Bad Kissingen
Was lange währt, scheint endlich gut zu werden
Es ist ruhig geworden um die B 286 neu. Seit Anfang letzten Jahres hat man so gut wie nichts mehr von Plänen oder gar einem Baubeginn gehört.
Das Staatliche Bauamt Schweinfurt ist die federführende Planungs- und Bauausführungsbehörde für den Bau der schhon lange geplanten Autobahnanbindung von Bad Kissingen an die A 71, die von Schweinfurt hinauf nach Thüringen führt. So war es an der Zeit, einmal nachzufragen bei Holger Bothe, dem Leiter der Behörde, wie der Sachstand zurzeit eigentlich ist.
Ist die B 286 neu - bald 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Anlaufen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und elf Jahre nach der Freigabe der durchgehenden A 71 von Schweinfurt bis hinter Erfurt politisch überhaupt noch gewollt?
Holger Bothe: Die Frage, ob der Straßenneubau politisch noch gewollt ist, müssten Sie eigentlich an die Politiker richten. Wir haben einen konkreten Planungsauftrag, und zwar durch den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVPBWP) und den daraus entwickelten und vom Bundestag beschlossenen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, wo ja dieses Projekt in den vordringlichen Bedarf eingestuft worden ist. Das haben wir auch getan. Nachdem der Deutsche Bundestag ja den Bedarfsplan Ende 2016 verabschiedet hatte, haben wir die Planungen aufgenommen und konnten uns glücklicherweise hier schon der Unterlagen, die der Landkreis für die Kreisstraßenortsumgehung Eltingshausen hat erstellen lassen, bedienen. Wobei man allerdings sagen muss, dass wir trotz der Vorlage des Landkreises doch im Wesentlichen eine Neuplanung aufstellen mussten, weil die Planungsparameter für eine Bundesstraße doch andere sind als für eine Kreisstraße. In dem Prozess sind wir jetzt halt noch immer drin. Die Planungsarbeiten von der technischen Seite her sind abgeschlossen. Die sehr umfangreichen landschaftspflegerischen Planungen sind jetzt dazugekommen, und die sind mittlerweile in den Entwurf hineingearbeitet worden.
Was bedeutet das für den Fortgang?
Wir haben die Planungen noch vor Weihnachten an die Höhere Naturschutzbehörde gesandt, um eine Stellungnahme zu bekommen. Denn die ist Voraussetzung, um diese Unterlagen auch der vorgesetzten Dienststelle, der Regierung von Unterfranken, vorzulegen, um dann die Genehmigung zu erhalten und damit die haushaltsrechtliche Voraussetzung zu schaffen, um weiter planen zu dürfen.
Gehen wir noch mal zurück in die Geschichte, in die zurückliegenden knapp 30 Jahre, in denen im Zuge der Wiedervereinigung auch im Straßenbau sehr viel geschehen ist. Dann sehe ich, dass nicht nur die A 71 längst fertig ist, sondern auch die Ortsanbindungen: Dittelbrunn/Poppenhausen, Münnerstadt, Bad Neustadt - alle mit neuen Straßen. Mellrichstadt hat zwar auch nur eine Ausfahrt, aber zwei Anbindungen: die bereits vorhandene Straße nach Hendungen im Süden und die komplett neu gebaute Nordumfahrung mit aufwändigen Brücken und einer Anbindung an die Straße nach Ostheim. Was haben die Mellrichstädter richtig oder die Kissinger falsch gemacht?
Man muss sehen, dass die Lage der Anschlussstelle Bad Kissingen/Oerlenbach relativ nah am bestehenden Netz, also der ehemaligen B 19, geplant werden konnte. Insofern war es nicht notwendig, im Gegensatz zu Münnerstadt, Bad Neustadt und Mellrichstadt, hier mit längeren Anbindungen in Form von neuen Bundesstraßen für die notwendige Verknüpfung mit der neuen Autobahn zu sorgen. Dafür war die vorhandene B 286 vorübergehend immer noch genügend tauglich, um diese Verbindungsfunktion herzustellen - vorübergehend aus damaliger Sicht, weil es ja eben darum ging, für alle bedeutenderen Städte entlang der neuen Autobahn auch entsprechende möglichst kurze und zügig befahrbare Anbindungen zu schaffen. Das war auch der ursprüngliche Planungsauftrag für die B 286 neu. Dass jetzt andere Anbindungen schneller geplant und gebaut wurden, hat schlicht und einfach damit zu tun, dass der Zwang solcher Ersatz- oder Neuanbindungen an den anderen Stellen viel größer war. Auch die direkte Anbindung Mellrichstadts an die A 71 ist ja insoweit nur suboptimal, als die Anbindung ja gezielt auf das Stadtzentrum geht. Das ist für die Ableitung des überörtlichen Verkehrs und des Fernverkehrs keine optimale Anbindung. Deshalb hat der Bund damals die Autobahn auch mit dem Ausbaukonzept der B 285 verknüpft und dessen erste Etappe in Form dieser Umgehung von Mellrichstadt bis Stockheim realisiert.
Aber warum nicht bei Bad Kissingen?
Bad Kissingen hat eigentlich die ganzen Jahre hindurch durch die bestehende B 286 eigentlich immer noch eine taugliche Verkehrsanbindung gehabt. Das erklärt vielleicht auch, warum der politische Druck bei diesem Projekt nicht so groß, nicht so nachthaltig bisher gewesen ist. Weder seitens der Stadt Bad Kissingen noch des Landkreises hat man hier gravierende Anbindungsdefizite der Kreisstadt an das Autobahnnetz gesehen, zumal ja Bad Kissingen nach Süden und Westen und Norden hin ja schon sehr kurze und gute Anbindungen an die A 7 hat. Das ist aus meiner Sicht die Erklärung dafür, dass hier die Politik nicht immer so vehement den Neubau der B 286 zur A 71 gefordert hat.
Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen "vordringlicher Bedarf" und "30 Jahre deutsche Einheit"?
"Vordringlicher Bedarf" ist zwar ein Begriff aus der Aufstellung und Fortschreibung dieses BVPBWP, aber er ist keine neue Wortschöpfung. Natürlich kann man jetzt darüber philosophieren, dass die Dringlichkeit eigentlich schon längst hätte umgesetzt werden müssen. Aber da muss man einfach sehen, dass Prioritäten zwar bestehen, aber nicht alle gleichzeitig erfüllt werden können, weil doch irgendwo die Ressourcen endlich sind - die finanziellen, aber auch die planerisch personellen.
Aber insgesamt war es doch ein sehr langer Prozess bisher ohne nach außen hin erkennbare Fortschritte?
Bei der B 286 war es halt ein sehr langer und außergewöhnlich zäher Planungsprozess über mehrere Stadien. Ich kenne das ja noch aus einer Zeit lange vor der Wiedervereinigung. Es war ja bereits Anfang der 1980er Jahr ein Thema, die B 286 zu verlegen, auch schon damals wegen der stark belasteten Ortsdurchfahrten in Arnshausen und Oerlenbach. Zum anderen aber - das ist noch ein weiteres Planungsziel - wegen des Grundwasserschutzes. Das Thema beschäftigt uns heute noch. Wir haben ja südöstlich von Arnshausen das ausgedehnte Wasserschutzgebiet, auch Heilquellenschutzgebiet für Bad Kissingen, und da führt mittendurch unsere Bundesstraße. Die hat nach dem heutigen technischen Standard keinen ausreichenden Schutz. Das heißt, wenn da mal ein Laster umkippt und Öl ausläuft und ins Erdreich sickert, dann haben wir Feuer auf dem Dach. Im Grunde genommen unterstreicht das die Wichtigkeit, weshalb hier der Durchgangsverkehr, vor allem auch der Lkw-Verkehr aus diesem Wasserschutzgebiet verbannt werden muss.
Ich habe den Eindruck, dass man, wenn es nach dem Straßenbauamt gegangen wäre, schon längst mal hätte loslegen können. Ist das richtig?
Natürlich. Wenn wir jetzt gezielt unsere Planungskapazitäten auf dieses Projekt gelenkt hätten, dann wäre wahrscheinlich heute die B 286 neu wie auch immer schon gebaut worden. Auch schon in den 1980er Jahren, als ich als junger geprüfter Baureferenda neu ans damalige Straßenbauamt Schweinfurt kam. Ich war selber damals in Arnshausen und Reiterswiesen und habe den Verkehr gezählt - wir haben selber noch so eine Art Verkehrsuntersuchung auf die Beine gestellt, um festzustellen, wie viel Durchgangsverkehr über dieses Straßennetz geht und wie viel dann eine neue B 286 von dem bestehenden Straßennetz an Verkehr abziehen kann. Da war von einer Autobahn A 71 überhaupt noch keine Rede. Diese Planungsziele sind geblieben, nur wurden sie inzwischen überlagert von anderen Zielen.
Von dem Bau der A 71?
Ja. Als die Planungen für die Autobahn konkreter wurden, entstand auch die Idee, eine - ich sage mal - superschnelle und leistungsfähige Anbindung von Bad Kissingen an die Autobahn zu schaffen. Da wurde sehr aufwändig geplant mit durchgehenden drei Fahrspuren und teilhöhenfreien Knotenpunkten, fast schon ein bisschen autobahnähnlich. Aber der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die höheren Kosten nicht durch den damaligen Bedarfsplan für Bundesfernstraßen abgedeckt waren, und verlangte, die Planungen wieder auf ein realistisches Maß zurückzufahren. Dadurch haben wir nicht nur Zeit verloren, sondern mussten praktisch die die planerische Arbeit noch mal leisten, damit ein Entwurf entsteht, der auch tatsächlich realistischerweise von den zu erwartenden Verkehrsverhältnissen ausgeht.
Inwiefern waren die Prognosen nicht realistisch?
Es war festzustellen, dass die Verkehrsprognosen, die man noch in den 1990er Jahren angestellt hatte, viel zu optimistisch waren, gerade hier für unsere Region, und von viel zu hohen Zuwächsen ausgingen. Als das klar war, haben wir durch eine neue umfangreiche Verkehrsuntersuchung ermitteln lassen, wie tatsächlich die Verkehre und die zu erwartenden Zuwachsraten aussehen. Da haben wir festgestellt: Das schafft auch eine normale zweispurige Bundesstraße, diesen zukünftigen Verkehr so abzuleiten, dass eine Verbesserung für die Anwohner in den Ortsdurchfahrten eintritt und dass die Stadt Bad Kissingen eine verbesserte Anbindung an die Autobahn bekommt, ohne dass mordsbreite Fahrbahnen und aufwendig gestaltete Knotenpunkte gebaut werden müssen. Dieser Wechsel in den Anschauungen der Planungsgrundlagen war es, was uns in der Zeit, in der die Autobahn dann schon im Bau war und auch die übrigen Autobahnzubringer, hier entscheidend zurückgeworfen hat.
Warum ist der Landkreis aus seiner Ortsumgehung wieder ausgestiegen?
Der Landkreis hatte sich dafür entschieden, die Umgehung Eltingshausen als Kreisstraße zu planen und zu bauen zu einem Zeitpunkt, als noch nicht klar war, ob die B 286 neu wieder in den dringlichen Bedarf des neuen Verkehrswegeplans eingestuft werden würde. Denn alle bis zum Beginn der Fortschreibungsarbeiten noch nicht begonnenen Projekte des alten BVP BWP mussten neu bewertet werden. Das hat hier vor Ort natürlich auch den Landrat und den Oberbürgermeister aufgeschreckt, denn es war nicht sicher, ob nach einer erneuten Bewertung dieses Projekt wieder im vordringlichen Bedarf landen würde. Das war dann Anlass für den Landkreis zu sagen: Uns ist die Verbesserung der Verkehrssituation um Eltingshausen so wichtig, dass wir jetzt selber das Heft in die Hand nehmen und nicht auf den Bund warten.
Und der Rückzieher?
Als dann im März 2016 bei der ersten Veröffentlichung des BVP BWP klar war, dass das Projekt wieder in den vordringlichen Bedarf kommt, war für den Landkreis klar, dass er sich aus diesem Projekt wieder verabschieden könnte, weil jetzt wieder der Bund das Heft in die Hand nimmt.
Man kann also nicht sagen, dass die beabsichtigte Vorleistung des Landkreises das ganze Projekt möglicherweise gebremst hätte.
Nein, ganz bestimmt nicht. Es war ja sogar ursprünglich die Überlegung, dass wir durch das Landkreisprojekt einen zeitlichen Vorteil haben können. Das hätte aber vorausgesetzt, dass der Landkreis tatsächlich darauf bestanden hätte, dass die Regierung von Unterfranken das Planfeststellungsverfahren zu Ende führt. Da war die Überlegung ursprünglich: Wenn schon ein Planfeststellungsbeschluss für die Kreisstraße vorliegt, dann könnte sich auch ein anschließendes Planfeststellungsverfahren für die B 286 neu in diesem Bereich auf einen kürzeren Zeitraum erstrecken und dann auch schneller Baurecht für die neue Bundesstraße vorliegen.
Wie ist jetzt der konkrete Sachstand
Grundsätzlich ist es so, dass die Strecke in zwei Bauabschnitte aufgeteilt wird, um zumindest für den Bereich, den der Kreis schon geplant hat, eine möglichst zeitnahe Umsetzung zu erreichen. Wir werden mit der Ortsumgehung von Eltingshausen beginnen, die an der Einmündung der KG 6 in die Staatsstraße 2445 (früher B 19), also an der Rottershäuser Kreuzung beginnt, nördlich um Eltingshausen vorbei und durch das Gewerbegebiet "Am Gründlein" hindurchläuft und zur B 286 alt hinüberführt (wo jetzt schon eine Abzweigung ist). Wenn dieser erste Bauabschnitt baulich in Gang kommt, beginnen wir damit, den Bauabschnitt 2 planerisch zu realisieren, der von Arnshausen über den Lollbach hinauf an die Eltingshäuser Umgehungsspange führt. Ein Teil dieser Trasse ist ja schon ausgebaut mit dem Radweg von Bad Kissingen nach Arnshausen. Das bedeutet, dass dann auch die Bahnunterführung erneuert und verbreitert wird.
Braucht man die Verbindung zur B 286 alt wirklich noch?
Das sieht vielleicht auf den ersten Blick so aus, dass sie überflüssig ist, dass wir das Geld sparen könnten. Dem ist aber nicht so. Denn wenn wir den zweiten Bauabschnitt gebaut haben werden, dann werden wir das Planungsziel, den Verkehr aus dem Wasserschutzgebiet herauszubekommen, nur dann erreichen, wenn wir die alte Bundesstraße hinter der Ortszufahrt Arnshausen dicht machen. Wir brauchen aber eine Ersatzableitung für den Verkehr, der Richtung Ramsthal und Wirmsthal fährt. Und das ist diese Spange.
Von welchen Zeitfenstern reden wir?
Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres in Zusammenarbeit mit der Regierung von Unterfranken im Planfeststellungsverfahren das Baurecht für den Bauabschnitt 1 zu bekommen, so dass wir bis etwa Mitte 2019 vollziehbares Baurecht hätten und anschließend mit ersten Maßnahmen beginnen können, wie auch immer die aussehen mögen. Diese Vorarbeiten werden das 2. Halbjahr 2019 prägen. Aber vielleicht können wir dann auch schon mit Brückenbaumaßnahmen beginnen. Das sind ja immer die vorlaufenden Arbeiten, bevor die eigentlichen Straßenbauarbeiten beginnen. Die werden bei realistischer Einschätzung zum großen Teil im Jahr 2020 ablaufen.
2021 könnten wir dann schon fahren?
Ja, zumindest über den ersten Bauabschnitt. Denn man muss von einer zweijährigen Bauzeit ausgehen. Freigabe ist, wenn alles gut geht, im Herbst 2021 - für den Bauabschnitt 1. Für den Bauabschnitt 2 sollen die Planungen, wenn wir wissen, dass wir Baurecht haben, 2019 zügig starten.
Also: Wenn wir 35 Jahre Deutsche Einheit feiern, können wir schon ungebremst von der Autobahn hinunter nach Bad Kissingen fahren?
Ja.
Ist die B 286 neu - bald 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Anlaufen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und elf Jahre nach der Freigabe der durchgehenden A 71 von Schweinfurt bis hinter Erfurt politisch überhaupt noch gewollt?
Holger Bothe: Die Frage, ob der Straßenneubau politisch noch gewollt ist, müssten Sie eigentlich an die Politiker richten. Wir haben einen konkreten Planungsauftrag, und zwar durch den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVPBWP) und den daraus entwickelten und vom Bundestag beschlossenen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, wo ja dieses Projekt in den vordringlichen Bedarf eingestuft worden ist. Das haben wir auch getan. Nachdem der Deutsche Bundestag ja den Bedarfsplan Ende 2016 verabschiedet hatte, haben wir die Planungen aufgenommen und konnten uns glücklicherweise hier schon der Unterlagen, die der Landkreis für die Kreisstraßenortsumgehung Eltingshausen hat erstellen lassen, bedienen. Wobei man allerdings sagen muss, dass wir trotz der Vorlage des Landkreises doch im Wesentlichen eine Neuplanung aufstellen mussten, weil die Planungsparameter für eine Bundesstraße doch andere sind als für eine Kreisstraße. In dem Prozess sind wir jetzt halt noch immer drin. Die Planungsarbeiten von der technischen Seite her sind abgeschlossen. Die sehr umfangreichen landschaftspflegerischen Planungen sind jetzt dazugekommen, und die sind mittlerweile in den Entwurf hineingearbeitet worden.
Was bedeutet das für den Fortgang?
Wir haben die Planungen noch vor Weihnachten an die Höhere Naturschutzbehörde gesandt, um eine Stellungnahme zu bekommen. Denn die ist Voraussetzung, um diese Unterlagen auch der vorgesetzten Dienststelle, der Regierung von Unterfranken, vorzulegen, um dann die Genehmigung zu erhalten und damit die haushaltsrechtliche Voraussetzung zu schaffen, um weiter planen zu dürfen.
Gehen wir noch mal zurück in die Geschichte, in die zurückliegenden knapp 30 Jahre, in denen im Zuge der Wiedervereinigung auch im Straßenbau sehr viel geschehen ist. Dann sehe ich, dass nicht nur die A 71 längst fertig ist, sondern auch die Ortsanbindungen: Dittelbrunn/Poppenhausen, Münnerstadt, Bad Neustadt - alle mit neuen Straßen. Mellrichstadt hat zwar auch nur eine Ausfahrt, aber zwei Anbindungen: die bereits vorhandene Straße nach Hendungen im Süden und die komplett neu gebaute Nordumfahrung mit aufwändigen Brücken und einer Anbindung an die Straße nach Ostheim. Was haben die Mellrichstädter richtig oder die Kissinger falsch gemacht?
Man muss sehen, dass die Lage der Anschlussstelle Bad Kissingen/Oerlenbach relativ nah am bestehenden Netz, also der ehemaligen B 19, geplant werden konnte. Insofern war es nicht notwendig, im Gegensatz zu Münnerstadt, Bad Neustadt und Mellrichstadt, hier mit längeren Anbindungen in Form von neuen Bundesstraßen für die notwendige Verknüpfung mit der neuen Autobahn zu sorgen. Dafür war die vorhandene B 286 vorübergehend immer noch genügend tauglich, um diese Verbindungsfunktion herzustellen - vorübergehend aus damaliger Sicht, weil es ja eben darum ging, für alle bedeutenderen Städte entlang der neuen Autobahn auch entsprechende möglichst kurze und zügig befahrbare Anbindungen zu schaffen. Das war auch der ursprüngliche Planungsauftrag für die B 286 neu. Dass jetzt andere Anbindungen schneller geplant und gebaut wurden, hat schlicht und einfach damit zu tun, dass der Zwang solcher Ersatz- oder Neuanbindungen an den anderen Stellen viel größer war. Auch die direkte Anbindung Mellrichstadts an die A 71 ist ja insoweit nur suboptimal, als die Anbindung ja gezielt auf das Stadtzentrum geht. Das ist für die Ableitung des überörtlichen Verkehrs und des Fernverkehrs keine optimale Anbindung. Deshalb hat der Bund damals die Autobahn auch mit dem Ausbaukonzept der B 285 verknüpft und dessen erste Etappe in Form dieser Umgehung von Mellrichstadt bis Stockheim realisiert.
Aber warum nicht bei Bad Kissingen?
Bad Kissingen hat eigentlich die ganzen Jahre hindurch durch die bestehende B 286 eigentlich immer noch eine taugliche Verkehrsanbindung gehabt. Das erklärt vielleicht auch, warum der politische Druck bei diesem Projekt nicht so groß, nicht so nachthaltig bisher gewesen ist. Weder seitens der Stadt Bad Kissingen noch des Landkreises hat man hier gravierende Anbindungsdefizite der Kreisstadt an das Autobahnnetz gesehen, zumal ja Bad Kissingen nach Süden und Westen und Norden hin ja schon sehr kurze und gute Anbindungen an die A 7 hat. Das ist aus meiner Sicht die Erklärung dafür, dass hier die Politik nicht immer so vehement den Neubau der B 286 zur A 71 gefordert hat.
Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen "vordringlicher Bedarf" und "30 Jahre deutsche Einheit"?
"Vordringlicher Bedarf" ist zwar ein Begriff aus der Aufstellung und Fortschreibung dieses BVPBWP, aber er ist keine neue Wortschöpfung. Natürlich kann man jetzt darüber philosophieren, dass die Dringlichkeit eigentlich schon längst hätte umgesetzt werden müssen. Aber da muss man einfach sehen, dass Prioritäten zwar bestehen, aber nicht alle gleichzeitig erfüllt werden können, weil doch irgendwo die Ressourcen endlich sind - die finanziellen, aber auch die planerisch personellen.
Aber insgesamt war es doch ein sehr langer Prozess bisher ohne nach außen hin erkennbare Fortschritte?
Bei der B 286 war es halt ein sehr langer und außergewöhnlich zäher Planungsprozess über mehrere Stadien. Ich kenne das ja noch aus einer Zeit lange vor der Wiedervereinigung. Es war ja bereits Anfang der 1980er Jahr ein Thema, die B 286 zu verlegen, auch schon damals wegen der stark belasteten Ortsdurchfahrten in Arnshausen und Oerlenbach. Zum anderen aber - das ist noch ein weiteres Planungsziel - wegen des Grundwasserschutzes. Das Thema beschäftigt uns heute noch. Wir haben ja südöstlich von Arnshausen das ausgedehnte Wasserschutzgebiet, auch Heilquellenschutzgebiet für Bad Kissingen, und da führt mittendurch unsere Bundesstraße. Die hat nach dem heutigen technischen Standard keinen ausreichenden Schutz. Das heißt, wenn da mal ein Laster umkippt und Öl ausläuft und ins Erdreich sickert, dann haben wir Feuer auf dem Dach. Im Grunde genommen unterstreicht das die Wichtigkeit, weshalb hier der Durchgangsverkehr, vor allem auch der Lkw-Verkehr aus diesem Wasserschutzgebiet verbannt werden muss.
Ich habe den Eindruck, dass man, wenn es nach dem Straßenbauamt gegangen wäre, schon längst mal hätte loslegen können. Ist das richtig?
Natürlich. Wenn wir jetzt gezielt unsere Planungskapazitäten auf dieses Projekt gelenkt hätten, dann wäre wahrscheinlich heute die B 286 neu wie auch immer schon gebaut worden. Auch schon in den 1980er Jahren, als ich als junger geprüfter Baureferenda neu ans damalige Straßenbauamt Schweinfurt kam. Ich war selber damals in Arnshausen und Reiterswiesen und habe den Verkehr gezählt - wir haben selber noch so eine Art Verkehrsuntersuchung auf die Beine gestellt, um festzustellen, wie viel Durchgangsverkehr über dieses Straßennetz geht und wie viel dann eine neue B 286 von dem bestehenden Straßennetz an Verkehr abziehen kann. Da war von einer Autobahn A 71 überhaupt noch keine Rede. Diese Planungsziele sind geblieben, nur wurden sie inzwischen überlagert von anderen Zielen.
Von dem Bau der A 71?
Ja. Als die Planungen für die Autobahn konkreter wurden, entstand auch die Idee, eine - ich sage mal - superschnelle und leistungsfähige Anbindung von Bad Kissingen an die Autobahn zu schaffen. Da wurde sehr aufwändig geplant mit durchgehenden drei Fahrspuren und teilhöhenfreien Knotenpunkten, fast schon ein bisschen autobahnähnlich. Aber der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die höheren Kosten nicht durch den damaligen Bedarfsplan für Bundesfernstraßen abgedeckt waren, und verlangte, die Planungen wieder auf ein realistisches Maß zurückzufahren. Dadurch haben wir nicht nur Zeit verloren, sondern mussten praktisch die die planerische Arbeit noch mal leisten, damit ein Entwurf entsteht, der auch tatsächlich realistischerweise von den zu erwartenden Verkehrsverhältnissen ausgeht.
Inwiefern waren die Prognosen nicht realistisch?
Es war festzustellen, dass die Verkehrsprognosen, die man noch in den 1990er Jahren angestellt hatte, viel zu optimistisch waren, gerade hier für unsere Region, und von viel zu hohen Zuwächsen ausgingen. Als das klar war, haben wir durch eine neue umfangreiche Verkehrsuntersuchung ermitteln lassen, wie tatsächlich die Verkehre und die zu erwartenden Zuwachsraten aussehen. Da haben wir festgestellt: Das schafft auch eine normale zweispurige Bundesstraße, diesen zukünftigen Verkehr so abzuleiten, dass eine Verbesserung für die Anwohner in den Ortsdurchfahrten eintritt und dass die Stadt Bad Kissingen eine verbesserte Anbindung an die Autobahn bekommt, ohne dass mordsbreite Fahrbahnen und aufwendig gestaltete Knotenpunkte gebaut werden müssen. Dieser Wechsel in den Anschauungen der Planungsgrundlagen war es, was uns in der Zeit, in der die Autobahn dann schon im Bau war und auch die übrigen Autobahnzubringer, hier entscheidend zurückgeworfen hat.
Warum ist der Landkreis aus seiner Ortsumgehung wieder ausgestiegen?
Der Landkreis hatte sich dafür entschieden, die Umgehung Eltingshausen als Kreisstraße zu planen und zu bauen zu einem Zeitpunkt, als noch nicht klar war, ob die B 286 neu wieder in den dringlichen Bedarf des neuen Verkehrswegeplans eingestuft werden würde. Denn alle bis zum Beginn der Fortschreibungsarbeiten noch nicht begonnenen Projekte des alten BVP BWP mussten neu bewertet werden. Das hat hier vor Ort natürlich auch den Landrat und den Oberbürgermeister aufgeschreckt, denn es war nicht sicher, ob nach einer erneuten Bewertung dieses Projekt wieder im vordringlichen Bedarf landen würde. Das war dann Anlass für den Landkreis zu sagen: Uns ist die Verbesserung der Verkehrssituation um Eltingshausen so wichtig, dass wir jetzt selber das Heft in die Hand nehmen und nicht auf den Bund warten.
Und der Rückzieher?
Als dann im März 2016 bei der ersten Veröffentlichung des BVP BWP klar war, dass das Projekt wieder in den vordringlichen Bedarf kommt, war für den Landkreis klar, dass er sich aus diesem Projekt wieder verabschieden könnte, weil jetzt wieder der Bund das Heft in die Hand nimmt.
Man kann also nicht sagen, dass die beabsichtigte Vorleistung des Landkreises das ganze Projekt möglicherweise gebremst hätte.
Nein, ganz bestimmt nicht. Es war ja sogar ursprünglich die Überlegung, dass wir durch das Landkreisprojekt einen zeitlichen Vorteil haben können. Das hätte aber vorausgesetzt, dass der Landkreis tatsächlich darauf bestanden hätte, dass die Regierung von Unterfranken das Planfeststellungsverfahren zu Ende führt. Da war die Überlegung ursprünglich: Wenn schon ein Planfeststellungsbeschluss für die Kreisstraße vorliegt, dann könnte sich auch ein anschließendes Planfeststellungsverfahren für die B 286 neu in diesem Bereich auf einen kürzeren Zeitraum erstrecken und dann auch schneller Baurecht für die neue Bundesstraße vorliegen.
Wie ist jetzt der konkrete Sachstand
Grundsätzlich ist es so, dass die Strecke in zwei Bauabschnitte aufgeteilt wird, um zumindest für den Bereich, den der Kreis schon geplant hat, eine möglichst zeitnahe Umsetzung zu erreichen. Wir werden mit der Ortsumgehung von Eltingshausen beginnen, die an der Einmündung der KG 6 in die Staatsstraße 2445 (früher B 19), also an der Rottershäuser Kreuzung beginnt, nördlich um Eltingshausen vorbei und durch das Gewerbegebiet "Am Gründlein" hindurchläuft und zur B 286 alt hinüberführt (wo jetzt schon eine Abzweigung ist). Wenn dieser erste Bauabschnitt baulich in Gang kommt, beginnen wir damit, den Bauabschnitt 2 planerisch zu realisieren, der von Arnshausen über den Lollbach hinauf an die Eltingshäuser Umgehungsspange führt. Ein Teil dieser Trasse ist ja schon ausgebaut mit dem Radweg von Bad Kissingen nach Arnshausen. Das bedeutet, dass dann auch die Bahnunterführung erneuert und verbreitert wird.
Braucht man die Verbindung zur B 286 alt wirklich noch?
Das sieht vielleicht auf den ersten Blick so aus, dass sie überflüssig ist, dass wir das Geld sparen könnten. Dem ist aber nicht so. Denn wenn wir den zweiten Bauabschnitt gebaut haben werden, dann werden wir das Planungsziel, den Verkehr aus dem Wasserschutzgebiet herauszubekommen, nur dann erreichen, wenn wir die alte Bundesstraße hinter der Ortszufahrt Arnshausen dicht machen. Wir brauchen aber eine Ersatzableitung für den Verkehr, der Richtung Ramsthal und Wirmsthal fährt. Und das ist diese Spange.
Von welchen Zeitfenstern reden wir?
Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres in Zusammenarbeit mit der Regierung von Unterfranken im Planfeststellungsverfahren das Baurecht für den Bauabschnitt 1 zu bekommen, so dass wir bis etwa Mitte 2019 vollziehbares Baurecht hätten und anschließend mit ersten Maßnahmen beginnen können, wie auch immer die aussehen mögen. Diese Vorarbeiten werden das 2. Halbjahr 2019 prägen. Aber vielleicht können wir dann auch schon mit Brückenbaumaßnahmen beginnen. Das sind ja immer die vorlaufenden Arbeiten, bevor die eigentlichen Straßenbauarbeiten beginnen. Die werden bei realistischer Einschätzung zum großen Teil im Jahr 2020 ablaufen.
2021 könnten wir dann schon fahren?
Ja, zumindest über den ersten Bauabschnitt. Denn man muss von einer zweijährigen Bauzeit ausgehen. Freigabe ist, wenn alles gut geht, im Herbst 2021 - für den Bauabschnitt 1. Für den Bauabschnitt 2 sollen die Planungen, wenn wir wissen, dass wir Baurecht haben, 2019 zügig starten.
Also: Wenn wir 35 Jahre Deutsche Einheit feiern, können wir schon ungebremst von der Autobahn hinunter nach Bad Kissingen fahren?
Ja.
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