang sein, denn es fehlt dann die Masse an Menschen, die Essen geht“, ist Stempfle überzeugt. Reiche Leute würden immer essen gehen, aber Normalverdiener würden sich das nicht mehr leisten können. Zu viele Gastronomiebetriebe in der Region ständen heute schon leer und fänden keine Pächter.

Für den Landkreis Bad Kissingen möchte Heinz Stempfle aber keine Prognose abgeben, „das ist schwer zu sagen, welche Folgen das vor Ort haben wird.“

Deutschland unter höchsten EU-Sätzen

Laut Dehoga gilt in 23 von 27 Ländern der Europäischen Union ein reduzierter Mehrwertsteuersatz. In den deutschen Nachbarländern Österreich, Frankreich und Italien gilt beispielsweise ein Satz von zehn Prozent, in Polen oder Ungarn sind es noch weniger.

„Das sind Länder, die hauptsächlich vom Tourismus leben. Die sind schlau“, sagt Heinz Stempfle. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer wird Deutschland ab kommenden Jahr einen der höchsten Sätze in der EU haben. „Da wird Deutschland im internationalen Vergleich Nachteile haben.“ Dem Kreisvorsitzenden ist aber auch bewusst, dass viele Branchen Kostendruck haben: „Nicht nur wir leiden.“

Nachwuchssorgen vorprogrammiert

„Ein Schlag ins Gesicht“ war die Entscheidung der Regierung für Konstantin Papadopoulos, Besitzer von Emmanuels Restaurant in Bad Kissingen. „Essen gehen wird zum Luxus, besonders für Familien“, sagt Konstantin Papadopoulos. „Wir erhöhen die Preise aber nicht aus Spaß. Der Betreiber muss wirtschaftlich denken und schlichtweg überleben.“

Das Emmanuels wird seit über 30 Jahren als Familienunternehmen geführt, die Zukunft der gastronomischen Vielfalt in der Region sieht der Geschäftsführer düster: „Ich glaube, die jetzige Generation ist die letzte, die den elterlichen Betrieb übernimmt. Jüngere werden kaum nachkommen und die Familienbetriebe sterben aus, weil es einem immer schwerer gemacht wird.“

„Ich bekomme immer mehr Existenzängste“, sagt Heike Fürst vom Café M in Bad Brückenau, „wir haben uns hier etwas aufgebaut und sind nicht mehr in dem Alter, nochmal von vorne anzufangen.“ Über zwei Jahre habe das Café M es geschafft, die Preise nicht zu erhöhen, „trotz Corona. Jetzt mit der Mehrwertsteuererhöhung kann ich es nicht mehr auffangen.“ Lange hatte sie gehofft, die Regierung würde einlenken und auch an die kleinen Betriebe denken – für die werde es jetzt besonders schwierig.

Heike Fürst kritisiert aber auch Kollegen, die bereits vor Monaten die Preise angezogen hätten: „Manche übertreiben einfach, die haben unverschämte Preissteigerungen, vor allem in den großen Städten. Das merkt sich der Gast und meint, dass allgemein die Gastronomen spinnen.“

Hoffen auf Verbleib der Steuerhöhe

Auch das Hotel Tilman in Münnerstadt wird die Preise erhöhen müssen. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, sagt Chefin Roswita Henkelmann. Sie erwartet große Veränderungen in der Gastronomie: „Das Ausgehverhalten der Leute wird sich ändern.“

Christian Dösch vom Bayerischen Hof in Bad Kissingen erinnert daran, dass sich nicht nur die Steuern auf Speisen erhöhen, sondern auch weitere Kosten wie CO2-Steuer , Mindestlohn, Gas-, Strom- und Lebensmittelpreise die Gastronomiebetriebe belasten. „Ich habe immer noch ein wenig Hoffnung, dass die Erhöhung nicht umgesetzt wird. Es ist noch nicht der 31. Dezember.“ Wenn ja, müsse man abwarten, wie die Gäste die Preiserhöhungen annehmen. „Ich denke nicht, dass das nächste Jahr so extrem schlecht wird“, ist Dösch optimistisch.

Rückkehr sozial gerecht

Wie begründen die Vertreterinnen der Regierung aus der Region die Entscheidung?

Manuela Rottmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen betont, dass die Senkung der Mehrwertsteuer ein vorübergehendes Kriseninstrument war und bereits mehrfach verlängert wurde: „Auch der Staat kann jeden Euro nur einmal ausgeben und zur Einhaltung der Schuldengrenze sind wir gezwungen, für diese umfangreiche Unterstützung einer einzelnen Branche eine Gegenfinanzierung vorzuschlagen, also an anderer Stelle in gleicher Höhe zu kürzen oder Steuern zu erhöhen.“

Die eigentliche Herausforderung der Gastronomie sei der Mangel an Arbeitskräften, der mit dem beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz und Weiterbildungsgesetz bekämpft werde, „damit die Branche ihre wichtige gesellschaftliche und touristische Stellung auch in Zukunft behält.“ Auch Sabine Dittmar (SPD), verweist auf die beiden Gesetze, mit denen der Bund die Gastronomie weiterhin unterstütze.

„Wir haben auch berücksichtigt, dass nahezu alle Ökonomen eine erneute Verlängerung ablehnen. Eine Analyse des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaft (ZEW) hat beispielsweise gezeigt, dass die Rückkehr zur 19-Prozent-Besteuerung ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht ist, denn die Herausforderungen wie Strukturwandel, Inflation oder Arbeitskräftemangel betreffen andere Branchen ebenso stark.“

Lesen Sie zur Situation der Gastronomie in der Region:

 
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Kommentare
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  • Roland Albert
    Wer noch in DMark zurück rechnet, ist aber sowas von vorgestern.
    Da gibts aber andere Argumente.
    Kirche???
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  • Matthias Braun
    Essen gehen war vor Corona mit 19% MwSt. auch kein extremer Luxus. Es liegt also nicht an der MwSt. Man geht ja schließlich nicht täglich zum Essen.
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  • Karl-Heinz Busch
    Also in der Gastronomie die MwSt. auf 7% ging, haben wir Kunden was davon gehabt? Und jetzt geht's wieder zurück und das sollen die Gastro-Kunden aber bezahlen?
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  • Johannes Metzger
    Ein Großteil der Bevölkerung will, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Aber jeder meckert, wenn sie/er/es seinen Beitrag dazu leisten soll.
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  • Dietmar Eberth
    Bauwirtschaft jammert. Energieintensive Industrie jammert. Krankenhäuser jammern. Gastronomie jammert wegen MWSt.-Rückname. Apotheker jammern. Luftfahrt jammert wegen Kerosinbesteuerung. E-Auto-Produzenten jammern. Landwirte jammern.

    Und Bürgergeldempfänger leben in Deutschland mit 195 Euro im Monat für Lebensmittel in Saus und Braus.

    Und an allem ist die Ampel schuld. Man sollte auswandern, wenn es im Ausland nicht noch schlechter wäre.
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  • Klaus B. Fiederling
    auch hier wieder das typische Versagen unserer Regierung. Wie kann ich in solchen Zeiten die MWST ab 1.1.2024 wieder auf 19 % erhöhen, wenn die Geldbeutel immer leerer werden und die
    Kasse nicht mehr klingelt. War neulich bei uns in der Gaststätte: 0,5 Liter Johannisbeersaftschorle mittlerweile 4,60 (Umgerechnet 9 DM), ist ne Frechheit sondergleichen. Wenn man früher z. B. für ein Schnitzel mit Pommes 9-10 Euro zahlte, ist der
    Jetztpreis bereits zwischen 14 und 16 Euro. Wo führt das hin?? Man sollte nicht nur das Geld ins Ausland schaffen, sondern auch mal bei uns lassen, wenn man nicht erreichen will, dass Deutschland in 1 bis 2 Jahren bankrott ist. Note 6 für unsere liebe Ampelkoalition !!
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    ....umgerechnet 9 DM, das sind ja
    bald 50 Mark Ost 🙆🏼‍♂️🤣....

    Dieses Argument, die Bundesregierung würde alsfort Geld ins Ausland schaffen;
    kann man bringen,
    aber wenn das Geld im Land zu bleiben hat,
    dann bitte auch nur für das Land produzieren
    und auf Exporte komplett verzichten.

    Beim Urlaub,
    da ist die/der/das Deutsche
    auch nicht knausrig,
    da trägt man das Geld gern sonst wohin,
    aber daheim,
    da lässt man die Wirte verhungern.

    Für Vorgängerregierungen war zum Beispiel
    auch die Bundeswehr,
    die mittlerweile dringend viel Geld kostet, lediglich ein besserer Trachtenverein,
    der beim Zapfenstreichen für das nette Ambiente gesorgt hat.

    Und auch die Gastronomie wird die paar Prozent Mehrwertsteuer verkraften und weiterhin Kundschaft haben.

    Einerseits leben viele Menschen halt echt noch in der Vergangenheit,
    als in jedem 100-Einwohnerdorf
    eine günstige Dorfwirtschaft war,
    bloß bei der Regierung,
    da ist man auf dem Laufenden,
    da ist immer die Aktuelle an allem schuld.
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  • Michael Feller
    Früher hat der Sprit 1 Mark gekostet - das sind 50 Cent. Unglaublich, was "die da oben" mit uns machen.
    ;)
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  • Alfred Holler
    Früher? dann sagen Sie doch bitte mal, wann das war. Dann vergleichen wir mal mit den damaligen Löhnen und Preisen- und dann könnte man da vernünftig diskutieren
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  • Rouven Larösch
    Korrekt, nur der Vergleich mit früherer Kaufkraft ist hierbei objektiv:
    http://finanzwertig.de/kaufkraft-vergleich-frueher-war-mitnichten-alles-billiger-95

    Und ganz klar ja: Früher war alles deutlich teurer. Nur wir Menschen waren halt auch mit deutlich weniger zurfrieden.
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